piwik no script img

Kolumne KulturbeutelDer Wildmoser aus dem nahen Osten

1860 München-Investor Hasan Ismaik hat seine Lektion gelernt: Nur wer sich als einfacher Mensch zu inszenieren weiß, hat Chancen bei den Fans.

Multimillionär Hasan Ismaik (l.) will 1860 München so groß wie den FC Bayern machen. Bild: dpa

D ie kleinen Leute sind mal wieder gefragt. Natürlich von einem ganz Großen. Er braucht sie, um endlich entscheiden zu können, wohin die Reise des TSV 1860 München gehen soll. 27 Millionen Euro hat der Jordanier in den anderen Münchner Klub investiert und hat doch nichts zu sagen. Jetzt will Ismaik den Verein, der seiner Meinung nach so schlecht geführt ist, kapern, will die Mitglieder auf seine Seite ziehen, will sie als Fans ansprechen, als die guten, kleinen Leute.

Eine edle Auswahl kleiner Leute hat Ismaik zur Christl eingeladen, der Wirtin der Stüberls am Trainingsgelände des TSV 1860, bei der es noch bayerische Mehlschwitzensoßenküche statt Semmelknödelcarpaccio gibt. Der Jordanier, der in Abu Dhabi seine Geschäfte macht, berichtet den einfachen Leuten, dass Vereinsgeschäftsführer Schäfer eine Essensrechnung in einem noblen Hotel in München mit der Vereinskreditkarte bezahlen wollte, obwohl er, der reiche Mann aus dem Nahen Osten, doch angeboten hatte, zu zahlen. Da hat er sein Ziel fürs Erste erreicht. Es wurde gejohlt und gebuht.

Später hat Ismaik dann gesagt. „Sie fahren mit teuren Autos, um die Spiele kostenlos anzuschauen. Sie zahlen nicht für das Ticket. Sie genießen ihr Leben als Mitglieder des Aufsichtsrats. Der Fan arbeitet und zahlt. Ich muss nur die Fans respektieren.“ Und was nicht fehlen durfte, war der Satz: „Ich bin ein einfacher Mensch, ich mag die einfachen Menschen.“

Bild: privat
Andreas Rüttenauer

ist Sport-Redakteur der taz.

Ismaik hat seine Lektion gelernt: Nur wer sich als einfacher Mensch zu inszenieren weiß, der hat Chancen bei den Fans. Das war bei Karl-Heinz Wildmoser auch schon nicht anders. Der Aufstiegspräsident, unter dem die Blauen sogar mal um die Qualifikation für die Champions League spielen durften, hat es zunächst auch geschafft, als bodenständig wahrgenommen zu werden, obwohl er das als Großgastronom und Immobilienhai nun wahrlich nicht gewesen ist.

Auch Wildmoser hat sich regelmäßig zur Christl ins Stüberl gesetzt und so getan, als würde er dem Volk aufs Maul schauen. Dass dieses alles andere wollte, als ein Stadion im Münchner Norden zusammen mit dem FC Bayern zu bauen, muss er da gehört haben. Als Despot war es ihm am Ende wurscht.

Einfach mal „Watschenbaum“ lesen

Und so werden Ismaik die Anliegen der Fans am Ende auch wurscht sein. Es sei denn, er macht sich wirklich die Mühe, den Verein, den er so gern so groß machen würde wie Bayern München oder Borussia Dortmund, wirklich zu studieren. Als Einstiegslektüre sei ihm hier der Roman „Watschenbaum“ von Egon Günther empfohlen.

In dem wird das Aufwachsen und Erwachsenwerden des Cornelius beschrieben, der nach dem Krieg bei seinen Großeltern, später bei Onkel und Tante in Obersendling lebt, der zu spüren bekommt, wie die Kinder der Zuzügler mit den guten Jobs über ihn lachen, als er vor der Klasse sagen muss, dass sein Ernährer Kraftfahrer ist, und dessen Mitschüler ihn fragen, wer eigentlich der Penner ist, der bei ihnen in der Wohnung immer im Unterhemd am Küchentisch sitzt und eine Halbe Bier trinkt.

Einfach geht es in diesem Münchner Vorstadtleben zu. Und natürlich ist Cornelius ein glühender Fans des TSV 1860, steht in der Westkurve oder als kleinerer Bub noch hinter dem Tor und schaut nicht nur dem Spiel der Meister aus den 60er Jahren zu, sondern auch hinüber zur Stehhalle im Grünwalder Stadion, wo sich die einfachen Männer drängeln und schon mal das Spielfeld stürmen, wenn sie nicht damit einverstanden sind, wie der Schiedsrichter pfeift.

Das Vaterunser dieser Männer ist die Aufzählung ihrer Meister-Helden: Radenkovic, Kohlars, Heiß, Küppers, Grosser, Lüttrop, Brunnenmeier, Wagner, Bena, Reich, Rebele … Sie beten es oft, weil es ihnen Hoffnung gibt in ihrem Leben, das oft nicht viel mehr für sie übrig hat als Watschen.

Die Christl vom Löwenstüberl hat sicher viele dieser Leute ein und aus gehen sehen. Vielleicht kann sie diese einfachen Menschen verstehen. Wird Hasan Ismaik sie je verstehen können? Dass er sie braucht, das hat er schon mal kapiert.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Andreas Rüttenauer
Sport, dies und das
Mehr zum Thema

3 Kommentare

 / 
  • M
    mister.frank

    nach soviel Belanglosigkeit könnte die TAZ sich ja mal diesem Thema widmen. Traut Euch!

     

    http://www.sueddeutsche.de/sport/gewalt-im-tuerkischen-fussball-im-ernstfall-schweigt-die-uefa-1.1674848

  • A
    anke

    Verstehen, behauptet Wikipedia, sei "das inhaltliche Begreifen eines Sachverhalts, das nicht nur in der bloßen Kenntnisnahme besteht, sondern auch und vor allem in der intellektuellen Erfassung des Zusammenhangs, in dem der Sachverhalt steht".

     

    Von Hasan Abdullah Mohamed Ismaik weiß das Lexikon nur, dass er vor seinem BWL-Studium in "einfachen Verhältnissen" gelebt hat. Ich kann mich natürlich irren, aber ich schließe daraus, dass der milliardenschwere Unternehmer Ismaik im Grunde wirklich noch das ist, was er unter einem "einfache[n] Menschen" versteht. Hätte der Mann nämlich "kapiert", hätte er vermutlich einen mindestens 11-zeiligen Lebenslauf verfassen lassen. So, wie Uli Hoeneß, der Wikipedia unter anderem ausrichten lässt, er hätte einen Metzger zum Vater, einen ebenfalls fußballaffinen Bruder, Diskriminierungserfahrungen als Nichtbayer, ein Studium abgebrochen und eine Befreiung vom Bund erhalten, "weil ihm das Helmtragen Kopf- und Knieschmerzen verursachte".

     

    Wenn Hasan Ismaik, was seine Performance vermuten lässt, die "einfachen Menschen" tatsächlich nicht versteht, dann liegt das aber vermutlich nicht an seinem vielen Geld. Im Gegenteil. Ismail hat mit der "intellektuellen Erfassung des Zusammenhangs" zwischen fremder Begeisterung und eigenem Vorteil offenbar ähnlich große Probleme, wie der größere Teil der TSV-1860-Fans. Mit anderen Worten: Ismaik VERSTEHT die sogenannten kleinen Leute nicht, er FÜHLT mit ihnen. Vielleicht ist ja auch er unterm Watschenbaum groß geworden.

     

    Auch Hasan Ismaik betet. Und er glaubt fest daran, dass ihm das helfen wird. Neben Radenkovic, Kohlars und Heiß betet er den heiligen Fan an – in der Hoffnung auf ein Wunder. Aber der Heilige Fan ist nur ein Mensch, kein Gott. Er kann keine Wunder. Er kann sich nur geschmeichelt fühlen, wenn man ihm zur Abwechslung mal sagt, dass man ihn ganz, ganz dringend braucht. Dann ackert und zahlt er. Hoeneß und seine Berater wissen das. Vielleicht haben es ihnen die heiligen Würste erzählt.

  • M
    Markus

    Der Clown soll besser wieder nach Hause gehen.