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Kolumne LiebeserklärungDie Wiesn

Dirndl, zertrümmerte Maßkrüge und am Ende eine Entgiftungskur: Das Oktoberfest ist der wunderbare bayerische Ausnahmezustand.

Hirschlederne und Schuhe aller Art: Oktoberfest abwärts der Taille fotografiert. Bild: ap

N un bist du fast wieder vorbei, du geliebtes bajuwarisches Sodom und Gomorra. An diesem Wochenende schon wird die letzte Million Besucher aus München und der Welt den für dieses Jahr letzten Maßkrug mit köstlichem würzig-starken Wiesnbier selig leeren und womöglich am Ende, aus Wehmut, weil es doch so schön war und man eigentlich noch lange nicht nach Hause wollte, denselben zertrümmern.

Zum letzten Mal werden sich Menschen, die sich eigentlich gar nicht kennen, aber aus Platzmangel zufällig auf eine Bierbank quetschen mussten und dann von Maß zu Maß und von Prosit zu Prosit mehr und mehr lieben lernten, in den Armen liegen und gemeinsam ein „Heeeeeeey, hey, Baaaaby“ grölen.

Bald schon müssen die feschen Dirndl, in denen jede Frau, ganz gleich welcher Figur, gut aussieht, und die Hirschledernen, die den Männern etwas so charmant Kerniges verleihen, wieder zurück in den Schrank und dort ausharren und warten, bis es im nächsten September endlich wieder von Neuem heißt: O’zapft is.

Ich werde dich vermissen, du wunderbarer bayerischer Ausnahmezustand, in dem jeder Münchner Arbeitgeber nur milde lächelt, wenn man am Morgen mit Kopfschmerzen im Büro erscheint. Diese 16 Tage, an denen grundsätzlich schönes Wetter ist, als hätten die Wiesnwirte und die Stadtoberen Petrus höchstpersönlich ein ordentliches Bestechungsgeld gezahlt.

Ein herzliches „Vergelt’s Gott“ rufe ich dir zu auf den letzten Metern: für die wilden Fahrten durch den Nachthimmel, als unter mir die bunten Lichter blinkten, für die Plastikrosen, die an der Schießbude keiner mehr traf, und für die Küsse, die so herrlich nach gebrannten Mandeln schmeckten. Bis zum nächsten Jahr, geliebte Wiesn. Komm bald wieder. Ich mach’ jetzt erst mal eine Entgiftungskur.

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Marlene Halser
Freie Autorin
Geboren 1977 in München, war von 2011 bis 2019 zunächst als Bayernkorrespondentin, dann als Redakteurin und später als Ressortleitung im Ressort taz2 (Gesellschaft und Medien), sowie als Content SEO bei der taz. Jetzt ist sie wieder als freie Autorin unterwegs.
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4 Kommentare

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  • "Küsse, die so herrlich nach gebrannten Mandeln schmeckten" erzählen Sie das mal den vielen Opfern, dieses "bayerischen Ausnahmezustandes", den vergewaltigten Frauen, aber über sowas macht sich der Wies'n-Besucher anscheinend keine Gedanken ; )

  • "als hätten die Wiesnwirte und die Stadtoberen Petrus höchstpersönlich ein ordentliches Bestechungsgeld gezahlt."

    Das ist in Bayern nicht auszuschließen.

  • PI
    Punk in Drublic

    Was sicher sehr zutrifft, aber es gibt auch intelligente und klassenbewusste Säufer die sich nix mehr schöntrinken können.

    Auf dem Oktoberfest wahrscheinlich weniger, da trifft sich sicher eher die dumpfe Masse die genau deshalb da ist.

  • "Die Droge ist von jeher eines der übelsten Mittel gewesen, den Menschen das Bewusststein dafür zu rauben, dass sie zu den Opfern der gesellschaftlichen Entwicklung gehören. Alkohol hat in der Arbeiterschaft schon lange genau diese Funktion." - Jürgen Quandt in "Wir Kinder vom Bahnhof Zoo"