Kolumne Macht: Wer wem ein Lied singen darf
Australien nimmt am Eurovision Song Contest teil und gehört damit zu Europa. Ob Deutschland noch dazu gehörte, wenn abgestimmt würde?
E uropa wächst und wächst. Jetzt reicht es sogar schon bis Australien, jedenfalls darf das Land dieses Jahr am Eurovision Song Contest teilnehmen. Eigentlich ist das logisch. Schließlich ist die Queen dort noch immer Staatsoberhaupt, und europäischer als diese alte Dame kann eine Monarchin nicht sein. Sie ist übrigens auch Königin von Kanada, von Tuvalu und von Papua-Neuguinea, um nur einige Beispiele zu nennen. Ungeahnte Möglichkeiten für den Liederwettbewerb tun sich auf.
Allerdings darf eine solche Veranstaltung nicht zu viele Teilnehmer haben, sonst ermüdet selbst der treueste Fan. Das Problem ließe sich lösen: Für jeden Gast aus Übersee muss ein traditionelles Teilnehmerland draußen bleiben, und zwar unabhängig von Größe oder Finanzkraft. Welches Land das jeweils ist, entscheiden weder Rundfunkräte noch Juroren, sondern darüber findet in Europa eine Volksabstimmung statt.
Ha, da werden die Griechen mal sehen, wie unbeliebt sie sich mit ihrer Verschwendungssucht machen! Mindestrenten von 300 Euro und Mindestlöhne von 751 Euro brutto im Monat – wo kommen wir da hin? Solcher Luxus wird Athen teuer zu stehen kommen. Die Griechen fliegen raus, wenn Europa darüber abstimmt, wer wem ein Lied singen darf. Keine Frage. Das käme übrigens viel billiger, als sie vertragswidrig aus der Eurozone auszuschließen, wäre aber ebenso demütigend.
Und doch, ein kleiner, nagender Zweifel bleibt. Was, wenn die Europäer wieder mal nicht wissen, was gut für sie ist, und gar – horribile dictu – Deutschland nicht mitspielen lassen? Ausgeschlossen, selbstverständlich. Immerhin gehören wir in weltweiten Umfragen seit Jahren zu den beliebtesten Völkern der Erde. Als ehrlich, fleißig und diszipliniert gelten wir. Wenn das nicht der Stoff ist, aus dem Liebesgeschichten gewebt werden. „Du bist so diszipliniert, mein Herz, möchtest du mich heiraten?“ Eine passende Frage zum Valentinstag. Diese Geschichte wird noch die Augen der Enkel leuchten lassen.
Lassen wir mal all die Themen weg, über die im Zusammenhang mit der griechischen Finanzkrise in den Nachrichten berichtet wird, vergessen wir auch alle wechselseitigen Beleidigungen, und stellen wir nur eine einzige Frage: Bei wem wäre die Schadenfreude größer, wenn ihm per Referendum der Stuhl vor die Tür gesetzt würde – bei Deutschland oder bei Griechenland? Ja, genau. Wer diese Erkenntnis für politisch unbedeutend hält, interessiert sich nicht für Geschichte. Oder Politik.
10 Jahre Youtube: Wie die Videoplattform im Internet zur lukrativen Bühne für Profis und Jungsstars wurde, lesen Sie in der //www.taz.de/Ausgabe-vom-7/8-Februar-2015/%21154103%3E%3C/a%3E:taz.am wochenende vom 14./15. Februar 2015. Außerdem: Dupsy Abiola hat einen berühmten Vater, ein Start-up-Unternehmen und Visionen. Ein Gespräch über die damit verbundenen Freuden und Abgründe. Und: Was Wirtschaftsunternehmen an Universitäten anrichten, wenn sie Geld an Einfluss knüpfen. Hochschulwatch ist angesagt. Am Kiosk, eKiosk oder gleich im praktischen Wochenendabo.
Es ist manchmal ziemlich egal, ob man juristisch im Recht ist oder zu sein glaubt. Wenn man allzu eigensinnig darauf beharrt, dann kann der Preis dafür sehr hoch sein. Ach, es ist schade, dass es nie zu einer europäischen Volksabstimmung über die Teilnahme am Liederwettbewerb kommen wird.
Staaten geben für Imagewerbung viel Geld aus, sonst fänden niemals Olympische Spiele oder Fußballweltmeisterschaften statt. Gemessen an deren Kosten wäre ein Beliebtsheitstest geradezu geschenkt. Und manche Leute kommen ja durchaus zur Vernunft, wenn man sie nicht mehr mitspielen lassen will.
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