Kolumne Leuchten der Menschheit: Die Rettung des linken Projekts
Chantal Mouffe lehnt Konsens ab: Sie sympathisiert mit Syriza und Podemos, weil sie antagonistische Konflikte entfachen.
R adikaldemokratisch, antineoliberal, populistisch, so habe eine neue Linke zu sein, sagte Chantal Mouffe kürzlich in Hamburg. Die 72-Jährige ist die eine Hälfte des Theoretikergespanns Laclau/Mouffe, ihr Mann Ernesto Laclau starb im vorigen Jahr. Die beiden gelten als Vordenker von Syriza, jedenfalls bevor das linke Bündnis von Alexis Tsipras in Richtung Realpolitik geführt wurde. Und mancher Parteigenosse hat wie Exfinanzminister Gianis Varoufakis bei Laclau in Essex auch studiert.
Lauscht man dieser Tage im Kampnagel-Theater dem Vortrag von Chantal Mouffe über die Zukunft der Demokratie, versteht man sofort, was da im Hörsaal gefunkt hat. Auf dem Plan steht die Rettung des linken Projekts, und zwar indem man das Konzept vom Konsens ablehnt. Schließlich habe es, so die luzide Ableitung, die traditionellen sozialdemokratischen Parteien zum permanenten Jasagen und damit in die Teufelsküche des Neoliberalismus gebracht, weshalb sie nun von den konservativen Parteien kein bisschen mehr zu unterscheiden seien.
Geschrieben stehen die an Carl Schmitt geschulten Thesen auch in Mouffes jüngstem Buch „Agonistik – Die Welt politisch denken“ (Suhrkamp, 2014). Laclau/Mouffe sahen ihre Vorstellungen bei den lateinamerikanischen linkspopulistischen Parteien verwirklicht.
Sie sympathisiere mit Syriza und Podemos, verkündet Mouffe vor gut gefülltem Saal, das seien Leidenschaften bindende Bewegungsparteien, wie sie Europa bräuchte. Die beiden würden antagonistische politische Konflikte aufmachen, also solche, die nicht zu lösen sind; und man spürt, welch Freude das der kleinen Frau mit dem Pagenschnitt ist. Nur dass Politik, so gesehen, pures Machtspiel ist, und am Ende stets der Stärkere gewinnt. Da ändert sich dann entweder nichts oder alles. Verhandeln muss keiner. Aber Wundenlecken, das muss man schon mögen.
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