piwik no script img

Kolumne LiebeserklärungDer Plastikstuhl

Uli Hannemann
Kolumne
von Uli Hannemann

Die Verseuchung durch Plastikmüll geht uns alle an, aber bislang bleibt echter Bewusstseinswandel aus. Das könnte sich nun ändern – auf die dreckige Tour.

Plastikstühle für den Arsch. Bevor wegen des Plastiks alles andere im Arsch ist Foto: MabelAmber / 3054 Bilder

G oogelt man nach „Plastikstuhl“, landet man zunächst beim Klappstuhl GUNDE von Ikea. Der kostet keine 6 Euro, und damit fängt das Problem auch schon an. Es gibt nämlich viel zu viel Plastik. Mittlerweile finden sich winzige Teilchen des Kunststoffs überall: in den Gewässern, in Duschgels, in unserer Kleidung, in der Luft. Und neuerdings auch im menschlichen Stuhl. Das ist scheiße.

Wer jetzt behauptet, „scheiß drauf, das sind eh nur mikroskopisch kleine Spuren, die merkt man gar nicht“, der vergisst, dass das Plastik immer mehr wird. Wir kennen die Bilder der Meeresoberfläche, auf der ein geschlossener Teppich aus Plastikabfällen schwimmt. In nicht allzu ferner Zukunft sind die Ozeane derart am Arsch, dass im Wasser mehr Plastik als Fisch zu finden ist.

Daher wird irgendwann auch so viel Plastik im Stuhl sein, dass man es eben doch spürt: vorbei mit Mikroplastik – fortan ist Makroplastik angesagt. Diese Vorstellung aber bringt endlich auch eine Klientel zum Nachdenken, die zu erreichen man bislang nicht einmal zu hoffen wagte und deren Mind Set sich nunmehr wie folgt entwickelt: Ficken, Fressen, Kacken. Popo aua.

Das verstehen sie, das macht ihnen Angst. Scharfkantige Joghurtbecher, spitze Ärmchen von Plastikdinosauriern, halbe Klappstühle reißen ihnen erst den Enddarm auf und beschädigen dann noch die Keramik. Auf diese Weise könnte selbst bei Donald Trump ein Umdenken über zumindest Einzelaspekte der Umweltzerstörung stattfinden, denn wie bereits Voltaire feststellte: Zum Scheißen geht auch der König allein. Dem Plastikstuhl verdanken wir somit eine klare pädagogische Wirkung, wenngleich „Pädagogik“ hier ein euphemistischeres Siegel ist als für die Stromstöße, mit denen man Regenwürmer auf zwei verschiedene Löcher konditioniert.

taz am Wochenende

Dieser Text stammt aus der taz am wochenende. Immer ab Samstag am Kiosk, im eKiosk oder gleich im praktischen Wochenendabo. Und bei Facebook und Twitter.

Was wir unseren neu gewonnenen Umweltfreunden lieber nicht verraten: Die Studien, auf welchem Weg wie viel Plastik in wie viele Körper und damit Stuhlproben gelangt, sind noch völlig unausgegoren geschweige denn repräsentativ. Und vielleicht ist der Materialzuwachs ja auch super und macht in Zukunft künstliche Hüften überflüssig, da wir alle immer stabiler werden und nicht mehr so leicht zusammenklappen. GUNDE lässt grüßen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Uli Hannemann
Seit 2001 freier Schreibmann für verschiedene Ressorts. Mitglied der Berliner Lesebühne "LSD - Liebe statt Drogen" und Autor zahlreicher Bücher.
Mehr zum Thema

0 Kommentare