Kolumne Macht: Der Teufelskreis
Je provokanter sich US-Präsident Donald Trump verhält, desto schwieriger wird die Lage für das Establishment. Seine Anhänger sehen sich bestätigt.
E in Geheimdienstchef, der vor laufender Kamera in haltloses Gelächter ausbricht, als er von den neuesten Plänen seines Staatsoberhauptes erfährt: Das hat es auf der ganzen Welt noch nicht gegeben. Aber Donald Trump macht alles möglich. Seine Einladung an den russischen Präsidenten Putin hat den US-Geheimdienstdirektor Dan Coats so verblüfft, dass er die Fassung verlor und der Öffentlichkeit einen ungewöhnlich tiefen Einblick in seine Gefühlslage gewährte.
Der Unterhaltungswert des US-Präsidenten ist hoch. Seine schärfsten Kritiker und seine glühendsten Verehrer lachen immer wieder über ihn, herzlich. Das Problem ist nur: Sie lachen nicht über dieselben Dinge.
Donald Trump führt das gesamte politische Establishment am Nasenring durch die Manege – und die Betroffenen haben keine Möglichkeit, sich dagegen zu wehren. Denn der Mann ist gewählter Präsident, und wer die Demokratie und ihre Institutionen ernst nimmt, muss auch ihn ernst nehmen. Es gibt niemandem, der zu ihm sagen kann: „Donald, halt die Klappe, geh spielen“, wie widersprüchlich, irrational und bockig er sich auch verhalten mag.
So wird denn jede Kehrtwende, jede noch so abstruse Äußerung seriös analysiert, auch wenn alle Beteiligten wissen, dass sie am nächsten Tag längst überholt sein kann. Das politische System führt sich damit selbst ad absurdum und bestätigt ausgerechnet jene, die ihm zutiefst misstrauen.
Die haben ja schon immer geglaubt, dass in Washington nur absurdes Theater gespielt wird. Je provokanter Donald Trump sich verhält, desto schwieriger wird die Lage für das Establishment – und desto amüsanter wird sie für diejenigen unter seinen Anhängern, die ihn gerade um der Provokation willen gewählt haben. Ein Teufelskreis.
Hass auf die politische Klasse
Erschütternd am bisherigen Verlauf der Amtszeit des US-Präsidenten ist die Erkenntnis, wie tief die Abneigung, sogar der Hass auf die politische Klasse in weiten Teilen der Bevölkerung ist – und dass dies so lange niemandem aufgefallen ist. Ausgerechnet in den Vereinigten Staaten, die den Stolz auf ihre Verfassung und ihr System mit einer oft schwer erträglichen Selbstzufriedenheit zur Schau stellen, droht der Demokratie und ihren Institutionen nun eine ernsthafte Gefahr von innen.
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Mittelfristig ist das eine der zentralen Fragen im Hinblick auf die Zukunft, nicht nur in den USA, sondern auch in anderen westlichen Staaten: Wie tragfähig ist das System – und wie viel Porzellan können Einzelne zerschlagen? Übrigens bedeutet natürlich nicht jede reaktionäre oder dumme Entscheidung einen Angriff auf das System. Aber wenn tragende Säulen wie Gewaltenteilung, Bündnistreue, Pressefreiheit oder der Schutz von Minderheiten von einem Regierungschef nicht mehr respektiert werden, dann ist Gefahr im Verzug.
Abwehren lässt die sich nur mit Beharren auf jenen Grundsätzen, die über alle Meinungsverschiedenheiten hinweg als nicht verhandelbar gelten. Das bedeutet konkret: Wenn der US-Präsident sich als unfähig erweist, sein Amt auszuüben – und was soll dafür eigentlich noch passieren? –, müssen die Republikaner sich selbst dann gegen ihn stellen, wenn es ihren Parteiinteressen schadet.
Aber das ist nur die halbe Miete. Solange nicht alle gemeinsam darum kämpfen, verlorenes Vertrauen der Bevölkerung zurückzugewinnen, sieht es düster aus. Die Frage, wie es überhaupt so weit kommen konnte, muss selbstkritisch erörtert werden. Auch und gerade von den US-Demokraten. Sie haben damit bisher noch nicht einmal angefangen, leider.
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