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Kolumne MännerChampions League des Chauvinismus

Matthias Lohre
Kolumne
von Matthias Lohre

Der Fußball wirft eine wichtige Frage auf. Warum verhalten sich manche Frauen so sexistisch, wie sie es Männern so lange zu Recht vorgehalten haben?

Auch „geile Schnitten“ haben Gefühle: Madrids Sergio Ramos nach dem Halbfinal-Aus gegen Borussia Dortmund. Bild: Foto: AP

A m Wochenende muss ich wieder Fußball gucken. Lust habe ich nicht gerade. Nicht nach den Erlebnissen bei einem der Halbfinalspiele der Champions League. Da musste ich lernen: Menschen kann man sich schönsaufen, aber Äußerungen anderer Menschen leider nicht.

Dabei herrschten hierfür perfekte Umstände. Die Kneipe wurde immer voller, der Fernseher musste brüllen, und beides tat auch ich. Gleich begann das Rückspiel im Duell Dortmund gegen Real Madrid. Die Rollen von Gut und Böse schienen klar verteilt. Doch dann war Anpfiff.

„Geil“, ruft eine Freundin neben mir in den Raum, „gleich läuft auch der Schnucki mit dem Bart auf.“ Nach einem Moment des Wahns, in dem ich vermute, sie könnte von mir reden, frage ich: „Meinst du Sergio Ramos?“ Sie nickt. Neben ihr steht ihr Freund. Ich freue mich.

Bild: privat
Matthias Lohre

ist Politischer Reporter der taz. Vor Kurzem erschien sein Buch „MILDE KERLE – Was Frauen heute alles über Männer wissen müssen“ bei Fischer/Krüger.

Wir drei scheinen der lebende Beweis zu sein, dass das Klischee überwunden ist, demzufolge Männer beim Fußballgucken unter sich bleiben wollten und dort ihren „eigentlichen“ Charakter offenbarten: der Mann als aggressiver, dumpfer, geschmackloser Kerl.

Maul stopfen mit Bier

„Der Ramos“, sagt die Freundin, „der ist ’ne geile Schnitte. Nicht wie das Kroppzeug da.“ Kroppzeug? Ihr Freund lächelt gequält, und ich bin froh, meinen Mund mit einem Schluck Bier stopfen zu können.

Wann ist es unter manchen Frauen chic geworden, sich so sexistisch zu verhalten, wie sie es Männern zu Recht so lange vorgehalten haben? Einst war das ein cleveres Mittel, um Männern zu spiegeln, was sie Frauen im Alltag zumuteten. Aber manche Frauen verwechseln weibliche Selbstermächtigung mit plumpem Chauvinismus. Und wenn die Schlagersängerin „Möhre“ singt „Das sind keine 20 Zentimeter“, dann ist das nicht nur öde, sondern auch sehr erfolgreich.

Was wäre, sänge ein Kerl „Du hast aber kleine Brüste“? Oder spräche ein Mann von seiner Vorfreude auf die „geilen Schnitten“ beim Synchronschwimmen? Letzteres werden wir wohl nie erfahren. Welcher Mann guckt schon Synchronschwimmen?

Die Freundin mag ihr Bier nicht mehr, schüttet es ihrem Freund und mir in die Gläser. Wir rufen, wie es sich für diesen Glücksmoment gehört, „Juhu!“ – mit der schrillen Stimme Homer Simpsons. Die Freundin schüttelt den Kopf und sagt: „Lauter Homos um mich rum.“ Wäre ich bloß schwul. Vielleicht fiele mir dann eine hübsch bösartige Bemerkung über ihre Frisur ein.

Wir geilen Schnitten

So aber schweige ich und sehe, wie Dortmund 0:1 in Rückstand gerät. Noch zwei Gegentore, und Dortmunds Traum von Finale ist geplatzt. Mein Freund und ich nehmen gleichzeitig einen Schluck Bier, und wir geilen Schnitten sehen dabei aus wie Synchrontrinker.

88. Minute, es fällt das 0:2. Die Kneipe ist in Aufruhr – doch die Freundin tippt auf ihrem Handy. 96. Minute, endlich Abpfiff. Die Freundin gähnt. Warum nur, frage ich mich, finde ich sie heute Abend so unsympathisch, dass nicht mal Alkohol hilft? Ist es ihr Chauvinismus?

Als wir uns verabschieden, sagt sie: „Morgen, beim anderen Halbfinale, wird’s erst richtig interessant. Ich bin ja Bayern-Fan.“ Das erklärt natürlich einiges.

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Matthias Lohre
Schriftsteller & Buchautor
Schriftsteller, Buchautor & Journalist. Von 2005 bis 2014 war er Politik-Redakteur und Kolumnist der taz. Sein autobiographisches Sachbuch "Das Erbe der Kriegsenkel" wurde zum Bestseller. Auch der Nachfolger "Das Opfer ist der neue Held" behandelt die Folgen unverstandener Traumata. Lohres Romandebüt "Der kühnste Plan seit Menschengedenken" wird von der Kritik gefeiert.
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16 Kommentare

 / 
  • R
    ridicule

    Ooch Matthias, unser Szenzibelchen,

     

    heute mal staunend:

    "Männer können besser sehen als

    denken - Frauen auch" - die x-te.

     

    Nochns bisken jung und - dazu wohlbehütet aufgewachsen, wa!?

     

    Leckermäulchen? Na?

    (Im Westen kannte …kaum jemand den Quark des Ostens - der Name "Leckermäulchen" war hier für Fischkonserven eingetragen.)

    - genau Fischkonserven wie (Konkurrent) Havesta!

     

    Da mal gearbeitet? bei Herbol? oder mit Ossi-Taxi die Gurke mehr als einmal angefahren?…usw

     

    Ok. Fischfabrik kenn ich auch nur aus Erzählungen; aber - selbst unsere hardboiled chauvis kriegten da noch rote Ohren.

     

    Ok. In Ihnen geläufigen Kreisen ging das wohl eher so:

    " Hach, der war in meiner Assistentenzeit bei mir Student;

    nie wieder habe ich so einen begabten gutaussehenden Mann getroffen - hach,

    da kommt er ja endlich!"

    Der Ehemann gequält daneben.

     

    Aber muß frauman all das ernst nehmen?

    Bloß - weil fies - varianter ist,

    als bisher gedacht/gewußt!?

    Fies - ist diese Torte doch so oder so,

    ob sie die Klappe aufmacht

    oder (schon besser, aber mach was) nich.

    Holt Afstand - und ab dafür.

     

    " Kein Mensch muß müssen, aber

    ein Matthias Lohse müßte?"

    Was älter - Lessing hieß der Mann!

  • P
    petronius

    tja, hr. lohre:

     

    wenn sie sich mit hunden ins bett legen, sollten sie sich nicht beim aufwachen über flöhe beschweren

     

    ich (mann) gehe nicht in fußballkneipen...

  • J
    jojas

    "Mein Freund und ich nehmen gleichzeitig einen Schluck Bier (...)"

     

    Ganz klar latent homosexuell.

  • UZ
    und zu

    Wie sie hier alle wieder jammern, die "echten Kerle".

    War da nicht mal was von wegen "starkes Geschlecht"?

     

    Wenn die harten Jungs, die wie echte Kerle Fußball in der Bar schauen, schon so verweichlicht herumjammern, muss man sich dann wundern, wenn andere sich emanzipieren und über's Ziel hinausschießen?

     

    Schafft euch n paar Eier an.

  • M
    Marco

    "Am Wochenende muss ich wieder Fußball gucken. Lust habe ich nicht gerade.

     

    kleiner tipp (aber psssst! geheim!):

     

    Sie müssen nicht. Wenn Sie nicht wollen, lassen Sie es doch einfach.

  • A
    Alex

    tja vicci, genau wie der Mensch ein sexuelles Wesen ist, ist er jedoch auch vernunftbegabt. Dadurch verfügt er über die Fähigkeit darüber zu reflektieren, wann er seine Sexualität ausleben sollte und wann nicht.

     

    Wenn du nun in der Kneipe beim Fußball schauen von den Drecksäuen und Schnitten faseln willst, weil die Vernunft bei dir vielleicht nicht soweit ausgeprägt ist, damit du deine Triebe im Griff halten kannst, dann bleib doch einfach der Kneipe (und damit den Frauen und Männern die des Fußballs wegen dort sind) fern und mach dir einen schönen Abend auf dem Sofa - mit all den anderen Triebgesteuerten und Vernunftbenachteiligten.

  • PR
    Peter Rosenstein

    "Dass Frauen gegenüber Männern herausfordernd und frech sind und deren (sexuelle) Stärke infrage stellen, kannst Du in egal wie alter Literatur nachlesen, siehst du in jedem zweiten seit es Filme gibt Film und hat nichts mit Chauvinismus zu tun."

     

    Sondern?

  • D
    DominaStudio

    @Tobi K.

     

    Neinnein, wenn Frauen chauvinistisch sind nennt man das "Frauenpower" oder "Stark" oder "Selbstbewußt".

    Frauen sind niemalsnie chauvinistisch. Nur Männer sind das und zusätzlich sind alle Männer sexistisch, Frauen können das garnichrt sein....nein nein....

     

    @Chritophe T.

    Wo leben Sie?, was ist denn mit den öffentlichen Auftritten der California Dreamboys o.a.?

    Wenn Frauen zum Männerstrip gehen und rumgröhlen, dann ist das total Hip und so...

    Männer die das tun sind sowas von Machos und Sexisten.

    Frauen unter sich brauchen "Schutzräume" , Männer die das einfordern sind "Hoilsusen"

    Tjaja, Splitter im Auge und so...

  • L
    LCS-HH

    Habe mich köstlich amüsiert. Danke. Die Situation kenne ich - weiblich und Stadiongängerin seit den 90ern - leider zu gut. Solche Frauen sind einfach unerträglich, weil 1. die überhaupt keine Ahnung von Fussball haben; 2. ihre Kommentare nicht nur deplaziert und oft machohaft sind sondern sie diese auch noch schwallartig 90-minutenlang monologisieren. Ich plädiere daher für Stadion- und Sportkneipenverbot für alle, die die Abseitsregeln nicht beherrschen. Damit würden uns Mode-Fan-Beiträge wie "der mit den Turtles..." dann auch erspart bleiben :-)

  • DP
    Daniel Preissler

    @Christophe

     

    "...die These dass Frauen sich allgemein (neuerdings?) Männern gegenüber chauvinistisch verhalten ist etwa so gewagt wie..."

     

    Das sieht Herr Lohre sicher ähnlich. Daher wird diese These im Text auch nicht vertreten. Die Rede ist glücklicher Weise von "manchen Frauen" (siehe z.B. die 3 Einleitungszeilen auf dieser Seite ganz oben).

     

    Grüße, DP

  • V
    viccy

    Tja, Herr Lohre, Menschen sind sexuelle Wesen, die andere Menschen sexuell geil finden können. Nicht wegen des edlen Geistes und der linksliberalen Grundhaltung, sondern einfach, weil der andere Mensch ´ne geile Schnitte ist, ´ne Drecksau oder wie auch immer.

     

    Egal, ob dies auf taz-Linie liegt oder nicht. Das ist hart, nicht wahr? :-)

  • M
    Mann

    Wer seie Freundin zum Halbfinale mit in die Kneipe nimmt, ist selbst schuld und hat nichts anderes verdient!

    Auf ein schönes und frauenfreies Finale am Samstag! Prost!

  • TK
    Tobi Kiga

    Dass Frauen gegenüber Männern herausfordernd und frech sind und deren (sexuelle) Stärke infrage stellen, kannst Du in egal wie alter Literatur nachlesen, siehst du in jedem zweiten seit es Filme gibt Film und hat nichts mit Chauvinismus zu tun.

  • M
    Malwine

    Das wirklich schlimme an dieser Art von 'Fußballbegeisterung' unter Mädels, die vor allem seit der WM 2006 massiv um sich greift, ist, dass es diejenigen unter uns diskreditiert, die sich tatsächlich für Fußball interessieren. Als eins der (soweit ich sehe) wenigen Mädels, die wissen, wie Abseits funktioniert, was eine Verlängerung ist und sich mehr für das spielerische Talent der Fußballer interessieren als für ihre Frisur oder mit welchem 'Starlet' sie zusammen sind, bin ich vermutlich frustrierter von solchen Unterhaltungen als jeder Mann. Denn jedes Mädel, dass sich zur Weltmeisterschaft hübsch bunt das Gesicht bemalt, ein (möglichst enges) Deutschlandtrikot trägt und sich dann stundenlang solch geistigen Ergüssen hingibt, bestätigt nur das männliche Vorurteil, dass Frauen allein aufgrund ihres Geschlechts nichts von Fußball verstehen können.

  • R
    ReVolte

    "Doch während die Frau sich ständig weiterentwickelt, [...] blieb der Mann auf seiner Entwicklungsstufe stehen. Als halbes Wesen. [...] Er ist weiterhin nur männlich und verschließt sich den weiblichen Eigenschaften wie Toleranz, Sensibilität und Emotionalität. Das heißt, er ist – strenggenommen – unfertig und wurde von der Evolution und dem weiblichen Geschlecht überholt."

     

    Tja Herr Lohre, auch wenn fast nur noch solches vorrätig ist – mit Modell Conny Pieper sollte Mann nicht Bier trinken.

     

    http://manndat.de/geschlechterpolitik/die-champions-league-des-sexismus-teil2-es-geht-los.html

  • CT
    Christophe T.

    Die Geschichte klingt seltsam verkehrt ... Sexismus / Chauvinismus beschränkt sich nicht auf Männer (wieso auch?) sondern wird global praktiziert von Kindern, dem Opa, der Oma und dem Kindermädchen. Aber die These dass Frauen sich allgemein (neuerdings?) Männern gegenüber chauvinistisch verhalten ist etwa so gewagt wie die dass Frauen Männer sexuelle Gewalt antun. Da gibt's sicher ein paar Beispiele - ist aber faktisch die Ausnahme.