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Kolumne MachtHilfe! Merkel ist in uns

Peter Unfried
Kolumne
von Peter Unfried

Warum finden Linksliberale nichts irrelevanter als das Thema „Umwelt“ und nichts schlimmer als sogenannte „grünlackierte Schwarze“?

Die Raute der Macht. Kann jeder Bild: dpa

I ch wollte mit linksliberalen Twentysomethings über Klimawandelbewältigung sprechen. „Ach, es gibt tausend Sachen, um die ich mich kümmern muss“, sagte eine durchaus sympathische Frau, „da stelle ich Umwelt hintenan.“

Dieses Argument wurde so lange variiert, bis ich unwirsch rief: „Es geht nicht um Umwelt, es geht um alles, ihr Nicht-Checker.“ Interessant, sagte daraufhin ein durchaus sympathischer Mann. Aber bei Öko denke er sofort an „grünlackierte Schwarze“. Die meisten nickten und schauten angewidert.

Tja: Diese beiden Gefühle sind zentral für den gesellschaftlichen Stillstand. Erstens: Im Gegensatz zu Adoptionsrecht für Homopaare, Mindestlohn und Stellenausbau für die Sprachpolizei wird die sozialökologische Transformation als Umweltgedöns verstanden. Und zwar – zweitens – für grünlackierte Schwarze. Boaaah. So was kommt offenbar gleich hinter Pegida. Im besten Fall.

Der Klimawandel mag ein Problem sein, aber deshalb sind grünlackierte Schwarze noch lange keine Co-Menschen, mit denen sich progressive, emphatische, dem Fremden aufgeschlossene Linksliberale einlassen. Sondern Feinde, die man als neoliberale Dachgeschoss-Schwaben diffamieren und moralisch delegitimieren muss. Gerade auch in der eigenen Partei.

In die Hölle

Warum ist das so? Weil die Linksliberalen historisch und kulturell so geprägt sind, wie sie geprägt sind (1968, Grüne, Anti-Kohl, Tatort, Pinot Grigio ab zehn Euro). CDU fühlt sich einfach falsch an. Ich weiß ja selbst nicht, ob es überhaupt möglich ist, in der Wahlkabine CDU anzukreuzen. Oder ob die Angst nicht zu stark wäre, dafür in die Hölle zu kommen.

Die Frage ist: Wer soll denn mit wem die sozialökologische Transformation machen, welche Mehrheit soll eine ökosoziale Wirtschaft und Gesellschaft gegen die fossilliberale durchsetzen? Die derzeitige Antwort ist offensichtlich: Gar keine. Die Ressentiments dienen der Bestätigung einer Haltung, die letztlich auf nichts hinauswill. Das ist verständlich, denn es bedient ein Bedürfnis nach Sicherheit. Wer in geistiger Deckung bleibt, kriegt zumindest keinen Shitstorm ab.

Wenn man seine klare Weltsicht (Patti Smith gut, Jürgen Drews böse) aufgibt, bekommt man Probleme mit der Realität, in der CDU und SPD den CO2-Kapitalismus gleichermaßen engagiert stützen und befeuern. FDP und Linkspartei sowieso. Und genau da wird es interessant. Das Primat der sozialökologischen Transformation ist der öffnende Gedanke, der neue Bewegung bringt in ein – politisch, kulturell und emotional – erstarrtes Lagerdenken und ein fades Leben im richtigen Geschwätz.

Jetzt mal unter uns Pastorentöchtern: Wer denkt, es gehe nur ohne Merkel, ist komplett unpolitisch, denn dann geht es gar nicht. Das weiß sogar Sigmar Gabriel. George Packer hat in einem New-Yorker-Artikel unsere widersprüchliche Gegenwart auf den Punkt gebracht, als er herausarbeitete, dass Hauptstadtjournalisten die Kanzlerin ablehnen und wählen. Sie lehnen sie ab, weil sie der Zukunft ausweicht, und sie wählen sie, weil sie der Zukunft ausweicht. Hauptstadtjournalisten sind kritische Opportunisten, also repräsentativ. Ergo: Wir sind nicht „Merkel“, aber „Merkel“ ist ein großer Teil von uns. Das ist hart, aber das muss man zunächst an sich ranlassen, um damit umgehen zu können.

Der Schlüssel ist der Gedanke des Primats der sozialökologischen Transformation. Wenn wir unsere heterogenen Minoritäten-Besitzstandswahrungsbündnisse rational und emotional unter diesem Dach verknüpfen, dann haben wir die Chance auf eine Mehrheit für Zukunft. Dafür müssen speziell die Grünen den ökofremdelnden Linksliberalen klarmachen, wie sie das Soziale einbinden.

taz.am Wochenende

Petra Reski hat am eigenen Leib erfahren, wie schwer es ist, das Treiben der Mafia in Deutschland publik zu machen. Das liegt nicht nur am Presserecht, sondern auch an der Weigerung, das Problem sehen zu wollen. Mehr in der taz.am wochenende vom 11./12. April 2015. Außerdem: Auf dem Amerikagipfel treffen sich Obama und Raúl Castro. Was bedeutet die angekündigte Öffnung für das Land, das seit fast sechs Jahrzehnten seinen eigenen sozialistischen Weg geht?. Und: Die Codes der Kunstszene und die Gerüche der Rebellion: eine Begegnung mit der Autorin Rachel Kushner. Am Kiosk, eKiosk oder gleich im praktischen Wochenendabo.

Das ändert aber nichts daran: Wo die Mehrheit ist, da ist Merkel. Das kann man auch positiv sehen. Die macht dann schon mit.

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Peter Unfried
Chefreporter der taz
Chefreporter der taz, Chefredakteur taz FUTURZWEI, Kolumnist und Autor des Neo-Öko-Klassikers „Öko. Al Gore, der neue Kühlschrank und ich“ (Dumont). Bruder von Politologe und „Ökosex“-Kolumnist Martin Unfried
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3 Kommentare

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  • Ich weiss nicht warum der Klimawandel ein Problem sein soll. Das Klima wandelt sich mehr oder weniger immer. Am Ende der letzten Eiszeit stieg der Meeresspiegel ca. 70m, da werden weitere 5m wohl kein Problem sein.

    Nein das Problem ist, dass wir es gerne hätten, dass alles bleibt wie es ist. Das wird es aber nicht.

    Was das Klima betrifft haben wir die Wahl zwischen der Änderung unseres Gesellschafts-/Wirtschaftssystems und der Anpassung an den dann vermutlich etwas gebremsten Klimawandel oder die Anpassung an die alle Folgen der Beibehaltung unseres derzeitigen Systems.

    Wenn ich wetten müsste welche Entscheidung wir treffen werden, wüsste ich genau auf welche Alternative ich wetten würde.

    Denn in dieser Gesellschaft gibt es eben keine relevante Gruppe, die eine auch nur ansatzweise konsensfähige Alternative anzubieten hätte.

    Leider.

    Und "sozialökologische Transformation" ist eben nur ein Schlagwort - kein auch nur ansatzweise umsetzbares Programm.

    Wieder Leider!

  • Es geht nur ohne Merkel.

     

    Sie ist der Grund für den Stillstand. Sie ist ein Mitgrund für den Krieg in der Ukraine. Sie ist der Grund für die anhaltende Krise in der EU. Sie ist der Grund dafür, dass den USA in den Hintern gekrochen wird.

     

    Der öko-soziale Umbau wäre dringend notwendig. Mit Merkel wird er nie passieren, und erst recht nicht mit “Grünen”, die vergessen wollen, dass ihre Partei der Friedensbewegung entstammt.

     

    Dem Autor sei ins Stammbuch geschrieben: in Kriegen wird mit Öl geheizt – die Logistik, die Panzer, die Flugzeuge, die Hubschrauber. Und umweltfreundlich ist das Herumballern mit Schwermetallen bis zum abgereicherten Uran auch nicht besonders. Auch das Anzünden von Ölfeldern macht doch das eine oder andere “kleine” Umweltproblem.

     

    All das wollen die grün angehauchten Schwarzen vergessen machen. Es lässt sich jedoch nicht vergessen. Denn Blutvergiessen und Umweltschäden, Austerität und soziale Ungleichheit hängen nun einmal eng zusammen.

     

    Jedoch genau andersrum. Und nein, das ist nicht egal.

  • Wer die cdu (und damit Merkel) gewählt hat, hat den Stillstand beim NSU-Untersuchungsausschuss gewählt, hat gewählt, dass Merkel nichts sagt zur Armut in Deutschland, hat gewählt, dass Merkel Europa an die usa verschenkt (via TTiP, TISA und CETA). Merkel halte ich für die gefährlichste Person weit und breit, weil Merkel den Industrieellen (die nicht als Fasch**ten erkannt werden, aber teilweise so handeln) willfährig den Boden bereitet.