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Kolumne „Lügenleser“Schwarz, rot, geil

Juri Sternburg
Kolumne
von Juri Sternburg

Sowas kommt von sowas: Warum es kein Wunder ist, dass manche jetzt fordern, Özil und Gündogan aus der Nationalmannschaft zu werfen.

Unverkrampfter Patriotismus Foto: dpa

D a ist er wieder. Der offene Rassismus des deutschen Feierabend-Grillers. Es geht um „diese beiden Türken und ihren geliebten Sultan“, so schreibt einer im Netz. Was die NPD bereits 2006 versuchte, ist jetzt weitgehend Konsens. Man will die „deutsche Mannschaft“ zurück.

Damals hatte die inzwischen beinahe in der Bedeutungslosigkeit versunkene Neonazi-Partei gefordert, den dunkelhäutigen Nationalspieler Patrick Owomoyela aus der Mannschaft zu werfen. „Weiß – nicht nur eine Trikotfarbe. Für eine echte NATIONAL-Mannschaft“ lautete der Slogan. Der Aufschrei war riesig. So kurz vor der Heim-WM unter dem Motto „Die Welt zu Gast bei Freunden“ wollte man nichts mit Rassismus zu tun haben.

Die WM war ein voller Erfolg. Ein schwarz-rot-goldenes Fahnenmeer. Politiker von ganz links bis weit rechts lobten den unverkrampften Patriotismus. Schwarz, rot, geil. Heute ist das Fahnenmeer Alltag. Zum Beispiel montags in Dresden.

„In der Langzeitstudie ‚Deutsche Zustände‘ ist das Team um den Erziehungswissenschaftler Wilhelm Heitmeyer zu dem Ergebnis gekommen, dass es rund um die WM zu einer Zunahme ‚gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit‘ gekommen ist.

Ganz unverkrampft

Dass heute sorgenvolle Pegidisten ganz unverkrampft neben Nazi-Kadern stehen und ‚Wir sind das Volk!‘ in den Abendhimmel grölen, hat eine Vorgeschichte“, schrieb die taz bereits 2015. So was kommt eben von so was.

2018 sind wir da, wo die NPD 2006 schon hinwollte. Die Kommentarspalten sind voll von Attacken auf die beiden deutschen Spieler, die plötzlich zu Türken wurden. Fans fordern, Özil und Gündoğan aus der Mannschaft zu werfen, weil sie ein Foto mit dem türkischen Staatspräsidenten geschossen haben. Der Hashtag #NichtMeineMannschaft geht rum. Der pure Wahnsinn!

Die Spieler hätten ihr Recht auf das Deutschsein verwirkt. Dass die gleichen Menschen von Zensur und einer unzulässigen Gesinnungsüberprüfung faseln würden, wenn sich beispielsweise der bekennende PUR-Fan und ebenfalls Nationalspieler Toni Kroos mit Alice Weidel ablichten lassen würde und dafür Schelte erhielte (keine Angst, ist nicht passiert), ist klar. Dass das Foto der beiden Spieler mit Erdoğan reichlich dumm war, ebenfalls.

Realität der Superstars

Absicht oder durchdacht war die Aktion sicherlich nicht. So sprach sich Mesut Özil einst auch für die Armenien-Resolution des Bundestags aus und zog damit den Hass türkischer Nationalisten auf sich. Man darf davon ausgehen, dass Özil überall hineingeht, wo ihm die Tür aufgehalten wird.

Rio Ferdinand von Manchester United beichtete vor Kurzem, dass er nach dem Tod seiner Frau und dem Ende seiner aktiven Spielzeit feststellte, dass er nicht wusste, wie man in einem Supermarkt einkauft, einen Arzt aufsucht oder einen Flug bucht. Das ist die Realität der Superstars.

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Juri Sternburg
Juri Sternburg, geboren in Berlin-Kreuzberg, ist Autor und Dramatiker. Seine Stücke wurden unter anderem am Maxim Gorki Theater und am Deutschen Theater in Berlin aufgeführt. Seine Novelle "Das Nirvana Baby" ist im Korbinian Verlag erschienen. Neben der TAZ schreibt er für VICE und das JUICE Magazin.  
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10 Kommentare

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  • Gündogan hat nie einen Hehl aus seiner Abstammung gemacht. Osil betet als gläubiger Moslem öffentlich, 2014 auch für den Sieg der deutschen Mannschaft.

    Dad hat noch nie jemanden, ausser Gauland gestört. Daher allen deutschen Grillern Rassismus zu unterstellen ist eine Frecheit.

    Das man das Treffen zweier deutscher Nationalspieler kurz vor der WM mit einem Autokraten negativ bewertet ist kein Rassismus. Ist etwa Cem Özdemir ein Rassist?

    Bisher haben sich deutsche Nationalspieler mit politschen Äußerungen immer zurück gehalten. Gegen diesen Grundsatz hat insbesondere Gündogan, den ich bisher immer geschätzt habe, deutlich verstoßen.

    Es ist schon fast amüsant, wie Artikel gegen Rassismus, selbst von Rassismus und Diffamierung trost.

  • "Die Kommentarspalten sind voll von Attacken auf die beiden deutschen Spieler, die plötzlich zu Türken wurden."

     

    Wenn Gündogan Erdogan ein signiertes Trikot mit der Aufschrift "für meinen Präsidenten" schenkt, dann hat er sich damit selbst zum "Türken" gemacht.

    Wer das in Frage stellt, bestreitet, dass Gündogan ein intelligenter Mensch ist (Einser Abi!), der sich der Konsequenzen seiner Handlungen bewußt ist.

  • 9G
    98589 (Profil gelöscht)

    Vielleicht wäre es sinnvoll, Fussballspielern neben dem kicken auch so etwas wie Bildung nahe zu bringen.

    Sich mit einem Präsidenten fotografieren zu lassen, der mit Panzern über noch bewohnte Häuser rollt und eben diesen dann als "meinen geliebten Präsidenten" zu betiteln zeugt von absoluter Doofheit oder aber Ignoranz.

    • @98589 (Profil gelöscht):

      Gündogan hat ein Einser Abi!

      • 9G
        98589 (Profil gelöscht)
        @Jens Frisch:

        Kann ja sein, trotzdem fehlt die Bildung, was möglich ist und was nicht.

        Und ja, mir wird auch übel, wenn unsere Dame aus der Uckermark brav die Hand des Diktators hält und Kauder vor Heckler&Koch buckelt.

      • @Jens Frisch:

        Aber dass die Panzer aus Deutschland kmmen ist dann egal.

  • Ich bin auch dafür Özil und Gündogan rauszuschmeissen. Wer sind denn hier die Rechten oder die Faschos?

    Ich würde mal sagen Özil, Gündogan und nicht zu vergessen ihr geliebter Führer.

     

    Das jemand gleichzeitig Demokrat und türkischer Nationalfascho ist, passt nicht zusammen. Dann sollen sie doch für ihren Führer und sein Reich spielen.

  • Wer 2006 das Fahnengetue und das Schland-Gegröle kritisiert hat, galt noch als Spielverderber. Das war die Zeit, den Anfängen zu wehren. Jetzt sind die Anfänge vorbei.

  • Das ist einfach ein gefundenes Fressen für die Deutschländer. Dass sie damit nichts anderes erreichen als Erdogan Pressezeit zu verschaffen, mit ihrem "entweder Deutscher oder Türke!" die türkischstämmigen Deutschen vor den Kopf zu stossen und sie dazu zu bringen, sich hinter Erdogan zu stellen, ist ihnen entweder egal oder freut sie sogar noch, weil es ihre feuchten Träume vom großen vaterländischen ethnischen Bürgerkrieg ein Stückchen näher rücken lässt.

     

    Was dieses Geschrei aber auf jeden Fall beweist, ist dieser völlige Mangel an Größe und Souveränität, der diese Menschen immer wieder auszeichnet. Diese unglaubliche Emotionalität und Dünnhäutigkeit ist fast bemitleidenswert, auf jeden Fall aber eine Schwäche und gewiss keine Stärke.

    • @Mustardman:

      Gündogan und Özil brauchten keine "Deutschländer" (wie steht es mit Ihrem Hass?!), um sich als Türken zu verstehen.