Kolumne Macht: Wenn Wahlen etwas ändern könnten
Falls Hillary Clinton doch nicht Kandidatin wird, dann wird es Vizepräsident Joe Biden. Und nicht etwa Bernie Sanders. Ach so?
U nd wenn sie doch angeklagt wird? Niemand redet mehr davon, dass Hillary Clinton in ihrer Zeit als Außenministerin eine private Mailadresse auch für berufliche Zwecke genutzt hat und das FBI seit Monaten ermittelt, ob sie damit Gesetze gebrochen und die notwendige Sorgfalt beim Umgang mit Staatsgeheimnissen hat vermissen lassen. Niemand – außer dem rechtslastigen Sender Fox-News, der Hillary Clinton auch der Teufelsanbetung bezichtigen würde, wenn es eine Chance gäbe, damit Gehör zu finden und der deshalb in dieser Hinsicht nicht ernst genommen wird.
Aber was, wenn alle sich irren und sie eben doch angeklagt wird?
Er glaube noch immer nicht daran, sagt der US-Publizist Norman Birnbaum, kluger, alter Vordenker der Linken. Allerdings müsse er zugeben, dass er sich allmählich wundere, weshalb die Prüfung des Sachverhalts so lange dauere. „Wenn sie tatsächlich vor dem Parteitag der Demokraten angeklagt wird, dann bekommt sie die Nominierung nicht. Dann muss es Joe Biden machen.“
Das ist einer der Augenblicke, in denen man als ausländische Journalistin das Gefühl hat, überhaupt nichts verstanden zu haben – nichts vom Wahlkampf, nichts von den Kräfteverhältnissen im politischen Spektrum, nichts von den USA insgesamt. Wo kommt denn jetzt auf einmal Biden her? Der Vizepräsident hat doch nach reiflicher Überlegung schon vor Monaten unmißverständlich erklärt, nicht für die Präsidentschaft kandidieren zu wollen.
![](https://taz.de/picture/1207667/14/tazze_wochenende.png)
Immer mehr Menschen schmeißen ihr Geld zusammen, suchen ein Grundstück und bauen ein Haus. Über den Konflikt zwischen Demokratie und Selbstverwirklichung bei Baugemeinschaften lesen Sie in der taz.am wochenende vom 21./22. Mai. Außerdem: Im Nordirak bildet die Bundeswehr die Peschmerga aus. Doch seit Monaten hat die kurdische Miliz keinen Sold erhalten, auf dem Schwarzmarkt tauchen deutsche Waffen auf. Weiß die Bundesregierung, was sie tut? Und: Sexualaufklärung und Rechtskundeunterricht für Geflüchtete. Eine Reportage. Am Kiosk, eKiosk oder im praktischen Wochenendabo.
Der fast 90-jährige Norman Birnbaum lächelt fein. „Ja, und außerdem hat er gesagt, dass er Elizabeth Warren gerne als Vizepräsidentin hätte, wenn er denn antreten würde. Warren könnte die Linken besänftigen.“ Ja, das könnte sie wohl. Die Senatorin aus Massachusetts hat einen guten Ruf als kritische Finanzexpertin und setzt sich seit langem unermüdlich für verbesserten Verbraucherschutz ein. Und sie hat mehrfach erklärt, nicht für die Präsidentschaft kandidieren zu wollen. In dieser Hinsicht würde sie gut zu Biden passen. Der ja eben auch nicht will.
Reine Spekulation
Man kommt sich inzwischen naiv vor mit der Frage, aber liefe die Nominierung denn nicht ganz zwangsläufig auf Bernie Sanders hinaus, falls Hillary Clinton tatsächlich ausfiele? „Ach, das würden die Leute um Obama und Hillary nicht zulassen“, sagt Birnbaum gelassen, der seit über 70 Jahren die US-Politik verfolgt. „Natürlich würde es einen erbitterten Kampf geben. Aber ich denke, in diesem Fall liefe es trotzdem auf Biden hinaus.“ Natürlich sei das alles reine Spekulation, und er glaube, wie gesagt, nicht, dass Hillary Clinton überhaupt angeklagt werde. Aber falls doch: dann hätten die Gegner von Bernie Sanders einen Notfallplan in der Tasche.
Vermutlich werden wir alle nie erfahren, ob Norman Birnbaum Recht hat oder nicht. Aber allein die Vorstellung, dass er Recht haben könnte, macht frösteln. Vielleicht stimmt es ja wirklich: Wenn Wahlen etwas ändern könnten, dann wären sie verboten. Allerdings bedarf es dafür immerhin kluger Taktiker in den Parteizentralen.
Bei den US-Republikanern scheint es die nicht zu geben. Was wiederum auch schade ist. Es taktieren halt immer die Falschen.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Kanzler Olaf Scholz über Bundestagswahl
„Es darf keine Mehrheit von Union und AfD geben“
Weltpolitik in Zeiten von Donald Trump
Schlechte Deals zu machen will gelernt sein
Einführung einer Milliardärssteuer
Lobbyarbeit gegen Steuergerechtigkeit
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Trump macht Selenskyj für Andauern des Kriegs verantwortlich
Wahlarena und TV-Quadrell
Sind Bürger die besseren Journalisten?
Werben um Wechselwähler*innen
Grüne entdecken Gefahr von Links