Kolumne Liebeserklärung: Preisträgerin Patti Smith

Sie ist eine Ikone, hochpolitisch und kraftvoll. Niemand könnte Bob Dylan bei der Nobelpreisverleihung besser vertreten.

Patti Smith singt leidenschaftlich und streckt die Faust in die Luft

Patti Smith ist die beste Stellvertreterin. Hier bei einem Auftritt im Juli Foto: dpa

Stellvertreterin sein ist eigentlich ihre Sache nicht. Patti Smith ist eine Frontfrau – bei ihr ergibt diese Bezeichnung wirklich Sinn. Denn das Bühnendasein hat bei der New Yorker Punkikone oft mit Auflehnung zu tun. Erst recht im fortgeschrittenen Alter: Als die 69-Jährige zuletzt auf Europatour „People Have The Power“ sang, schwang diese Power in ihrer Stimme mit. Frisch und gut!

Am Samstag tritt sie bei der Verleihung des Literaturnobelpreises stellvertretend für Bob Dylan auf. Der so geniale wie stoische Preisträger reist wegen „anderer Verpflichtungen“ nicht nach Stockholm. Smith soll sein „A Hard Rain’s a-Gonna Fall“ singen, gemeinsam mit dem Royal Stockholm Philharmonic Orchestra.

Patti Smith ist die beste Stellvertreterin. Sie steht für Geradlinigkeit. Vor den US-Wahlen hat sie die Verrohung der amerikanischen Demokratie beklagt, den Wahlkampf als unwürdig bezeichnet. Sie ist eine Kämpferin für Liberalismus und Humanität; aber auch eine, die weiß, was die Leute hören wollen.

Als jemand aus dem Publikum bei einem Polittalk vor der Wahl „Patti for President“ schrie, sagte sie: „Ich würde eher die Böden in öffentlichen Schulen wischen, denn als Präsidentin zu kandidieren.“

Alexander Gauland galt als kluger Konservativer, mit dem Linke gern debattierten. Nun dirigiert er die AfD immer weiter nach rechts – und will so in den Bundestag. Warum er sich so entwickelt hat, lesen Sie in der taz.am wochenende vom 10./11. Dezember 2016. Außerdem: In der deutschen Hackerszene tobt ein Kampf um Sex, Moral und Macht. Ein Netz-Krimi. Und: Eine Begegnung mit der marokkanisch-französischen Autorin Saphia Azzeddine. Am Kiosk, eKiosk oder gleich im praktischen Wochenendabo.

In Stockholm wird sie auch all seine Fans vertreten; jene, die in seinen Songs einen ganzen Lebensentwurf sehen. Smith selbst wurde stark von Dylan geprägt. Sie vertritt zudem die 60er Counterculture, deren Verdienste mit dem Nobelpreis auch gewürdigt werden. Eine Frau, zumal eine, die Geschlechtergrenzen mit Leatherboots und Anzug locker überschreitet, ist genau die richtige.

Ästhetisch gibt es gravierende Unterschiede zwischen Smith und Dylan – diese näher an der engagierten Kunst, jener Verfechter der künstlerischen Autonomie. Auf die von Dylan eingereichte Rede, die ein Komiteemitglied verlesen soll, darf man gespannt sein. Patti Smith aber ist für die Akademie ein Glücksfall. Die Frau mit dem fransigen Haaren wird sicher so gut singen wie der Mann mit dem Zylinder – und vielleicht sogar weise Worte zur Weltlage finden.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Wir würden Ihnen hier gerne einen externen Inhalt zeigen. Sie entscheiden, ob sie dieses Element auch sehen wollen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.

ist Redakteur im Ressort wochentaz. Er schreibt vor allem über Musik, Literatur und Gesellschaftsthemen.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.