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Kolumne Knoblauchzone #1Ein Caravaggio für Zagreb

Doris Akrap
Kolumne
von Doris Akrap

Kroatien wird bald EU. Doch die Nachrichtenlage zeichnet ein anderes Bild: Von Homo-Feindlichkeit und verbotenem Sexualkundeunterricht in Schulen.

Krasse Kontraste in Kroatien. Bild: reuters

A ußer einer mickrigen Tribüne ist auf dem Ban Jelacic, dem zentralen Platz in der Zagreber Innenstadt, nichts davon zu sehen, dass hier in der Nacht auf den 1. Juli die größte staatlich organisierte Party in der Geschichte des Landes stattfinden soll. Noch vergangene Woche wurden dort Unterschriften „gegen die Schwuchteln“ gesammelt: „Im Namen der Familie“ unterzeichneten 500.000 der 4,5 Millionen Kroaten einen Antrag auf Volksabstimmung gegen die Homo-Ehe.

Auch ansonsten sah die Nachrichtenlage wenig nach EU aus: Das kroatische Verfassungsgericht erklärte den Sexualkundeunterricht in der Schule für verboten. Die Medien taten so, als ob Kroatien die Champions League gewonnen hätte. In Split und Rijeka wurden riesige Statuen aufgestellt, die den Staatsgründer Franjo Tudjman zeigen, dem in Den Haag posthum bescheinigt worden war, ein Kriegsverbrecher zu sein. Ein Olivenbauer erntete eine Tonne Oliven. Ein Lokalpolitiker bestach seinen Nachbarn.

Zwischendurch allerdings wurde auf dem Ban Jelacic auch friedlich für die Homo-Ehe demonstriert, begleitet von militanten Polizisten und Passantenrufen wie „Eure Seelen werden in der Hölle brennen!“ Die Demonstration war Topthema in den TV-Nachrichten. Es ist ja nicht so, dass die Mehrheit hier sofort jede Minderheit aus dem Land vertreiben will. Nein, die meisten würden ihnen – sofern sie Serben sind – mittlerweile sogar wieder ein Zimmer vermieten.

Wolfgang Borrs
Doris Akrap

ist taz-Redakteurin und aktuell drei Monate lang als Stipendiatin in Slowenien und Kroatien. Dort verfolgt sie den Countdown des kroatischen EU-Beitritts – am 1. Juli wird das Land der 28. Mitgliedsstaat der Europäischen Union.

Meine Nachbarin in Zagreb hat mich bei unserer ersten Begegnung gleich darüber informiert, dass der Mann aus dem zweiten Stock Serbe sei, aber nicht schwul. Auf die Frage, ob es denn ein Problem wäre, wenn er letzteres sei, lachte sie: „Wo denkst du hin. Wir sind doch bald EU. Da ist so was verboten!“

Ausgerechnet ein Caravaggio, mutmaßlich schwul, kam Mitte der Woche im Zagreber Museum für Kunst und Handwerk an: „Das Abendmahl in Emmaus“, eine Leihgabe der Italiener als Glückwunsch zum EU-Beitritt.

Warum die Italiener ausgerechnet den Chiaroscuro-Caravaggio und dessen Sicht auf die Offenbarung des auferstandenen Jesus ausgewählt haben, hat bislang niemand untersucht. Aber als ich das Foto des Gemäldes in der Zeitung sah, hatte ich eine Offenbarung: Kroatien ist ein Caravaggio-Gemälde mit krassen Hell-Dunkel-Kontrasten.

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Doris Akrap
Redakteurin
Ressortleiterin | taz zwei + medien Seit 2008 Redakteurin, Autorin und Kolumnistin der taz. Publizistin, Jurorin, Moderatorin, Boardmitglied im Pen Berlin.
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3 Kommentare

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  • A
    Anna

    Liebe Authorin,

     

    Tatsächlich wurden neulich Unterschriften unter dem Vorwand des Familienschutzes gesammelt-der Gerechtigkeit wegen sei erwähnt,dass sowohl die bürgerliche Gesellschaft Kroatiens,als auch die Regierung von dieser Initiative entschlossen Abstand nahm.Wenn Sie aber von Homoehen sprechen,und inwieweit es irgendwo nach EU aussieht oder nicht,bemerken Sie dabei bitte,dass sich in Deutschland auch keine entsprechende gesetzliche Regelung findet-ist das etwa nicht EU?

     

    Folglich handelt es sich bei gestopptem Sexualkundeunterricht um ein ganz logisches Ergebnis der juristischen Prüfung eines Verfassungsgerichts.An dieser Stelle sei angemerkt,dass es sich hierbei um die Feststellung eines reinen Verfahrensfehlers handelte-materiell hatte das Gericht nichts gegen den Inhalt des Fachs zu beanstanden gehabt.Die deutschen Juristen prüfen übrigens in der Begründetheit einer Verfassungsbeschwerde die Punkte Zuständigkeit,Verfahren und Form,bevor sie sich auf die materielle Prüfungsebene begeben.Diese Klage hätte auch hier Erfolg,falls sich ein Minister nicht an die entsprechenden Regelungen gehalten hätte.

     

    Dem "Staatsgründer" F.T wurde niemals bescheinigt ein Kriegsverbrecher zu sein.Posthum werden Menschen auch nicht verurteilt.Dies muss man mal loswerden,selbst wenn man nicht zu den Groupies des Herrn zählt.

     

    Die Polizisten bei einer Demo werden hier als "militant" bezeichnet.Ich gehe stark davon aus,dass Ihnen dieser Begriff etwas unklar ist.Oder sind Sicherheitsvorkehrungen ein Fremdwort?Gibt es die in DE etwa nicht?

     

    Ich erlaube es mir zu gutem letzt anzumerken,dass es sich bei Neonazimärschen,Verweigerung der Ausgabe von Verhütungsmitteln an ein Vergewaltigungsopfer,Gewalt auf den Straßen und sonstigen "fortschrittlichen" Ereignissen auch um EU handelt,genauso wie die Massenproteste gegen Homoehen in Frankreich zu EU gehören.Leider.

     

    Einen schönen Aufenthalt in Kroatien wünsche ich Ihnen.

  • VW
    Vera Westen

    Manchmal muss man dann eben doch nochmal eine andere Quelle nachschlagen. Zum Beispiel: http://de.wikipedia.org/wiki/Abendmahl_in_Emmaus_%28Caravaggio%29

  • PO
    Peter Osten

    Ich habe das Bild von Caravaggio anschauen wollen und hier gefunden: http://www.wikiartis.com/caravaggio/werke/

    Danach gehört es der National Gallery in London.

    Wie kann es dann eine Leihgabe der Repubblica Italiana sein ? ;-)