Kolumne Geht’s noch: Hetero-Only-Fantasien
Der malaysische Tourismusminister behauptet, dass es in seinem Land keine Homosexuellen gebe. Offenbar kennt er Malaysia nicht sonderlich gut.
Homosexualität? Ich glaube, wir haben so etwas nicht in unserem Land“, erklärte der malaysische Tourismusminister Datuk Mohamaddin Bin Ketapi in der vergangenen Woche auf der Internationalen Tourismusbörse (ITB) in Berlin. Die ITB hatte Malaysia zuvor als Partner auserkoren und sich davon auch nach wochenlanger Kritik nicht abbringen lassen. Dass es selbstverständlich auch in Malaysia Menschen gibt, die gleichgeschlechtlich leben und lieben, muss an dieser Stelle nicht ernsthaft diskutiert werden.
Doch Bin Ketapi hat offensichtlich keine Ahnung, was in seinem Land vorgeht. In Malaysia nämlich wurden zwei lesbische Frauen im September letzten Jahres von einem Scharia-Gericht zu sechs Stockhieben verurteilt und anschließend damit gefoltert. Aus dem oscarprämierten Film „Bohemian Rhapsody“ über den Queen-Sänger Freddie Mercury wurden von einer dem Innenministerium unterstellen Zensurbehörde 24 Minuten herausgeschnitten, um Hinweise auf die Bisexualität des Protagonisten zum Verschwinden zu bringen. Im Februar 2018 erschien in einer führenden malaysischen Zeitung eine Liste, wie Schwule und Lesben anhand ihres Verhaltens oder Aussehens erkannt werden könnten. Und für die „Heilung“ zur Heterosexualität empfiehlt die Regierung Homosexuellen unter anderem Fasten.
Ganz schön viel Aufwand also, für ein vermeintlich nicht existentes Phänomen. Dass Bin Ketapi seine Hetero-Only-Fantasien in Berlin vortragen konnte, ist jedoch nur das Ende einer Versäumniskette. Die Schwulenfeindlichkeit der malaysischen Regierung war lange bekannt, genau wie der massive Antisemitismus des dortigen Premierministers. Die ITB hätte sich spätestens von der Partnerschaft lösen müssen, als sich die Regierung im Januar weigerte, zur Para-Schwimmweltmeisterschaft Visa für das israelische Behindertensportteam auszustellen.
Mit einem hat Bin Ketapi allerdings in gewisser Hinsicht recht. Eine sichtbare schwule Subkultur gibt es in Malaysia tatsächlich kaum. Denn selbst in der vergleichsweise liberalen Hauptstadt Kuala Lumpur muss die LGBT-Szene immer wieder Razzien und Veranstaltungsverbote über sich ergehen lassen. Das bedeutet: Schwule, Lesben, Bisexuelle und Transpersonen leben dort in ständiger Angst vor Ächtung und Gewalt. Wenn ein Minister sie am liebsten einfach in Luft auflösen würde, verschwindet dadurch das Problem dieses angstvollen Lebens nicht. Es wird dadurch nur noch schlimmer.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Pistorius lässt Scholz den Vortritt
Der beschädigte Kandidat
Utøya-Attentäter vor Gericht
Breivik beantragt Entlassung
Böllerverbot für Mensch und Tier
Verbände gegen KrachZischBumm
Haftbefehl gegen Netanjahu
Begründeter Verdacht für Kriegsverbrechen
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin