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Piratenpartei zur Stadionsicherheit„Sie posieren mit Schlagstöcken“

Pirat Christian Nissen setzt sich für eine Überarbeitung der Stadionverbote ein. Fans, die sich aktiv gegen Nazis stellen, sollten nicht ausgeschlossen werden.

Legalisierung von Pyrotechnik? Nur dort, wo es die lokalen Gegebenheiten erlauben, fordern die Piraten. Bild: dpa
Erik Peter
Interview von Erik Peter

Der 12. Dezember 2012 bleibt das markanteste Datum der abgelaufenen Spielzeit. Die Deutsche Fußball Liga verabschiedete an diesem Tag ihr Papier Sicheres Stadionerlebnis, das sowohl die Reduzierung von Eintrittskarten für Gästefans als auch intensivierte Einlasskontrollen zulässt.

Im Vorfeld hatten Fans die Debatte über Gewalt in deutschen Stadien als völlig überzogen kritisiert und u. a. mit Stimmungsboykotten für Aufsehen gesorgt. Nun wollen die Piraten das Thema in den Bundestagswahlkampf tragen.

taz: Auf ihrem Bundesparteitag haben die Piraten zwei Anträge zu Fanrechten verabschiedet. Gefordert werden unter anderem die Abschaffung der Datei Gewalttäter Sport, menschenwürdige Einlasskontrollen und die Legalisierung von Pyrotechnik. Sind die Piraten von Ultras unterwandert?

Christian Nissen: Nein, das sicher nicht. In der Projektgruppe Fanrechte, die die Anträge erarbeitet und eingebracht hat, sind nicht nur Fans, sondern auch aktive und ehemalige Polizisten oder Strafrechtler. Unser aller gemeinsames Ziel ist es, Druck aus der aufgeheizten Debatte um Fußballfans zu nehmen und zur Sachlichkeit zurückzukehren. Außerdem ist das ein Thema, das sehr gut zu den Piraten, unseren Kernthemen und unserem Grundsatzprogramm passt.

Ihre Forderungen sind quasi deckungsgleich mit jenen von Faninitiativen wie Pro Fans. Heißt das, dass Sie nur auf dieser Seite die Bereitschaft zur Sachlichkeit sehen?

Ja, das kann man so sehen. Bei den Fans ist eher die Bereitschaft zu erkennen, ernsthaft an der Thematik zu arbeiten. In der Kampagne „Pyrotechnik legalisieren“ hat sich gezeigt, dass es viele Gruppen gibt, die in der Sache gemäßigt sind und einen vernünftigen Umgang finden wollen.

Christian Nissen

Seit 2009 Mitglied der Piraten, Mitinitiator der Projektgruppe Fanrechte und Bundestagskandidat in Dortmund. Als geborener Wuppertaler schlägt sein Herz für den SV.

Auf der anderen Seite stehen die Innenminister auf Länder- und auf Bundesebene. Die verfolgen das klassische Law-and-Order-Prinzip: hart durchgreifen und dann mit Schlagstöcken für die Medien posieren. Da wird auf dem Rücken der Fans Stimmung gemacht und Politik betrieben, nur um ihre eigene Klientel zu befriedigen.

Beim Thema Stadionverbote fordern Sie anders als viele Ultras keine Abschaffung, sondern eine Überarbeitung. Warum?

Wer nur ins Stadion geht, um aktiv Gewalt zu suchen, gehört da nicht rein. Aber es muss verhältnismäßig sein. Es kann nicht sein, dass man für das Wegschnipsen einer Zigarette ein bundesweites Stadionverbot erhält, wie es einem Bekannten von mir passiert ist. Ebenso wenig dürfen Fans ausgeschlossen werden, die sich aktiv gegen Nazis stellen.

Waren die Parteitagsmitglieder leicht zu überzeugen?

Die Diskussion fand schon im Vorfeld an Stammtischen und im Internet statt. Der Antrag zu den Fanrechten lief dann ohne Debatte ab. Kontroverser war es in der Frage, wie weit eine Legalisierung von Pyrotechnik gehen soll. Nur dort, wo es die lokalen Gegebenheiten zulassen, wollen wir Pyrotechnik erlauben; also nicht an Standorten, an denen es keinen Dialog zwischen Fans und Verein gibt.

Beide Anträge wurden mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit beschlossen. Hat Sie das überrascht?

Ja, beim Pyrotechnik-Antrag schon. Denn man merkt schon, dass Leute, die selbst nicht zum Fußball gehen, nur das mediale Bild kennen. Und da wird Pyrotechnik viel zu häufig mit Gewalt gleichgesetzt. Dass unsere sachlichen Argumente überzeugt haben, hat mich da sehr gefreut.

Ziehen Sie im Bundestagswahlkampf mit Ihren Forderungen vor die Stadien?

Definitiv. Wir werden Flyer entwickeln und das Thema weiter verfolgen. Uns ist das wichtig und wir wollen auch Druck auf die politischen Mitbewerber aufbauen.

Hoffen Sie, dass die Fußballfans Sie in den Bundestag hieven können?

Ich hätte nichts dagegen. Aber mir ist es egal, ob es nur ein paar hundert Leute oder zehntausend Leute sind, denen Fanrechte ein Anliegen sind. Wem das aber so wichtig ist wie mir, der kann sich ruhig auch in seiner Wahlentscheidung davon beeinflussen lassen.

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12 Kommentare

 / 
  • NR
    Nazis raus

    Na Holger Thies, beim NPD-Rethorik-Seminar gut aufgepasst? Aus dir wird noch mal was!

  • D
    D.J.

    @Fußballfan,

     

    Rechtschreibfehler bzw. Tippfehler geschehen bei solchen Einträgen unvermeidlich, auch mir ständig. Das völlige Ignorieren von Kommata macht aber Ihren Beitrag fast unleserlich. Die kleinen Dinger haben einfach ihren Sinn. Bitte auch in der Wut beachten. Danke.

  • DB
    der Ball ist rund

    Gewalttäter und Chaoten filmen, mit Farbe markieren, am Ausgang einsammeln, einbuchten. Zum Schutze der vielen Fußballfreunde geht das nicht. Aber wenn ein Politiker mit einem Schuh beschmissen würde, ja dann wäre das kein Problem.

  • Y
    Yobov

    Ich bin positiv überrascht von der Piraten-Partei, sich auch solcher Themen (die mittlerweile mehrere 10.000 Menschen jedes Wochenende in Deutschland betreffen) endlich in der öffentlichen politischen Debatte anzunehmen.

    Die unverhältnismäßige und oftmals willkürliche erscheinende Kriminalisierung von Fußballfans muss ein Ende haben, das inflationäre Verteilen von Stadionverboten und die absolut nicht rechtstaatlichen Standards entsprechende und klar repressive Elemente beinhaltende strafrechtliche Behandlung im Fußball-Kontext inbegriffen.

     

    Die untenstehenden Kommentare zeigen vor allem, dass ihre Verfasser lange nicht (oder nie) im Stadion waren oder aber traurigerweise im letzten Jahr nur Maischberger, Plasberg und BILD-Zeitung konsumiert haben.

  • F
    Fußballfan

    Auch wenn die Piraten hier um die 5% Hürde kämpfen die Ansätze sind gut leider zeigt sich hier mal wieder das absolut verzerrte Weltbild einiger Leute "Von Ultras unterwandert??" Sind die Ultras demnächst auch noch an Kriegen Schuld oder was? Es gibt teilweise ausgesprochene SV gegen Familienväter weil sie eine Afstiegsfeier organisieren wollten der gegen 16jährige die in einen Busch gepinkelt haben so etwas ist unerhört. Beim Fußball sind so viele unterschiedlich interessante und nette Menschen auch unter den Ultras die hier obwohl sie so viel gutes tun in einer Tour beleidigt und an den Pranger gestellt werden es kotzt mich nur noch an!

  • C
    ChNissen

    @Mike: Der Teil mit "kein SV für Aktiv gegen Nazis sein" bezieht sich auf Vorfälle wie diesen http://www.taz.de/!97184/ oder diesen http://www.taz.de/!46256/

     

    Zur Pyro (ohne da jetzt tief einsteigen zu wollen): Es gibt durchaus Möglichkeiten die Interessen von den Fans, die Pyrotechnik im Stadion "in Fanhand" wollen und denen die "nur Fußball schauen wollen" unter einen Hut zu bringen.

    Ist bspw. in Norwegen recht gut gelungen, siehe: http://www.11freunde.de/artikel/wie-pyrotechnik-legalisiert-werden-koennte

  • EM
    Eric Manneschmidt

    Das politische Signal ist freilich: Wir sind die Brot-und-Spiele Partei.

    Das ist unser Freiheitsbegriff, jeder soll machen können was er will, einen tieferen Sinn oder ein gemeinsames Ganzes suchen wir gar nicht erst.

    Ganz vorne spielen immer wieder die Piraten aus NRW mit, da heisst Freiheit, möglichst schnell auf der Autobahn rumzufahren (http://www.piratenfraktion-nrw.de/2013/05/verkehrswende-statt-tempolimit/), und wenn einer dort nicht nicht rauchen kann, wo es ihm gerade einfällt, gibt es zumindest mal ein Riesentheater (http://www.piratenfraktion-nrw.de/2013/04/nichtraucherschutzgesetz-bevormundet-raucher-zerstort-existenzen-und-wird-unfrieden-stiften/), wenn nicht sogar gleich die Demokratie bedroht ist (http://www.piratenfraktion-nrw.de/2012/11/pressemitteilung-abstimmung-zum-nischg/).

    "Wir sind die mit den Fragen" war mal. Jetzt sind die mit den dumpfen Parolen am Zug.

     

    (falls mein Kommentar vom Nachmittag noch freigeschaltet wird, wäre dieser 2. Versuch bitte zu löschen)

  • M
    Mike

    Hier wäre mal die Definition von "aktiv gegen Nazis" interessant? Für das brüllen von "Nazis raus" bekommt man ganz sicher keine Stadionverbot. Ich will ja nichts unterstellen, was er mit aktiv meinen könnte, aber da hätte man nochmal deutlicher nachhaken müssen.

     

    Pyro hat so oder so nichts im Stadion verloren, da gehts um reine Selbstdarstellung einer selbsternannten Fanelite.

    Vielleicht sollten die Piraten am nächsten Stammtisch mal die Gleichung: Menschenmenge+Alkohol+Pyro = ??? lösen. Es dient doch einzig und alleine dazu den Fokus vom Spiel wegzuziehen, selbst wenn es komplett ungefährlich wäre.

  • HT
    Holger Thies

    Ich liebe ja Sätze wie "Ich hab ja eigentlich nichts gegen (Schwule Juden, Neger, etc, pp), aber...!"

    Aber noch schöner finde ich Sätze wie "Es kann nicht sein .../... wie es einem Bekannten von mir passiert ist."

    weil ich immer wieder faszinierend finde, wen die Antifanten so alles kennen, und was bei denen nicht so alles passieren kann. Dass der Vollpfosten mit seiner Kippe eventuell jemanden getroffen hat, oder absichtlich in eine Menschenmenge geschnippst hat, und nun DESHALB Stadionverbot auf seinem Zettel stehen hat.... NEIIIN, niemals, die, die man so kennt, zumindest bei den Antifas, benehmen sich immer wie Knigge bei Oma.

    Und Sätze wie "Ebenso wenig dürfen Fans ausgeschlossen werden, die sich aktiv gegen Nazis stellen"

    haben auch ein leichtes Geschmäckle aus der linksradikalen Antifanten-Szene. Aufgestochene Reifen, abgerissene Kameras und Steine auf Bullen zu werfen, gehört ja eigentlich zur Abteilung VolXsport und kann ja so schlimm nicht sein.

    Leider Gottes haben sich diese maßlosen Über- und Untertreibungen in so viele Köpfe festgesetzt, dass man nicht mehr glauben kann und will, wenn wirklich ein Problem anliegt. Man möchte es nicht einmal mehr lesen oder im TV betrachten. Es interessiert einen nicht! Danke dafür an Antifa, Greenpeace, WWF und wie sie nicht noch alle heißen, die, in deren Augen in 5 Minuten die Welt untergeht.

  • F
    Formeo

    @tommy Verallgemeinerungen sind immer schlecht…

  • S
    Störtebecker

    Dear pirates,

     

    welcome back to irrelevance!

     

    sincerely,

    poltics.

  • T
    tommy

    Zu Fußballspielen gehen doch eh nur Proleten, wollen die Piraten jetzt Unterschichtschläger als Wähler gewinnen?