Kommentar Sommerspiele 2036 in Berlin: Und ewig grüßt das Olympia-Tier
Sportsenator Andreas Geisel (SPD) will die Spiele 2036 nach Berlin holen – mit Hilfe der ganzen „Nation“. Warum? Damit die Stadt mehr U-Bahn bekommt.

Nur so ein ganz kleines bisschen U-Bahn-Bau schafft Berlin, wenn es nicht Olympia-Stadt wird, meint Sportsenator Andreas Geisel. Foto: dpa
Bitte, bitte, bitte – nicht schon wieder. Alle vier Jahre tritt der Sportsenator, egal wie er heißt, vor die Mikrophone und verkündet, Berlin müsse sich unbedingt um Olympische Spiele bewerben. Diesen Donnerstag war es wieder soweit: Andreas Geisel warf den alten Hut in den Ring, begeistert sekundiert vom Landessportbund („große Chance für den Sport“ bla bla bla).
Bei einer Rede bei der Industrie- und Handelskammer, die mutmaßlich begeistert war („große Chance für die Wirtschaft“ bla bla bla), forderte der Sozialdemokrat eine „nationale Bewerbung“ um die Sommerspiele 2036. Wobei „national“ heißen soll, dass Bundesregierung und andere Regionen die Hauptstadt bitte schön unterstützen sollen.
Einerseits ein verständlicher Wunsch, schließlich ist die Konkurrenz Berlin-Hamburg bei der letzten Bewerbung wohl noch allen in peinlicher Erinnerung. Andererseits: Es gibt genug Gründe, vor allem historische, allem deutsch-“nationalen“ skeptisch gegenüber zu stehen.
Und da haben wir noch nicht über das Datum geredet. „Olympische Spiele'36 als ‚nationale Sache‘ in Berlin – da war doch was“, twitterte Anja Schillhaneck von den Grünen ganz richtig. Man kann darauf reagieren wie Geisels Sprecher, der laut Morgenpost gesagt haben soll, das sei doch eine gute Gelegenheit zu zeigen, dass Deutschland 100 Jahre nach den Nazi-spielen weltoffen und demokratisch geworden sei. Das kann man allerdings auch für eine verdammt faule (und womöglich vorlaute) Ausrede halten – oder auch für Trotz. Nach dem Motto: 100 Jahre später wird man ja wohl wieder was „nationales“ machen dürfen.
Statt Sportbegeisterung: Politische Bankrotterklärung
Besonders ärgerlich ist aber Geisels Argument, warum Berlin sich überhaupt bewerben soll. Nicht weil wir alle so sportbegeistert sind. Nein, halten Sie sich fest: Wir brauchen „ein perspektivisches Event, auf das wir hinarbeiten“. Sonst kriegen wir das nämlich nicht hin mit der wachsenden Stadt und dem Tram- und U-Bahn-Bau, sagt der Sportsenator.
Man muss diesen Gedanken einfach nur weiter spinnen, um zu erkennen, was für eine politische Bankrotterklärung das ist. Ohne Olympia gibt es bestimmt auch keinen (im Folgenden beliebiges lokale Bau- oder Infrastrukturprojekt einsetzen): Wohnungsbau, Schulbau, Flughafenbau, keine Fahrradschnellstraßen, Atelierplätze, Kitaplätze …
Sie verstehen nicht, was das mit einer Milliarden verschlingenden Werbeveranstaltung für die Sport-, Bekleidungs-, Süßigkeiten- und Bierindustrie zu tun hat? Fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker.
Kommentar Sommerspiele 2036 in Berlin: Und ewig grüßt das Olympia-Tier
Sportsenator Andreas Geisel (SPD) will die Spiele 2036 nach Berlin holen – mit Hilfe der ganzen „Nation“. Warum? Damit die Stadt mehr U-Bahn bekommt.
Nur so ein ganz kleines bisschen U-Bahn-Bau schafft Berlin, wenn es nicht Olympia-Stadt wird, meint Sportsenator Andreas Geisel. Foto: dpa
Bitte, bitte, bitte – nicht schon wieder. Alle vier Jahre tritt der Sportsenator, egal wie er heißt, vor die Mikrophone und verkündet, Berlin müsse sich unbedingt um Olympische Spiele bewerben. Diesen Donnerstag war es wieder soweit: Andreas Geisel warf den alten Hut in den Ring, begeistert sekundiert vom Landessportbund („große Chance für den Sport“ bla bla bla).
Bei einer Rede bei der Industrie- und Handelskammer, die mutmaßlich begeistert war („große Chance für die Wirtschaft“ bla bla bla), forderte der Sozialdemokrat eine „nationale Bewerbung“ um die Sommerspiele 2036. Wobei „national“ heißen soll, dass Bundesregierung und andere Regionen die Hauptstadt bitte schön unterstützen sollen.
Einerseits ein verständlicher Wunsch, schließlich ist die Konkurrenz Berlin-Hamburg bei der letzten Bewerbung wohl noch allen in peinlicher Erinnerung. Andererseits: Es gibt genug Gründe, vor allem historische, allem deutsch-“nationalen“ skeptisch gegenüber zu stehen.
Und da haben wir noch nicht über das Datum geredet. „Olympische Spiele'36 als ‚nationale Sache‘ in Berlin – da war doch was“, twitterte Anja Schillhaneck von den Grünen ganz richtig. Man kann darauf reagieren wie Geisels Sprecher, der laut Morgenpost gesagt haben soll, das sei doch eine gute Gelegenheit zu zeigen, dass Deutschland 100 Jahre nach den Nazi-spielen weltoffen und demokratisch geworden sei. Das kann man allerdings auch für eine verdammt faule (und womöglich vorlaute) Ausrede halten – oder auch für Trotz. Nach dem Motto: 100 Jahre später wird man ja wohl wieder was „nationales“ machen dürfen.
Statt Sportbegeisterung: Politische Bankrotterklärung
Besonders ärgerlich ist aber Geisels Argument, warum Berlin sich überhaupt bewerben soll. Nicht weil wir alle so sportbegeistert sind. Nein, halten Sie sich fest: Wir brauchen „ein perspektivisches Event, auf das wir hinarbeiten“. Sonst kriegen wir das nämlich nicht hin mit der wachsenden Stadt und dem Tram- und U-Bahn-Bau, sagt der Sportsenator.
Man muss diesen Gedanken einfach nur weiter spinnen, um zu erkennen, was für eine politische Bankrotterklärung das ist. Ohne Olympia gibt es bestimmt auch keinen (im Folgenden beliebiges lokale Bau- oder Infrastrukturprojekt einsetzen): Wohnungsbau, Schulbau, Flughafenbau, keine Fahrradschnellstraßen, Atelierplätze, Kitaplätze …
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Kommentar von
Susanne Memarnia
Redakteurin taz.Berlin
Jahrgang 1969, seit 2003 bei der taz, erst in Köln, seit 2007 in Berlin. Ist im Berliner Lokalteil verantwortlich für die Themenbereiche Migration und Arbeit.
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Susanne Memarnia
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