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Kolumne MännerEin Herz und eine Krone

Matthias Lohre
Kolumne
von Matthias Lohre

Warum bejubeln alle Prinz William? Er ist eine arme Wurst. Sagt eine Studie.

I ch war zur falschen Zeit am falschen Ort. Das hätte ich wissen können: Die Flugtickets sind aber günstig, dachte ich. Wahrscheinlich fliegt kaum jemand nach London am Tag nach der königlichen Hochzeit, dachte ich. Als ich mit dem Bus vom Flughafen in die Innenstadt fuhr, sah diese aus wie im Endzeitfilm "I am Legend", nur nicht so schön grün.

Kaum ein Mensch auf der Straße, nur eine Handvoll Engländer. Mir wurde klar: Die Hochzeit von William und Kate, bejubelt von Hunderttausenden Schaulustigen und am Fernsehen verfolgt von Milliarden Menschen, war nicht am Tag zuvor gewesen. Sie fand in diesen Minuten statt. Dabei hatte ich mir doch vorgenommen, dieses Ereignis der Schande ausgiebig zu verpassen.

Anders als Freunde von mir, die verdächtig oft über Klatschzeitschriften stolpern, wollte ich diesem erschütternden Ereignis meine Aufmerksamkeit verweigern. Wieso? Wären Sie gern dazu verdammt, die Nachfolge Ihres Vaters anzutreten? Unterlägen Sie gern dem öffentlichen Druck, einen "Stammhalter" zeugen zu müssen? Und wie fänden Sie es, wenn Ihnen andere Menschen sagten, welche Kleidung Sie zu tragen haben? Nein, Prinz William ist kein beneidenswerter Mensch. Er ist das weltweit prominenteste Beispiel für die Deformation von Männern durch traditionelle Geschlechterrollen.

Bild: privat

MATTHIAS LOHRE ist Parlamentsredakteur der taz.

Deshalb ignorierte ich die wenige Kilometer entfernt stattfindende Zeremonie und flanierte demonstrativ durch die fast leere Innenstadt. Einige Männer schienen meine Protesthaltung zu teilen. Ein älterer Herr mit Zauselbart, Krücken und zwei Hunden trug ein T-Shirt mit dem Aufdruck "Nobody knows Im a lesbian". Zwei Männer, deren Gesichtsfarbe hervorragend zur roten Uniform des Prinzen passte, versahen das auf einem Bildschirm erscheinende Konterfei des Thronfolgers mit "Wanker"-Rufen. Kritik am Zwang zur Heterosexualität in Erbmonarchien hat viele Gesichter.

Vor drei Jahren erschienen Studienergebnisse, die, leicht verkürzt, besagen: William ist ein armer Wicht. Sie wählen nur andere Worte dafür. Das Journal of Sexual Medicine berichtete, laut einer Studie namens "Males" sei es für Männer aus Deutschland, Großbritannien und Italien das Wichtigste, "Kontrolle über das eigene Leben zu haben". Genau das verweigert die Prinzenrolle dem Thronfolger.

Er muss die Messlatte für Werte abgeben, auf dass seine Untertanen diese bequem unterlaufen können. Der Umstand, dass Williams Freundin sehr hübsch ist, wird ihm da kein rechter Trost sein. Derselben Studie zufolge rangieren Dinge wie "Erfolg bei Frauen haben" oder "ein aktives Sexleben führen" bei den befragten Männern weit hinten. Vielleicht aber hilft dem von Haarausfall Geplagten der Hinweis, dass nur ein Umstand Männern noch weniger wichtig war: "körperlich attraktiv zu sein".

Wahrscheinlich ist William sein trauriges Schicksal bewusst. Nachdem er seine Angetraute auf dem Balkon des Buckingham Palace zweimal geküsst hatte, soll er gesagt haben: "Das ist genug. Es ist mir peinlich." Woher ich das weiß? Ich stolperte über eine Klatschzeitschrift.

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Matthias Lohre
Schriftsteller & Buchautor
Schriftsteller, Buchautor & Journalist. Von 2005 bis 2014 war er Politik-Redakteur und Kolumnist der taz. Sein autobiographisches Sachbuch "Das Erbe der Kriegsenkel" wurde zum Bestseller. Auch der Nachfolger "Das Opfer ist der neue Held" behandelt die Folgen unverstandener Traumata. Lohres Romandebüt "Der kühnste Plan seit Menschengedenken" wird von der Kritik gefeiert.

4 Kommentare

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  • B
    brigitte

    bei allem verständnis für die problematische situation, in das englische königshaus hineingeboren zu sein, möchte ich doch sagen, dass der artikel sehr einseitig ist. denn, william ist nicht "verdammt dazu", die nachfolge seines vaters anzutreten. und er ist auch nicht verpflichtet, einen stammhalter zu zeugen und ähnliche dinge. denn mit erwachsenwerden könnte er sich dem allem verweigern. er könnte auf alles verzichten und ein normales leben führen. das haben andere auch schon vor ihm getan.

    tut er aber nicht. er macht das alles mit und unterstützt es dadurch. und vervielfältigt es dadurch.

    und was davon zu halten ist, dass "eine hübsche" freundin zu haben, erfolg bei den frauen zu haben bedeutet und wieweit das irgendwie grundlage für einen halbwegs seriösen artikel sein kann oder den rückzug auf irgendeine studie die irgendjemand gemacht hat ... das erscheint mir mehr als fragwürdig. (bedeutet dann entsprechend eine nicht hübsche freundin – und was genau soll das sein – keinen erfolg bei frauen? was ist das für ein massstab, dass leute die sich systemkonform-akzeptierte menschen (=hübsch) aussuchen, "erfolgreicher" sind? das ist in meinen augen reinstes rollenklischee und sehr konservativ, d.h. vor allem unreflektiert und festgelegt).

    ich finde, matthias lohre ist bei der verunglipmfung von konservativen rollenmustern in andere, scheinbar progressive aber nichtsdestotrotz rollenmuster gefallen.

    ps: mir persönlich scheint es sehr viel tragischer, in eine familie geboren zu sein, in der der vater die mutter nur aus feigheit gegenüber der oma geheiratet und sie dann jahrzehntelang unterdrückt hat. weil er eigentlich die ganze zeit eine andere geliebt hat. was er heimlich auch getan hat. die sehr junge naive mutter hat das dann irgendwann verstanden und sich mit immer größerer aber auch teilweise hilfloser revolution versucht zu befreien. sie hatte dabei verschiedenste liebhaber, der bruder ist ein vertuschtes kind einer solchen beziehung. die ganze großfamilie ist sehr konservativ und hat ihre gefühle nie gelernt auszudrücken oder zu leben.

    das alles finde ich ziemlich tragisch, aber es gibt viele menschen, denen es so oder ähnlich geht. und viel schlechter. in england, in deutschland und anderswo. es gibt tragischere schicksale als sich bis zum ende seines lebens mit geld versorgt zu wissen. sich nie sorgen machen zu müssen, ob genug geld da ist für die kinder, für die krankenversicherung, den zahnersatz, die rente oder einfach die ganzen alltäglichkeiten.

    ganz abgesehen von den ganzen leuten, die bei william & co. dafür bezahlt werden, die dinge zu tun, die andere leute alle selbst tun müssen (wäsche waschen, putzen, rasen mähen ...). übrigens unter dem staatlich in england garantierten mindestlohn. das ist alles seine verantwortung, wenn er da mitmacht. und ja, aussteigen ist hart. sehr hart. aber trotzdem haben andere es auch schon getan.

    und, sorry, mein mitleid dafür, dass er im 21. jahrhundert eine total archivierte tradition weiterführt und dafür millionen an steuergeldern verprasst in einem land, in dem es bei öffentlichem geld für bildung, gesundheit, kultur etc. mehr als hapert, dafür hat er die verantwortung seit seinem eintritt ins erwachsenenleben.

    und dass es ihm peinlich ist, vor millionen von menschen seine frau zu küssen, finde ich nur natürlich. und herzerfrischend. zum glück ist er noch keine maschine. wenigstens das.

  • S
    Schwach

    der Autor hat wirklich recht, ich würde niemals mein Leben als Asozialer mit dem des Prinzchens tauschen wollen. Ständig dieser Zwang auf das ganze Geld aufpassen zu müßen, da kann einen schon mal eine kleine Frigidität ereilen.

    Ich bin da als Nichtsnutz echt viel belastbarer, muß nur noch eine Wunderhübsche vom Nichts überzeugen...

  • SB
    Siegfried Bosch

    Das war mal wieder ein Griff ins Klo: William unterliegt gar keinem Druck, einen Stammhalter zu produzieren; denn auch Mädchen können im Vereinigten Königreich auf den Thron kommen; sieht man ja auch an der aktuellen Königin. (Dass es dennoch in dieser Frage keine Gleichberechtigung gibt, tut der Sache keinen Abbruch.) Und wie kommt Herr Lohre darauf, dass William für "traditionelle Geschlechterrollen" steht und dass er durch diese "deformiert" wird? Wahrscheinlich pflegt er bloß sein Feindbild.

  • HW
    Heidi Weh

    Habe gelacht.