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Kolumne Nach Geburt„Du bist nun mal ein dummer Papa“

Statt sie die Treppe runterzuschubsen, hab ich friedlich und deeskalierend auf meine Tochter eingewirkt. Tja, hat nichts gebracht.

Unser Wohnzimmer (Symbolbild) Foto: Peter Kneffel/dpa

D as war ein schöner Sonntag: Ich hatte mir Tochter eins geschnappt, war mit ihr und Freunden ins Schwimmbad gegangen, dann haben wir bei denen Nudeln gegessen und sind nachmittags noch ins Mitmach-Museum. Wir sind immer wieder durch ein Labyrinth geklettert, haben Türme gebaut und so weiter. Ein Tag wie aus einem Glückliche-Mutti-Instagram-Account.

Doch dann kam die Rückfahrt: In der Tram konnten wir nicht nebeneinander sitzen, in der U-Bahn mussten wir gar stehen – meine Tochter war durch. Ich musste eine Hasstirade nach der anderen über mich ergehen lassen. Kurze Zusammenfassung: Ich bin dumm. Also nahm ich sie im Treppenhaus auf den Arm: „Ich verstehe, dass du kaputt bist, aber ich möchte nicht, dass du mich so beschimpfst, okay?“ Statt sie die Treppe runterzuschubsen, hab ich friedlich und deeskalierend, aber klar in der Ansprache agiert. Ich klopfte mir innerlich selbst auf die Schulter.

Ihre Antwort: „Aber du bist nun mal dumm.“

Treppe – Schubs.

Nein, natürlich nicht. Ich hab sie nach oben gebracht und der Mutter in die Hand gedrückt. Hier, dein Kind. Wo ist Tochter zwei?

Denn die Kleine ist berechenbarer: Essen kommt nicht? Geschrei. Man sagt ihr, was sie auf keinen Fall machen soll („Ich warne dich“)? Sie wird genau das machen, ich werde sauer. Geschrei. Damit kann man arbeiten.

Frieden? Das Konzept lehnt Tochter eins ab

Tochter eins hingegen kennt in völlig unvorhersehbaren Situationen plötzlich nur noch Feinde. Es muss nur irgendwas nicht so laufen, wie sie sich das vorher in ihrem Kopf ausgemalt hat: „So spielt man nicht Restaurant!“, schreit sie. Sie weint vor Wut. Und schafft nebenbei ganz neue Formen der gendergerechten Sprache: „Du bist die Köcherin!“

Vor Kurzem wollte sie auf gar keinen Fall einschlafen, „solange die Zucchini rollen kann“. Äääh, was?!? Wie soll man darauf adäquat reagieren? Wie soll man diese Angst nehmen? Wie kommen Zucchini und das Rollen in ihr Hirn? Hat sie das wachgeträumt?

Wahrscheinlich liege ich mit meiner Theorie doch nicht so falsch, dass Träume zwar von uns irdischen Durchschnittsgeschöpfen tief analysiert werden, aber am Ende doch nichts anderes sind als der völlig abgedrehte Humor Gottes. Die Late-Night-Show des Herrn.

Und sogar wenn Tochter eins auf meine Freundin sauer ist, krieg ich es ab. „Ich werde nur noch was mit Papa unternehmen!!!“, brüllte sie sie letztens an, schaute zu mir, ich setzte meinen Zieht-mich-da-doch-nicht-rein-Blick auf – und meine Freundin ballte im Rücken meiner Tochter die Faust wie einst Boris Becker in Flushing Meadows. Yes! Yes! Yes!

Aber dafür hat man ja zwei Töchter: Wenn die eine einem nicht gefällt, setzt man sich halt zur anderen an den Badewannenrand: „Vermisst ihr mich, wenn ich nicht da bin?“, frage ich sie. Antwort: „Nein.“ Ich drehe mich um und brülle in den Flur: „Wir brauchen noch ein Kind!“

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Jürn Kruse
Ist heute: Redaktionsleiter bei Übermedien und freier Autor. War mal: Leiter des Ressorts tazzwei bei der taz. Davor: Journalistik und Politikwissenschaft in Leipzig studiert. Dazwischen: Gelernt an der Axel Springer Akademie in Berlin.
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32 Kommentare

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  • Ich empfehle dem Vater, mal nachzuschauen, ob die Tochter evtl. Ähnlichkeit mit dem Briefträger hat. Vielleicht hat der dann auch einen besseren Draht zu ihr....

    • @Wuff:

      Briefträger - Draht - wie soll das gehen?

      Ein Auge auffe Adresse & eins auffe Klingel - wa*!¿* Newahr.



      Normal.

      kurz - Rätselhaft.



      Liggers. Erzähl noch einen vom Pferd.;)

      • @Lowandorder:

        Mann, sonst haben Sie aber mehr Humor. Noch nix geraucht heute??

        • @Wuff:

          Liggers. Wahrscheinlich einfaches aufm Schlauchstehen - vermut ich mal!;)

  • Herr Kruse, sie haben alles richtig gemacht! Temporäre Mordlust an der renitenten Mistkrampe, ist okay, ernsthafte Zweifel am früheren Familienwunsch, ist okay, sogar okay, ist okay!



    Auch der tiefe innere Wunsch, für die pubertierenden Zimtzicke, einen Platz im SOS Kinderdorf zu suchen, absolut nachvollziehbar! Und das Schönste dabei ist, wenn die Kleine dereinst Frau Prof. Dr. wird, dann liegt das selbstverständlich an deren Intelligenz und nicht an Ihnen und wenn sie in Sicherungsverwahrung landet, dann war es natürlich ihre Erziehung und das verkorkste Elternhaus.



    Also nicht wundern, bloß auf Niemanden hören und einfach leben, denn solange es noch nicht heißt:“Papa, wir sind so froh, dass wir dieses Zimmer im St. Hoppsassa Heim für dich bekommen haben, du benimmst dich wie ein kleines Kind, wir wollen doch nur dein Bestes“, ist die Welt in bester Ordnung!

  • 7G
    76530 (Profil gelöscht)

    Lieber Jürn Kruse,

    Vater werden ist nicht schwer, Vater sein dagegen sehr.

    Gelingende Pädagogik verhält sich ähnlich wie Umweltpolitik: sie wirkt nicht sofort, sondern langfristig.

    Die Tipps von Maike Lala sind recht hilfreich. Auf alle Fälle braucht es einen Arsch in der Hose. Liebe allein reicht nicht. Es bedarf auch klarer Linien.

    Ein spät berufener Papa. Für weitere Tipps gerne zur Verfügung.

  • Ganz viel Mitgefühl von mir, einer Mutter mit cholerischem Sohn. Aber eines muss ich dann doch mal besserwissend anmerken: Wenn man dem Kind etwas verklickern will, was nicht zur Dikussion steht, darf man den Satz nie mit "okay?" beenden. Das wäre ja so, als würde man auf die Zustimmung für seine Forderung warten. Grundsätzlichkeiten, die man etabliert haben will, werden streng herausgebellt und dann mit 'verstanden?' abgeschlossen. Den Satz 'Du bist dumm.' kommentiere ich aber grundsätzlich nur noch mit 'Selber dumm.' (Möglichst im gelangweilt Ton sagen.) Das führt schneller zur Deeskalation als jeder ernst gemeinte pädagogisch korrekte Versuch. Denn: Mit müden Kindern nie ernsthaft verhandeln. Entweder zu Tode kuscheln oder fixieren oder alle Gemeinheiten zurückschleudern. So, jetzt bin ich fertig.

    • 7G
      76530 (Profil gelöscht)
      @Maike Lala:

      Kluge Tipps. Da spürt Mann die Erfahrung.

      Eine Frage noch von meiner Abt. für Neugier: LALA in Anlehnung an Laa-Laa von den Teletubbies? Zu der Zeit überlegte ich, den Fernseher aus dem Fenster zu werfen ...

  • Das muss ja der Horror auf Erden für ein Kind in einer Trotzphase sein, wenn man einen Papa hat, der nur deeskalieren will und nie ausflippt und wenigstens mal ordentlich rumbrüllt.

    Jawoll ja !

    Was soll eine Tochter von einem Vater erwarten den sie von hinten bis vorne verarschen kann.

    • @Justin Teim:

      Jupp, so isses. Klassisches operantes Konditionieren und Modellernen ist bei kleinen Kindern angesagt. Und natürlich ganz unpathetische Liebe sollte selbstverständlich sein. Lernen aus Einsicht kommt später. Ist aber auch bei Erwachsenen oftmals hoffnungslos. Ach ja, bezüglich Erziehung gibt es eigentlich nichts neues unter der Sonne. Außer Leute die sich ständig mit neuen "pädagogischen" Konzepten wichtig machen wollen.



      Übrigens Ihr "Jawohl ja" läßt einen praktisch geforderten vermuten.

    • @Justin Teim:

      Sie denkt vermutlich: „Papa ist doof!“

  • Ja, was soll das arme Kind denn machen, wenn es nicht mal irgendwann schizophren werden will, weil es die Wünsche von sich selbst nicht mehr von denen der anderen trennen kann?



    Das muss ja der Horror auf Erden für ein Kind in einer Trotzphase sein, wenn man einen Papa hat, der nur deeskalieren will und nie ausflippt und wenigstens mal ordentlich rumbrüllt. Okay, blöd ist die nicht. In der U-Bahn oder sonstwie in der Öffentlichkeit austickern kann den sich offenbar für extrem auf öffentliches Leben ausgerichteten Papa natürlich hemmen, dort sie zusammenzuscheißen. Es muss ja eben nicht gleich die Treppe runterschubsen sein, aber in eine Stimmlage wechseln mit einer Lautstärke, dass jeder andere verstummt, geht schon noch. Darf nur nicht gespielt sein, das merken die Blagen sofort, wenn man gar nicht wirklich sauer ist. Das macht dann keinen Spaß, sondern fordert nur dazu heraus, es mit noch mehr zu probieren. Irgendwann muss Papa doch mal die Faxen dicke haben, wenn ich weiter nerve.

    Nur: Wegen der Zucchini würde ich mal nachfragen, wie sie darauf kommt? Tatsächlich gibt es Kinder, die es als durchaus annehmbar betrachten, wenn man sie wie einen Erwachsenen danach fragt, welche Hintergründe ihr Handeln und Denken hat. Manchmal fühlen die sich dann verstanden.

    • @Age Krüger:

      Ja - das ist einfacher Dreisatz.



      Aber wennste immer “ein im Sinn“ hast



      Klappet et halt nich!;) Newahr.



      Normal.

      Aber mach was - anschließe mich.



      (“…öh zur nächsten Sitzung - ja doch.



      Kommense ers mal ohne die Kiddies!;(



      Normal & Njorp.

      • @Lowandorder:

        Ach, kurzzeitig muss man das aushalten, auch wenn es dann nicht kurz ist, sondern länger wird.

        Oder eben Angebote zur Kinderbetreuung da haben. Kostet aber Geld.

        • @Age Krüger:

          Na - Si’cher dat & Sach mal so.

          No! Eltern-Kind-Verstrickungen.



          Wie hier in Permanenz & accelerando



          “Vorgeführt“. Können ganz schön ins Geld gehen & Ergebnis - ungewiß. Woll.



          Newahr & Normal.

        • @Age Krüger:

          Na - Si’cher dat & Sach mal so.

          No! Eltern-Kind-Verstrickungen.



          Wie hier in Permanenz & accelerando



          “Vorgeführt“. Können ganz schön ins Geld gehen & Ergebnis - ungewiß. Woll.



          Newahr & Normal.

  • Wutanfälle und dass man Nein sagt, wenn man Ja meint - geschenkt! Aber diese wüsten Beschimpfungen, die fallen mir auch auf. Vielleicht ein Einfluss der Smartphone-Medien? Ladybug, Kungfu Panda und Eisprinzessin? Vielleicht meinen sie Fick-Dich! und Mittelfinger ironisch? Jedenfalls scheint mir das Hineinsteigern und ungehemmte Durchleben allerkleinster Hysterien endemisch. Kontenance ist nicht nur bei Eltern angebracht.

  • Was soll der Unsinn?



    Hier ist doch nicht die BUNTE.



    Deeskalation bei einem trotzigen Kind?



    Das ist doch keine horde Hooligans.



    Unglaublich.

  • und lassen Sie sich keine Gebrauchten andrehen!

  • Manche Kommentatoren scheinen mir völlig ironiebefreit zu sein.

    • @Dorian Müller:

      Meinen Sie das ironisch?

  • Augen auf beim Töchterkauf!

    • @Rainer B.:

      und lassen Sie sich keine Gebrauchten andrehen!

  • Ihr beiden Töchter tun mir unglaublich leid. Falls diese Kolumne wahre Begebenheiten wiedergibt jedenfalls.



    Und, ja, kluge Tochter mit realistischer Einschätzung der väterlichen Kompetenz haben Sie da.

    • @Reisehank:

      Weil sie einen liebevollen Papa mit Humor haben? Stehen Sie mehr so auf paar hinter die Ohren oder noch lieber Papas, die sich vor ihren Kindern auf der Arbeit verstecken?

  • Ha no. Bin gespannt. Wieviele Eier ala Kohl aus den Säcken für China. Gellewelle.



    Sie uns - öh ... Noch so - Darreichen - werden werden. (vgl. den Fotto-link;)

    No! Jedenfalls aber - Is jetzt ja auch dem Letzten der Vereinigten tazier klar.



    Nu. Warum dees Fotto - Dort hängt - Wo es hängt - Wollnichwoll!;))

    Remember - Halle/Saale "Aufeinanderzugehen" (c) by Dr. Bimbes Helmut Kohl & Jürn the Kid Kruse.



    Normal - Newahr. Liggers - Hall of Shame - Hööörensss -



    www.youtube.com/watch?v=U-ZITEykLWk

    • @Lowandorder:

      Was ist das denn für'ne Gruselmucke?

      • @Rainer B.:

        Schonn - aber wie passend. Newahr.



        Normal.

  • ... es gibt nichts schlimmeres als Eltern (oder auch ErzieherInnen) die sich nach Liebe und Dankbarkeit von ihren Kindern sehnen, Erwachsene, die emotional bedürftig sind. Das bedeutet nicht, dass man sich von den kleinen Biester alles gefallen lassen muss - im Gegenteil. Wer einen schlecht behandelt wird auch schlecht behandelt.

    • @Ulrich Stähle:

      Ja, wo kämen wir auch hin, wenn Eltern Bedürfnisse hätten, noch dazu emotionale ... Aber egal, das ist eh nur ein weiterer Artikel aus der Serie der taz: Wir versuchens auch mal mit Aufregungs-"journalismus", klappt doch bei den anderen auch so gut ...

      • 7G
        76530 (Profil gelöscht)
        @Lee Ma:

        Ich schließe mich Ihren Worten an.

        Das Problem ist nicht, Bedürfnisse zu haben - auch nicht den eigenen Kindern gegenüber.

        Das Problem ist, sich diesen Gefühlen auszuliefern und sich von der Liebe der Kinder abhängig zu machen.

        Jegliches ist ein Gift. Es kommt auf die Dosis an. (Paracelsus)

    • @Ulrich Stähle:

      Leider gibt es Schlimmeres, lieber Herr Stähle, haben Sie einmal ein blaugeprügeltes (Treppe – Schubs) oder fehlernährtes Kind gesehen?