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Kolumne Immer bereitDie All-Macht des Autofahrers

In seinem Auto ist der Deutsche unbesiegbar. Scheiß auf Radfahrer, Fußgänger und anderes Gesocks. Doch das ist einfach asozial!

Unerhört, diese Selbstverständlichkeit beim Luft verpesten! Foto: dpa

Guten Morgen, liebe Leser! Heute schreibt die Autorin mal wieder über ein Thema, mit dem sie sich überhaupt nicht auskennt. Des Deutschen Liebstes und Einziges. Nein, nicht Fußball, auch wenn mir diese staatlich geförderte Korruptionsmaschine DFB fast ebenso auf den Sack geht. Ich rede vom Auto. Dem Automobil. Dem Kfz. Diese Kiste aus Blech und Glas, in die der Deutsche sich so gern einsperrt, mit der er verschmilzt, die ihm zur Rüstung wird, zum Superheldenkostüm, das ihm übermenschliche Kräfte verleiht.

In seinem Auto ist der Deutsche unbesiegbar. Zumindest von Radfahrern, Fußgängern und dem ganzen anderen schwächlichen Gesocks, auf das Rücksicht zu nehmen er ständig verdonnert wird. Dieses Geschmeiß, das da draußen rumkriecht und die Straße blockiert, seine Straße, die er mit seinen Steuergeldern bezahlt hat. Um darauf so schnell fahren zu können, wie er es für richtig hält. Er ganz allein. Schließlich sieht er alles, er ist stärker als hundert Pferde, über sein Telefon hat er die Welt am Draht und das Radioprogramm bestimmt nur er selbst. Der Mächtige, der Fahrer, der Führer der Maschine.

Mir machen Autofahrer Angst. Wie es mir generell Angst macht, wenn ein Mensch allein plötzlich zu viel Macht besitzt, als er kognitiv zu beherrschen in der Lage ist. Wie Donald Trump. Als der vor zwei Jahren zum Präsidenten des mächtigsten Landes der Welt wurde, habe ich vor Schreck einen Tag lang geheult.

Weil ich einem Kleinkind ja auch keine geladene Schusswaffe als Spielzeug geben würde.

Letztlich geht es um Macht

Alles, was der Mensch in Besitz nimmt, sich zu eigen macht, wird zum Teil seiner Identität. Erst der Teddy, dann das Handy, dann das Auto. Man kann das Ganze auch Liebe nennen. Mit seinesgleichen verfährt der Mensch da nämlich genauso, auch wenn das dann noch irgendwie romantisch verpackt wird, um gesellschaftlich akzeptiert zu werden, ansonsten siehe #MeToo.

Denn letztlich geht es um Macht. Wie immer. Die Macht des Einzelnen über das Ding, das Auto, die Straße, das Universum. Diese All-Macht soll nun beschnitten werden. Durch Dieselfahrverbote. Ist das nicht schrecklich?!

Nur so kann ich als Fahrradfahrerin ohne Pkw-Führerschein mir die Schlagzeile „Berlin drohen Fahrverbote“ erklären, die nämlich den Spieltrieb des Individuums für wichtiger erklärt als die Gesundheit vieler. Und kommt mir jetzt bitte nicht mit Lieferfahrzeugen!

Es sind nicht Lieferfahrzeuge, die den Großteil der Autolawine ausmachen, die jeden Tag die deutschen Innenstädte verstopft und die Luft verpestet. Es ist der Individualverkehr. Es sind Max Mustermann und Lieschen Müller, die es sich nicht nehmen lassen wollen, mit ihrem BMW-Diesel zum Biosupermarkt zu fahren, um ihren Fairtrade-Magermilchjoghurt zu kaufen, weil ihnen von konventioneller Milch angeblich übel wird, und nachher mit dem Hund in den Wald am Stadtrand zum Joggen, weil dort die Luft einfach besser ist. Nee, sorry, da hab ich kein Verständnis für. Das finde ich einfach asozial.

So. Nächsten Monat geht’s um Fußball.

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1 Kommentar

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  • Teddy-Handy-Auto-Friedhof... so läufts. Der Konsumzirkus und Extremindividualismus verwandelt Erwachsene zu Kindern. Der kleinste Kratzer auf dem Blechding, und für einen halben Tausender wird neu lackiert.



    Das Auto ist ein Fetischobjekt. Viele sind wie Festungen konzipiert, breit und dick und hermetisch abgeschottet. Zurück in die Höhle. Die Außenhülle schützt die zarte Psyche, aber nimmt allen anderen den Raum, engt sie ein, vergiftet sie. Innen ist es ja egal, ob man sich auf dem Mars befindet oder in einer Stadt mit anderen Menschen, man fährt an allem vorbei.



    Autos machen krank; Vielfahrer sind ganz oben auf der Liste der Gefährdeten, der Grundstress ist psychisch. Die Gifte, die zur Produktion eines Autos notwendig sind, müssen später irgendwohin, Milliarden von Tonnen entsorgt werden. Jedes Auto braucht zur Produktion 100.000 Liter Wasser, habe ich mal gelesen... Auf dem Gelände eines südfranzösischen Bauern fand ich beim Graben einmal Generationen von Citroens übereinandergestapelt und mit Erde überschüttet, ein Geschenk für die Archäologen der Zukunft, sollte es sie noch geben.



    Autos haben einst idyllische ländliche Gebiete in zugemüllte Stauzonen verwandelt, ein ewiges Dröhnen, Hupen und Quietschen begleitet den nicht mehr einsamen Wanderer. Das Dorf, aus dem ich stamme, hat inzwischen rush-hour!



    Ab und zu gibt es praktische Gründe, mit einem Gefährt etwas zu transportieren oder unzugängliche Gegenden zu erreichen. Wenn es danach ginge, wären die Straßen fast wie leergefegt. Fixer auf Entzug nehmen harte Ersatzmedizin. Autofahrer*n könnte man die leisen e-Bikes empfehlen. Und "critical mass" nicht vergessen:



    "Ab 16 Radfahrern dürfen diese als geschlossener Verband in einer Zweierreihe nebeneinander fahren und somit einen Fahrstreifen belegen (§ 27 Abs. 1). "