piwik no script img

Kolumne Nullen und EinsenTeam Phlegma vs. Team Resignation

Meike Laaff
Kolumne
von Meike Laaff

Angesichts Prism und Tempora teilen sich die Deutschen in zwei Gruppen: Eine findet alles „nicht so schlimm“, die andere hat schon aufgegeben.

Geht auch: Protest gegen Prism in Hannover. Bild: dpa

D ieser Tage fragen mich Menschen immer wieder: „Ist das eigentlich schlimm, wenn ich diese Snowden-Sache nicht so schlimm finde?“ Und gucken dabei so augenzwinkernd schuldbewusst, als müssten sie bei den Weight Watchers ihre Tortenexzesse beichten. Nichts zu verbergen, mache doch nichts Schlimmes, sollen die Geheimdienste doch mit meinen Daten … und so weiter.

Andere sehe ich so resigniert wie nie. Egal, ob sie ehrlich geschockt sind, in welchem Ausmaß Geheimdienste Daten speichern und filtern, oder ob sie verkünden, dass doch eh schon lange bekannt gewesen sei, wie übel wir ausgespitzelt werden. Im Grunde sagen sie das Gleiche: Was bringe der Rückzug ins Anonyme und Verschlüsselte, wenn Geheimdienste Kabel und Knotenpunkte direkt anzapfen und das Verhalten im Netz einen auch ohne IP-Adresse identifizieren kann? Wer würde schon wirklich glauben, nach ein bisschen Bürgerprotest höre die Überwachung auf? Alles vergeblich – kafkaesk, Kampf gegen Windmühlen.

Team Phlegma oder Team Resignation – dazwischen gibt es einen Monat nach den ersten Snowden-Enthüllungen praktisch nichts. Abgesehen natürlich von ein paar Printjournalisten, die raten, Wichtiges wieder im Wald zu verhandeln, und denen, die Kryptografie als Lösung für alle verkaufen.

taz
Meike Laaff

ist Redakteurin im Ressort taz2/Medien.

Froh macht beides nicht. Beim Team Phlegma frage ich mich, was noch passieren müsste, um diese Leute zu beunruhigen. Ihre Steuererklärung laut in der U-Bahn vorlesen? Die Polizei bei Zufallskontrollen aus ihren Mails zitieren lassen? Sind sie nur hedonistisch-ignorant? Oder von jahrzehntelanger „Nichts zu verbergen“-Rhetorik in der Politik versaut?

Nur ein Science-Fiction-Blockbuster?

Ich fühle mich eher geneigt, in den Resignierten-Chor derjenigen einzustimmen, die jetzt anfangen zu fragen, was das eigentlich für eine Demokratie sein soll, in der so etwas möglich ist. Und dass man in solch einem Land nicht leben will, in dem … Und überhaupt.

Manche von uns werden ein wenig mehr digitale Kryptohygiene betreiben. Je besser wir uns abschotten und verschlüsseln, desto selbstgefälliger können wir uns dann auf die Schulter klopfen, die Überlebenden der Geheimdienstapokalypse, und auf all die herunterschauen, die ungeschützten Datenverkehr haben. Und immer wieder zustimmend murmeln, wenn jemand eine Klage, Verfassungsklage, Petition oder Gesetzesinitiative formuliert, die Whistleblower oder unsere Daten besser protegieren soll.

Am Ende ist es leider egal, in welchem der beiden Teams man spielt: Im Grunde hat man uns dort, wo Regierungen, Unternehmen, Geheimdienste praktisch alles machen können, ohne mit nennenswerter Gegenwehr rechnen zu müssen. Im tiefen Tal der Ratlosigkeit.

Wäre das alles der Science-Fiction-Blockbuster, als den viele die Snowden-Story sehen, dann wären tapfere Helden unterwegs, um die Menschheit vor der Übermacht der Geheimdienste zu retten und alles wieder ins Lot zu bringen.

Wie gründlich solche Hoffnungen an der Realität zerschellen, hat die Selbstzerfleischung von Wikileaks gezeigt.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Meike Laaff
tazzwei-Redakteurin
Mehr zum Thema

13 Kommentare

 / 
  • T
    trauschauwem

    Ja, damals, 33 - 45...Und dann kamen die Alliierten, um dem Spuk ein Ende zu bereiten. Alles gut.

    Nur heute muß man sich fragen, wer denn dann einst den aktuellen und globalen Spuk beendet. Eine Allianz der Vulkanier und Andoriander vielleicht, würde der geneigte Treki vielleicht mutmaßen...lach...ach nee, mir ist speiübel bei dem Gedanken, das diesmal eine echte Chance besteht, ein tausendjähriges Reich Terra zu schaffen. Weil es keine Alliierten geben wird, die Traraa daherkommen und uns 'befreien'!

    Die, auf die es jetzt ankäme, z.B. die Gewerkschaften und Kirchen, scheinen sich nicht zuständig zu fühlen oder ducken sich ganz leise weg. Oder hat hier jemand was von denen gehört (gelesen), irgendwo?

    Das alte Gespenst scheint mir wieder unterwegs. Angst. Angst vor der NSA, CIA, BND...andere Namen für die von damals. GeStPo, StaSi, KGB etc.

    Immerhin, mancher kleiner Mann vor dem PC, der wagt wenigstens seine Unterschrift unter die eine oder andere OnlinePetition, das ist wenigstens ein kleines bissel Zivilcourage. Es wird wohl nicht reichen.

  • A
    anke

    Dass die Phlegmatiker das Fürchten lernen, wenn ihre Steuererklärung laut in der U-Bahn verlesen wird oder die Polizei bei "Zufalls"-Kontrollen aus ihren Mails zitiert, ist unwahrscheinlich. Und womöglich ist das ja sogar ganz gut so. Dass sie nämlich anschließend etwas Sinnvolles tun würden, ist so gut wie ausgeschlossen. Angst ist KEINE positive Triebfeder, auch wenn das die Kapitalismus-Prediger immer wieder gern behaupten. (Besonders vor Entlassungswellen und nach Anschlägen.) Wieso der Hedonismus gefeiert wird von ihnen, wissen diese Leute jedenfalls genau. Er ist die wichtigste Voraussetzung dafür, dass ihre Propaganda ihr Ziel findet und das Kaninchen bis zum Abschuss aus seinem Einzelkäfig heraus weiter brav auf die Schlange starrt.

     

    Was aber all jene angeht, die "künftig noch ein wenig mehr digitale Kryptohygiene betreiben" werden, so ist über diese Leute nicht viel mehr zu sagen als dieses: Sie sind allenfalls noch etwas selbstgefälliger als die Phlegmatiker. Schließlich dürfen sie (einander) die Lüge glauben, dass sie die besseren Gründe haben. Um den Schock, der ihnen beim Wachwerden bevorsteht, beneide ich sie aber nicht.

     

    Die, die sich endlich "fragen, was das eigentlich für eine Demokratie sein soll, in der DAS möglich ist", sind wenigstens schon munter. Verkatert vielleicht, und die ersten 60 Minuten des Films haben sie auch komplett verpennt, aber immerhin. Vielleicht sollten sie, wenn ihre Selbstgerechtigkeit das zulässt, jetzt den einen oder anderen Ossi fragen, wie es weitergehen kann. Der Osten, nämlich, hat den Teil der Übung längst hinter sich. Ich fürchte bloß, die Ossis sind auch eher etwas ratlos. Wenn sie nicht schon resigniert haben oder gar den hedonistischen Phlegmatikern beigetreten sind, kauen sie nämlich noch immer an der Erkenntnis, dass ihre "Lösung" bei genauerer Betrachtung dann doch eher ein Problem war. Eins, das sie alleine leider auch nicht lösen können.

  • BS
    Burkhard Schröder

    Wo kann man der Autorin eine verschlüsselte E-Mail schicken? Kann man nicht? Quod erat demonstrandum.

  • I
    ilmtalkelly

    @Wahlvieh,

     

    in dem Fall kann man die Demokratie einfach abschalten. Internet ist keine Demokratie, nur Mitsprache bis zu einem gewissen Punkt.

  • AU
    Andreas Urstadt

    wer schon immer mal wissen wollte, wieso 33-45 moeglich war, braucht sich nur zurueck lehnen und zusehen, damals gabs immerhin noch Parteien, die verboten werden mussten - 33-45 kann als brauner Erfolg gelten bei dem, was man jetzt sieht -

     

    Der Film Zeitmaschine ist hilfreich, alle outen sich als blond, waere ja auch in gewissem Sinn logisch

     

    Dann fehlt jetzt jemand mit einer Zeitmaschine, der mit seinem klappernden Teil damals gestartet war, rauchend hier ankommt, sieht, was los ist und sich fragt, ob es Sinn macht, hier Hilfe zu holen, vermutlich reist er weiter, fragt sich aber vielleicht, ob er nicht besser in die Vergangenheit reist, vielleicht zu den Indianern, den alten Chinesen, da, je mehr ueber Basics bekannt und auch gewusst wird, sich davon entfernt wird

     

    Er nimmt sich vielleicht ein paar Buecher mit. Hannah Arendt. Agamben. Habermas. Foucault. Jullien. Nussbaum. Ein Datenlesegeraet, Solarequipment, open access stuff. Dazu Daten aus Zeitungen usw zur Lage. Ein paar Clips ueber die ganze Scheinheiligkeit und faehrt zu den Neandertalern. Die Neandertaler lassen sich ueberzeugen und machen mit. Als alle trainiert sind bauen sie einen Anhaenger fuer die Zeitmaschine und werden in die Zukunft geshuttelt. Weit weg.

     

    Als alle in der Zukunft sind, holt der Zeitreisende noch ein paar Buecher aus der Vergangenheit, er kann ja immer wieder reisen, Konfuzius, Menzius, Flugblaetter der Weissen Rose. Noch mehr Solarequipment. Hier und da ein paar Indianer.

     

    Edward Snowden for the nobel peace prize.

  • TK
    Tadeusz Kantor

    es sind doch nicht nur "die Deutschen", den meisten Europäern geht der Skandal um diese Abhörerei anscheinend am Arsch vorbei, sorry für den Ausdruck.

  • DD
    Daniel D.

    Dann könnte man jetzt doch eigentlich die Gauck-Behörde (oder ihre Nachfolger) abschaffen, denn die Spitzelei der Stasi mit ihrer altertümlichen Kopiertechnik und Papp-Aktenordnern nimmt sich gradezu lächerlich aus gegen die Terabyte-Speicher der überseeischen Überwachung aus.

  • RU
    Rolf Unterfenger

    Soweit so denkfaul - was ist mit der Gruppe der Subversiven, die der schönen Netwelt schon immer

    misstrauten und auf die schlimmsten Anbieter

    verzichten ? Mehr Aufklärung und weniger Larmoyanz

    tätet der taz gut !

  • DI
    Der Illusionist

    Eher Resignation sehe ich beim Versuch, die nun offensichtlich verlorene Freiheit wieder zurück zu fordern, denn welche Sicherheit hätte die Öffentlichkeit, wenn der Nachweis, ob nicht doch bespitzelt wird, geheim bleibt? - Etwa einen Tag der offenen Tür beim BND und der NSA?

     

    Doch was wäre, wenn man das Rad in die andere Richtung weiter dreht? Also: Prism in die Hände des Volkes und Transparenz für alle! - Wie der Artikel schon sagt: Wir kleinen Bürger sind eher uninteressant...

  • NT
    neptun tv

    wikileaks selbstzerfleischt? da hab ich was verpasst. aber interessant wie botschaften und transitzonen zu knästen werden. right or not to right, big question, will never answer...

  • W
    Wahlvieh

    Hehe naja ich denke wenn uns diese Sache eines zeigt dann das Demokratie ein dehnbarer Begriff ist und alle samt da oben Angst vor Ihr haben. Die größte Demokratie ist das Internet und alles andere...

    Würde der Held in diesem Si-Fi Streifen irgendwo Asyl finden wäre er ein Symbol für die Demokratie und das die Menschen eine Chance haben für Ihre Werte und Rechte zu kämpfen. Es wäre ein Zeichen das ein einzelner Mensch etwas verändern kann und das ist scheinbar sehr gefährlich. Man stelle sich einmal vor Millionen Menschen sympathisieren mit diesem Mann und können Ihm doch nicht helfen... boah wie allein muss dieser Held sich vorkommen.

    Naja ist ja nur ein Si-Fi Film wo alles möglich ist und man sollte jetzt nicht paranoid werden.

    Ein wenig die Privatsphären-Einstellungen optimieren und sich nicht fragen mit welchem Geld facegoogle und co. gross geworden sind.

     

    Ich finde es erst mal gut das Mutti ein bisschen Privatsphäre hat ( http://www.spiegel.de/politik/deutschland/italien-urlaub-merkel-sauer-ueber-paparazzi-fotos-a-892294.html ) und alles weitere macht Onkel Friedrich dann nächste Woche und haut mal auf den Tisch.

     

    Die Gedanken sind frei. Schönes Wochenende

  • N
    nemorino

    Seien wir den Nachrichtendiensten unserer Verbündeten lieber dankbar statt rumzumeckern. Auch wenn manche Aktion überzogen wirken mag, so ist doch unbestreitbar, daß die elektronische Überwachung im Kampf gegen islamische Terroristen beachtliche Erfolge gehabt hat und hat. Das sollte man als geborener US-Kritiker im Auge behalten.

  • HL
    Hauke Laging

    "Manche von uns werden ein wenig mehr digitale Kryptohygiene betreiben."

     

    Diese manchen müssen innerhalb der nächsten Jahre etwa zehn Millionen werden, damit sich wirklich was ändert.

     

    Was bisher gern übersehen wird: Es geht natürlich nicht darum, dass ich in Zukunft Käsekuchenrezepte nur noch verschlüsselt an meine Mama schicke. Es geht darum, dass Mama, wenn sie sich erst mal an die Möglichkeit und regelmäßige Nutzung von Signaturen und Verschlüsselung gewöhnt hat, bestimmte politische Schweinereien bei der nächsten Wahl nicht mehr akzeptiert. Denn wenn man es selber macht, enttarnt man die HPF-Propaganda mühelos als Dummlall.

     

    Es müssen jetzt auch gar nicht alle mit Kryptografie anfangen, das ist gar nicht zu leisten, denn autodidaktisch kriegt das kaum jemand in der nötigen Weise hin. Jetzt müssen erst mal diejenigen, die dem Thema (hoffentlich) nahestehen – primär Mathe- und Informatiklehrer sowie die Studenten in diesen und verwandten Fächern – loslegen. Wenn wir die "alle" als Nutzer haben, werden sie von Nutzern zu Lehrern für die nächstaffinen Gruppen. Und in zehn Jahren ist es dann geschafft.

     

    http://www.openpgp-schulungen.de/