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Kolumne KonservativEin ganzer Kerl namens Scarlett

Matthias Lohre
Kolumne
von Matthias Lohre

Verändern Film-Heldinnen wie „Lucy“ das konservative Action-Genre? Hoffentlich nicht. Unser Autor will im Kino nämlich schlafen.

Jemand kriegt gleich richtig Probleme. Die Frau ist es nicht. Bild: dpa

A ls ich neulich zum 16. Mal „Stirb langsam“ sah, war ich zufrieden. Wie schön, dachte ich: Manches ändert sich nie. In Hollywoods Action-Filmen töten männliche Helden verlässlich jeden, der nicht bei drei auf den Bäumen ist, und am Ende vielleicht gar den Schurken. Das regelmäßig totgesagte Genre lebt ebenso regelmäßig wieder auf. Im neuen Teil seiner „Expandables“-Reihe lässt Sylvester Stallone gleich dutzendweise Muskelpakete antreten – und Harrison Ford.

Wie schön, dass manche Tradition erhalten bleibt, dachte ich, bevor im Filmfinale das Hochhaus, das Flugzeug oder das Schiff explodieren. Was genau es war, weiß ich nicht mehr. Ich schlief vorher sanft ein. Denn wenn es etwas gibt, das an mir konservativ ist, dann meine Sehnsucht nach Überschaubarkeit im Kino. Action-Filme finde ich in ihrer Regelmäßigkeit beruhigend wie Gläubige das Rosenkranz-Beten: Männer kämpfen, Dinge explodieren, Abspann, Stuhlgang. Doch dann hörte ich von „Lucy“.

Seit August kämpft im Kino wieder ein Übermensch allein gegen finstere Gestalten – wie Bruce Willis in „Stirb langsam“. Ihm wachsen Superkräfte zu – wie Keanu Reeves in „Matrix“. Nur heißt der ganze Kerl Scarlett Johannsson.

„Lucy“ ist der jüngste Höhepunkt eines rasanten Wandels. Spider-Man von DC Comics heißt nicht mehr Peter Parker, sondern Miles Morales und ist halb schwarz, halb Lateinamerikaner. Die Comicfigur Green Lantern wurde vor zwei Jahren schwul, und Northstar durfte seinen Freund gar heiraten.

„Expandabelles“?

Bei Marvel Comics wurde aus der blonden Ms. Marvel ein muslimisches Mädchen. Sylvester Stallone will angeblich gar einen „Expandables“-Film mit weiblichen Helden produzieren. Sigourney Weaver („Alien“ 1 bis 4) soll mitmachen. Arbeitstitel: „Expandabelles“.

Als ich von „Lucy“ hörte, bangte ich um meinen Rosenkranz-Ersatz. Muss ich mich jetzt auf unerwartete Drehbuch-Wendungen gefasst machen? Entsteht ein neues Action-Genre, das die gewandelten gesellschaftlichen Rollenerwartungen an Frauen und Männer in neue Bilder fasst? Ich fürchtete um Kämpfe, Explosionen, Abspann und Stuhlgang. Und um meinen Schlaf. Dann sah ich den Trailer für „Lucy“.

Die Geschichte geht so: Böse chinesische Männer pflanzen Partygirl Lucy (Johannsson) Drogen in den Leib, um sie als unfreiwillige Kurierin loszuschicken. Die Drogen werden versehentlich freigesetzt, und Lucy entwickelt immer gewaltigere Geisteskräfte, die sie gar Zeit und Gegenstände kontrollieren lassen. Sie rächt sich an den bösen Männern. Erschießt weitere Männer. Sucht einen weisen – männlichen – Wissenschaftler. Und nimmt sich dabei einen – männlichen – Polizisten zum treuen, aber trotteligen Gefährten.

Das Action-Genre hat also nur seine Vorzeichen ausgetauscht: Der Held behält alle klassisch männlichen Eigenschaften: Er kämpft allein gegen böse Männer, und am Ende rettet er die Welt und eine Frau. Nur ist die Frau diesmal der Held selbst. Auf die DVD von „Lucy“ freue ich mich schon sehr. Guter Schlaf ist wichtig.

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Matthias Lohre
Schriftsteller & Buchautor
Schriftsteller, Buchautor & Journalist. Von 2005 bis 2014 war er Politik-Redakteur und Kolumnist der taz. Sein autobiographisches Sachbuch "Das Erbe der Kriegsenkel" wurde zum Bestseller. Auch der Nachfolger "Das Opfer ist der neue Held" behandelt die Folgen unverstandener Traumata. Lohres Romandebüt "Der kühnste Plan seit Menschengedenken" wird von der Kritik gefeiert.
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