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Kolumne LiebeserklärungTSV 1860 München!

Der Abstieg, die Randale, der Investor, das Stadion, das Spiel – alles stößt mich ab. Doch ich bin Fan. Warum auch immer.

Es war das Leben, das wir bei dem Klub gesucht haben Illustration: Tom

D ann steig doch ab, du wunderschöner TSV, du Drecksverein, den ich so liebe! Du bist so hässlich, und ich finde dich nur schön. Du bist so arm, dass ich dich einfach sexy finden muss. Dein Gönner ist so blöd, dass es eine wahre Freude ist für mich. Du spielst so schlecht und ohne Löwenmut – ich kann nicht sagen, warum mir das gefällt. Miese Fans hast du, Schläger sind dabei und Nazis. Auch ich bin Fan. Ich bin es einfach, fragt mich nicht, warum!

Verschwind, du blaue Sau, hau ab in eine Liga ganz weit unten! Ich denk an dich. Ich schaffe es doch sowieso nicht, dich aus meinem Herzen zu verbannen. Ich streiche mit der Hand über meinen weiß-blauen Schal. Ich habe so oft behauptet, dass ich mir den selbst gestrickt habe, bis ich es selbst geglaubt habe. Ich denke an Plattling, an Forchheim, an Weiden in der Oberpfalz. Es war schlimm damals und es war wunderbar.

Ich denke an den Hans, der unsere Jahreskarten im Lager seines kleinen Rewe-Ladens aufbewahrt hat, an seine Frau, an den Robert und den Stefan. Der ist vergangenes Jahr gestorben. Was ist schon ein Abstieg? Das war wirklich traurig. In der Westkurve haben wir uns kennengelernt und so richtig gut gekannt haben wir uns nach einer Auswärtsfahrt. War es Neunkirchen, Offenbach oder Kassel?

Was haben wir geweint! Meine erste Wohnung habe ich bekommen, weil die Verwalterin ein blaues Herz hatte. Über die Champions League haben wir nie miteinander gesprochen und über Taktik sowieso nicht.

Das Aus

Der Traditionsverein TSV 1860 München verabschiedet sich aus dem deutschen Profi-Fußball. Wie Investor Hasan Ismaik am Freitag mitteilte, verweigert er eine nötige Millionenzahlung,wodurch eine Lizenzerteilung für die 3. Liga durch den Deutschen Fußball-Bund nicht möglich ist. (dpa)

Es war das Leben, das wir bei dem Klub gesucht haben. Wir haben es in der Bayernliga gefunden und uns im riesigen Olympiastadion in der Bundesliga beinahe mal verloren. Dein Fußball war armselig und doch so wunderbar. Dein Spielmacher langsamer als eine Schnecke, und doch war er magisch. Ein Wirt hat deine Seele verhökert, seitdem spielst du in einer Riesenschüssel am Müllberg. Es stinkt gewaltig.

Was bleibt, ist die Erinnerung, sie ist ein Paradies, aus dem man nicht vertrieben werden kann. Und ein bisschen Hoffnung. Abstieg ist kein bisschen wie sterben. Das Leben geht weiter.

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Andreas Rüttenauer
Sport, dies und das
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13 Kommentare

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  • Wenn ich das Wort "Traditionsverein" sehe, dreht sich mir inzwischen nur noch der Magen um.

     

    Andererseits ist es ja doch ein hübsches Detail, dass durch die Versenkung des ultimativen "Traditionsvereins" in der Bayernliga (oder wo auch immer) nun wohl ausgerechnet der SC Paderborn vor dem 3fach-Abstieg gerettet wird. Paderborn, echt jetzt? Ein Verein, der allein durch die Verpflichtung eines gewissen Herrn Effenberg als "Trainer" die sofortige Versetzung in die C-Klasse Südostwestfalen Mitte verdient gehabt hätte.

     

    Über die Saison gesehen gleicht sich alles aus, sagense ja gerne. Oder über die Jahrhunderte. Oder auch nicht.

     

    Da lob' ich mir doch Hoffenheim, oder Leipzig, oder - na ja, mal sehen. Ich bleib einstweilen, was den Besuch von Live-Veranstaltungen angeht, lieber beim Handball.

  • Dazu. Mal einer aus der Kiste -

     

    "Vor fast zehn (sic!) Jahren schrub ich mal was zur Klimathematik und Energiewende (v`dammt lang häär): https://blogs.taz.de/wortistik/2007/08/13/erwaermungsbranche/

     

    "Die Herren Finanzminister und Wirtschaftsminister freuen sich über die Beschäftigung, die in der alternativen Energieerzeugung produziert wird – und über die Steuern, die dadurch anfallen. Es gibt schon Pläne, die Hausbesitzer verpflichten wollen, Teile der Energie für den Eigenverbrauch durch Solardächer und/oder Wärmepumpen zu erzeugen. Wie ist denn dabei der Nettonutzen? Hat schon jemand den gigantischen Energiebedarf berechnet, der im Zuge der Herstellung, Montage und Wartung dieser Anlagen anfallen wird? Aber es gäbe viel Beschäftigung und viel Steuern. Die Steuern kann man den Hausbesitzern dann ja wieder als Subventionen zukommen lassen. Dann gibt es auch noch Beschäftigung in den Finanzämtern.

     

    ff

    • @Lowandorder:

      Sorry - have a look at http://www.taz.de/!ku36271/

      kurz - gestern eins von den …?

      War wohl schlecht!;)

      • 6G
        61321 (Profil gelöscht)
        @Lowandorder:

        Nicht so viel Fenster en même temps im Browser öffnen bewahrt einen vor so mancher Pein ;)

        dann kann man auch getrost noch a Tannezäpfle mehr aufmachen

        • @61321 (Profil gelöscht):

          Geht klar.

          Aber eher so einer aus der Kategorie W.B.

          "Selbst ein altes erfahrenes Schwein -

          Fällt kopfüber ins Faß hinein!"

           

          (iphone & distance of glasses!;) - You know!

  • Wie erfrischend. Ein Artikelautor, der die Erinnerungen meiner Jugend bzw. jungen Erwachsenenlebens teilt.

     

    In Neunkirchen war ich auch und im Stadion am Wasserwerk in Weiden, da schüttete es in Strömen. Danach sind wir noch in die DDR gefahren, die es offiziell nur noch wenige Wochen geben sollte. So waren wir auch mal in diesem Land, bevor es in der Bundesrepublik aufgehen sollte.

     

    Übrigens dachte ich mir in meiner Jugend gar nichts dabei, dass da einer, der Helmi, mit weiß-blau lackiertem Wehrmachtshelm stand (wobei ich ihm auch heute keine politische Motivation unterstellen möchte).

  • Einmal Löwe immer Löwe - Kimm Andi, trink ma a Hoibe!

  • ach ja - achtafuchzg, neinafuchzg, sächzig, sächzig - doch die Löwen kommen wieder, denkdanix, lieber Andi!

    Herzliche Grüße von am anderen oidn Löwen-Fän - ja mei...

  • In dem argentinischen Spielfilm ‚In ihren Augen‘ (El secreto de sus ojos) versucht der Justizangestellt Pablo Sandoval seinem Chef Benjamín Esposito zu erklären, dass mann alles in seinem Leben austauchen kann, aber niemals die Leidenschaft für seinen Club.

    Ein KSC-Fan am Río de la Plata.

  • "Der Abstieg, die Randale, der Investor, das Stadion, das Spiel – alles stößt mich ab. Doch ich bin Fan. Warum auch immer." Der Grund ist sehr einfach: Der Fan hat eine eingegrenzte Sicht der Dinge.

    • @reblek:

      Na, offensichtlich sieht er es ja doch, folglich ist die Sicht gar nicht so eingegrenzt. Vielleicht ist das vergleichbar mit einem/r untreuen Partner/in, bei der man trotzdem bleibt.

      • @anteater:

        ;)) Däh. Sach ich mal so & frei

        Euch zwei drei -

        Kommste mit Logik -

        Eh nich bei!;))

        Normal.

         

        Nu. Was dem Soldat die Braut

        Der Gehörnte schwer am

        Stumpen kaut!

        Na & Der Fan - im Geist - allein -

        Das Runde ins Eckige haut!

        kurz - Otze mach ihn rein!

        (o.s.ä. - ;)) klar - Auch wieder wahr!

        • @Lowandorder:

          Genau, mit Logik hat ein Fandasein üblicherweise nichts zu tun, gut erkannt. Liebe übrigens auch nicht.