Kolumne Olympyada-yada-yada: Posttraumatische Belastungsstörung
Berlins Sportsenator findet, es sei wieder an der Zeit für Olympia. Aber wie soll die Stadt das hinkriegen, wenn es nicht mal mit einem Flughafen klappt?
I m Endlager für fixe Ideen wurde auch dieser Satz verklappt: „Wäre doch nicht schlecht, wenn Berlin Olympische Sommerspiele ausrichten würde.“ Man dachte, die olympischen Ambitionen ruhten ebenso tief unter märkischem Sand wie der rhetorische Sondermüll, aber irgendein Sportpolitiker aus Berlin greift halt immer zielsicher zum Spaten und buddelt nach olympischen Artefakten. Meist sind es Sportsenatoren, die sich wie weiland Heinrich Schliemann aufmachen, den Schatz des Priam…, nein, des Coubertin zu heben.
Klaus Böger von der SPD war so ein Buddler. Zu gern hätte er den olympischen Tross 2012 in die Hauptstadt geholt. Oder 2016. Aber weil Böger seinerzeit mit der olympiafeindlichen PDS koalieren wollte, opferte er seine Visionen auf dem Altar der Realpolitik. Unsere sexy Hauptstadt, die mit 57,6 Milliarden Euro verschuldet ist, sollte auch ins Rennen um die Sommerspiele 2024 gehen, schaffte es aber nicht einmal über die erste kleine nationale Hürde.
Jetzt ist es SPD-Sportsenator Andreas Geisel, der mit einem Grabungsfund vor die Presse getreten ist: „Ich möchte, dass die Bundesrepublik sich bewirbt. Und wenn die Bundesrepublik uns auffordert, das auszurichten, dann machen wir das.“ Wir, das ist Berlin. Oder umfasst dieses Wir doch nur Geisel, der für die Berliner mitdenkt? Na ja, vielleicht müsste man sich auch mit Warschau zusammentun oder anderen Großstädten in Deutschland, lässt Geisel wissen, aber so ganz grundsätzlich wäre Olympia doch eine dufte Sache für die Stadt und ihre halb marode Infrastruktur.
Olympia könnte für Berlin wie eine Art Marshallplan funktionieren, meint der Sportsenator und lässt die üblichen Kollateralschäden olympischer Großpläne außer Acht, als da wären: explodierende Kosten, Vermittlungsprobleme in der Bevölkerung, die Krux der Nachnutzung teurer Sportstätten, steigende Lebenshaltungskosten, den fast legendären Berliner Orga-Murks – und nicht zuletzt das olympische Erbe der Stadt.
Die Stadt ist selbstbewusster geworden
Das gliedert sich in zwei unterschiedlich große Teile: Einerseits müssten die Berliner Olympiamacher der Zukunft mit den Nazispielen von 1936 umgehen, was bei einer Ausrichtung des bunten Ringspiels 2036 eine heikle Aufgabe wäre, auf der anderen Seite ist die Erinnerung an das Bewerbungsdesaster für die 2000er-Spiele noch relativ frisch. Damals dachte Berlin auch groß, aber diese Pläne kamen zu früh.
Die Stadt musste sich erst mal selbst finden. Mit einer berlintypischen Militanz wehrten sich die Olympiaverächter damals gegen die Pläne. Sie klauten Fahnen, schmolzen Gedenktafeln ein, sie steigerten sich regelrecht in einen antiolympischen Exzess hinein. Am Ende dieses Kampfes, den die NOlympia-Gemeinde gewinnen sollte, hatte Berlin zwar eine moderne Radrennbahn und ein schmuckes Schwimmstadion, aber auch eine Art posttraumatische Belastungsstörung in Sachen Olympia.
Man kann den neuerlichen Olympiaanlauf der Sportsenatoren als therapeutische Interventionen deuten, aber das würde zu kurz greifen. Mittlerweile haben wir es mit einem anderen Berlin als noch vor 25 Jahren zu tun. Im Vergleich zu den 90ern ist die Stadt gereift. Sie ist selbstbewusster geworden, in gewissem Sinne auch olympiatauglicher. Aber das ist natürlich nur so ein Gefühl, das unter dem Laserstrahl der Realität in tausend kleine Teile zerfällt. Wenn Berlin nicht mal einen Großflughafen eröffnen kann, wie soll die Stadt dann Olympische Spiele hinkriegen? Klar, die Frage ist berechtigt.
Aber diese Fragen sind es auch: Wann endet die olympische Verzagtheit von Städten wie Berlin? Wann wacht der Westen endlich auf und legt seinen Olympiakomplex ab? Und damit ist nicht Westberlin gemeint.
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