Kolumne Männer: Ein Herz und eine Krone
Warum bejubeln alle Prinz William? Er ist eine arme Wurst. Sagt eine Studie.
I ch war zur falschen Zeit am falschen Ort. Das hätte ich wissen können: Die Flugtickets sind aber günstig, dachte ich. Wahrscheinlich fliegt kaum jemand nach London am Tag nach der königlichen Hochzeit, dachte ich. Als ich mit dem Bus vom Flughafen in die Innenstadt fuhr, sah diese aus wie im Endzeitfilm "I am Legend", nur nicht so schön grün.
Kaum ein Mensch auf der Straße, nur eine Handvoll Engländer. Mir wurde klar: Die Hochzeit von William und Kate, bejubelt von Hunderttausenden Schaulustigen und am Fernsehen verfolgt von Milliarden Menschen, war nicht am Tag zuvor gewesen. Sie fand in diesen Minuten statt. Dabei hatte ich mir doch vorgenommen, dieses Ereignis der Schande ausgiebig zu verpassen.
Anders als Freunde von mir, die verdächtig oft über Klatschzeitschriften stolpern, wollte ich diesem erschütternden Ereignis meine Aufmerksamkeit verweigern. Wieso? Wären Sie gern dazu verdammt, die Nachfolge Ihres Vaters anzutreten? Unterlägen Sie gern dem öffentlichen Druck, einen "Stammhalter" zeugen zu müssen? Und wie fänden Sie es, wenn Ihnen andere Menschen sagten, welche Kleidung Sie zu tragen haben? Nein, Prinz William ist kein beneidenswerter Mensch. Er ist das weltweit prominenteste Beispiel für die Deformation von Männern durch traditionelle Geschlechterrollen.
MATTHIAS LOHRE ist Parlamentsredakteur der taz.
Deshalb ignorierte ich die wenige Kilometer entfernt stattfindende Zeremonie und flanierte demonstrativ durch die fast leere Innenstadt. Einige Männer schienen meine Protesthaltung zu teilen. Ein älterer Herr mit Zauselbart, Krücken und zwei Hunden trug ein T-Shirt mit dem Aufdruck "Nobody knows Im a lesbian". Zwei Männer, deren Gesichtsfarbe hervorragend zur roten Uniform des Prinzen passte, versahen das auf einem Bildschirm erscheinende Konterfei des Thronfolgers mit "Wanker"-Rufen. Kritik am Zwang zur Heterosexualität in Erbmonarchien hat viele Gesichter.
Vor drei Jahren erschienen Studienergebnisse, die, leicht verkürzt, besagen: William ist ein armer Wicht. Sie wählen nur andere Worte dafür. Das Journal of Sexual Medicine berichtete, laut einer Studie namens "Males" sei es für Männer aus Deutschland, Großbritannien und Italien das Wichtigste, "Kontrolle über das eigene Leben zu haben". Genau das verweigert die Prinzenrolle dem Thronfolger.
Er muss die Messlatte für Werte abgeben, auf dass seine Untertanen diese bequem unterlaufen können. Der Umstand, dass Williams Freundin sehr hübsch ist, wird ihm da kein rechter Trost sein. Derselben Studie zufolge rangieren Dinge wie "Erfolg bei Frauen haben" oder "ein aktives Sexleben führen" bei den befragten Männern weit hinten. Vielleicht aber hilft dem von Haarausfall Geplagten der Hinweis, dass nur ein Umstand Männern noch weniger wichtig war: "körperlich attraktiv zu sein".
Wahrscheinlich ist William sein trauriges Schicksal bewusst. Nachdem er seine Angetraute auf dem Balkon des Buckingham Palace zweimal geküsst hatte, soll er gesagt haben: "Das ist genug. Es ist mir peinlich." Woher ich das weiß? Ich stolperte über eine Klatschzeitschrift.
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