piwik no script img

Kolumne LiebeserklärungPolitik könnte wieder sexy werden

Gereon Asmuth
Kolumne
von Gereon Asmuth

Eine Kooperative Koalition, die den Parteien politischen Freiraum lässt, wäre genau die richtige Antwort auf den Erfolg der AfD.

Nein, die „Koko“ ist nicht Kokolores Foto: TOM

D as Pferd ist tot. Wer die BeobachterInnen des politischen Berlin fragt, bekommt fast nichts anderes zu hören. Die Koko, also die Kooperative Koalition, wird als Kokolores abgetan. Vor allem die Linken innerhalb der SPD hatten die Idee, dass sich die Partei mit der Union in zentralen politischen Themen auf ein gemeinsames Vorgehen einigt, in allen anderen Punkten aber freie Hand bekommt. Das soll nun also Kokolores sein. Aber warum eigentlich?

Weil Kokolores so gut zu „Koko“ passt? Ja, schöner Witz. Weil die CDU/CSU total dagegen ist? Ach, echt, seit wann ist die Union wieder so stark, dass sie ihren Willen durchsetzen kann? Weil – igitt – die SPD dann „fremdgehen“ könnte?

Da kommt man dem Problem schon näher. Die Koko wäre geradezu exotisch. Sie wäre ein Festival der Demokratie, ein Aphrodisiakum für die Debatten im Bundestag. Politik könnte wieder sexy werden. Kein Wunder, dass man im konservativen politischen Raum ob so viel Freizügigkeit die Nase rümpft.

Dabei würde die Koko es allen Parteien erlauben, ihr politisches Profil zu wahren. Unterscheidbar zu sein. Attraktiv zu bleiben. Sie von dem Vorwurf befreien, sich wegen des Koali­tionszwangs bis zur Unkenntlichkeit zu verbiegen. Ja, die Koko hätte ein Pro­blem: die AfD. Bei wechselnden Mehrheiten wird es Entscheidungen geben, die nur zustande kommen, weil auch die Rechtsextremen dafür waren. Aber das ist ein akzeptables Vorgehen, solange sich keine der anderen Parteien bei den Populisten mit Kompromissen anbiedert, um deren Zustimmung zu bekommen.

taz am wochenende

Dieser Text stammt aus der taz am wochenende. Immer ab Samstag am Kiosk, im eKiosk oder gleich im praktischen Wochenendabo. Und rund um die Uhr bei Facebook und Twitter.

Auf jeden Fall wäre das eine bessere Antwort auf den Bundestagseinzug der AfD als die nun wieder von allen Seiten hochgelobte Große Koalition. Die, da waren sich nahezu alle KommentatorInnen noch vor Kurzem einig, ist gleichbedeutend mit politischem Stillstand, fatal für den demokratischen Prozess, Doping für Populisten.

Nein, das Pferd ist nicht tot. Es fehlt nur der Mut, es zu besteigen. Denn die Koko ist wild, nicht einfach zu händeln. Wer sich in ihren Sattel traut, könnte sogar stürzen. Aber sie dürfte das Publikum anziehen, vielleicht sogar begeistern. Jedenfalls mehr als der festgefahrene Karren, an dem zwei Ackergäule in unterschiedliche Richtungen zerren, der neuerdings wieder als Zukunftsmodell gepriesen wird.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Gereon Asmuth
Ressortleiter taz-Regie
Leiter des Regie-Ressorts, das die zentrale Planung der taz-Themen für Online und Print koordiniert. Seit 1995 bei der taz als Autor, CvD und ab 2005 Leiter der Berlin-Redaktion. 2012 bis 2019 Leiter der taz.eins-Redaktion, die die ersten fünf Seiten der gedruckten taz produziert. Hat in Bochum, Berlin und Barcelona Wirtschaft, Gesellschafts- und Wirtschaftskommunikation und ein wenig Kunst studiert. Mehr unter gereonasmuth.de. Twitter: @gereonas Mastodon: @gereonas@social.anoxinon.de Foto: Anke Phoebe Peters
Mehr zum Thema

5 Kommentare

 / 
  • Ein teilweise aufgehobener (Laut Grungesetz eigentlich VERBOTENER!!!) Fraktionszwang, wäre doch etwas schönes! Eigentlich ist ein Abgeordneter ja nur seinem Gewissen verpflichtet, eigentlich. Eigentlich ist der Kommunismus eine tolle Idee! Eigentlich.

    Aber wer erwartet in einem Land wie Deutschtland denn bitte demoratische Verhältnisse?

    Es ist dem Wahlvolk ja nicht einmal möglich Leute abzuwählen.

    Bei den Bundestagswahlen 2009 und 2013 kandidierte Wolfgang Tiefensee (SPD) für den Wahlkreis Leipzig II, gewann diesen aber nicht. Dank Landesliste kam er trotzdem in den Bundestag...

    Warum haben wir eigentlich so ein großes Parlament, wenn am Ende doch die Pareispitze bestimmt wie die Fraktion abstimmt? Volkskammer lässt grüßen...

  • Wenn jetzt von einer "kooperativen Koaliton" die Rede ist: hat sich eigentlich mal jemand gefragt, ob das bedeutet, dass eine andere Koalition dann nicht kooperativ ist?

    Ist doch einfach eine schwachsinnige Wortschöpfung um der SPD zu ermöglichen, eine GroKo zu machen, ohne sie so zu nennen. Wer fällt denn auf so einen Kram rein?

    • @Jalella:

      Denken Sie über den Unterschied einfach noch mal nach. Sie kommen bestimmt noch drauf.

  • Danke, @Gereon Asmuth - endlich traut sich mal jemand, diese Diskussion aus dem dürftigen Dobrindt-Niveau herauszuholen; es ist schon überaus peinlich, wie oberflächlich andere "Qualitätsmedien" mit dem wichtigen Thema umgehen - Hauptsache SPD gebasht, dem Herdentrieb folgend.

     

    Inhaltlich kann ich Ihrer kompletten Darlegung nichts hinzufügen, aber Sie wissen vermutlich so wie ich, dass Merkel und Union ausschließlich an einer bequemen Schlafwagen-GroKo interessiert sind und deshalb - mit einem langen Finger auf die "verantwortungslose" SPD zeigend - eher Neuwahlen ausrufen wird.

     

    Hätte Merkel Charakter (und hätten die Medien die Traute, entsprechenden Druck aufzubauen), würde sie - in Wahrnehmung ihrer Verantwortung für das Land (und erst weit danach für die Partei) - die Fraktionsgemeinschaft mit den schwarzbraunen Brüdern und Schwestern aus den südlichen Hinterwäldern aufkündigen und eine CDU-SPD-Grüne-Koalition anstreben, statt von der SPD die Selbstaufgabe zu verlangen.

     

    (Zur Klarstellung: Ich bin kein SPD-Wähler.)

  • "Eine Kooperative Koalition..."

     

    Alter Wein in neuen Schläuchen und die Hoffnung, dass der (dumme) Wähler es nicht merkt.