ITB setzt Partnerländern Standards: Messe bekommt Menschenrechte
Die ITB soll künftig keine Folterländer mehr bewerben. Ab 2022 müssen Partnerländer entsprechende Zusicherungen machen.
Die Berliner Internationale Tourismusbörse (ITB) soll künftig Menschenrechtsstandards für ihre Partnerländer definieren. Das erklärte eine Sprecherin von Wirtschaftssenatorin Ramona Pop (Grüne) am Freitag auf taz-Anfrage: „Zukünftig müssen alle Partnerland-Bewerber ab dem Jahr 2022 einen Code of Conduct für Geschäftspartner der Messe Berlin unterzeichnen.“ Dieser Verhaltenskodex werde derzeit im Detail ausgearbeitet.
Künftige Partnerländer müssten gegenüber der Berliner Messe, die die ITB ausrichtet, entsprechende Zusicherungen machen. Dazu gehöre, dass Reisende in ihrer Destination weder wegen ihres Geschlechts, ihrer Religion, ihrer sexuellen Orientierung oder ihrer Herkunft nicht diskriminiert werden. „Zusätzlich fordert die Messe Berlin eine detaillierte Strategie, wie die entsprechenden Antidiskriminierungsmaßnahmen im jeweiligen Land umgesetzt werden“, so die Sprecherin.
Bewerber sollen einen Aktionsplan vorlegen, in dem verschiedene nachhaltige Projekt-Ideen verfasst werden. Diese Ideen wolle die Reisemesse ITB zusammen mit dem Partnerland „kommunizieren“. Dann müssten die Ideen von dem jeweiligen Land umgesetzt werden, so die Sprecherin.
Im März war die ITB wegen der Wahl ihrer Partnerländer in die Kritik geraten. Dieses Jahr bewarb die Berliner Messe Malaysia, ein Land, in dem zuletzt zwei Frauen durch Stockhiebe gefoltert wurden – wegen lesbischem Sex.
Gilt ab 2022
Nollendorfblogger Johannes Kram hatte das bereits im vergangenen Jahr kritisiert. Er verlangte von Partnerländern „Minimalstandards, zu denen gehört, dass keine Homosexuellen staatlich gefoltert werden“.
Die grünen Mitglieder des Abgeordnetenhauses schlossen sich dieser Forderung an. Die Fraktion fasste im März einen entsprechenden Beschluss: Senatorin Pop, die im Aufsichtsrat der Messe sitzt, solle Standards erarbeiten. Doch der Beschluss schaffte es monatelang nicht durchs Abgeordnetenhaus. Ein Koalitionspartner habe nicht zustimmen wollen, heißt es aus der Grünen-Fraktion. Nun die Kehrtwende. Offenbar konnte sich die Senatorin im Aufsichtsrat durchsetzen.
Die neuen Standards gelten aber noch nicht ab sofort. Im kommenden Jahr wird Oman den Partnerlandstatus bei der Tourismusmesse erhalten. Dort ist Homosexualität illegal. 2021 wird Sachsen das Partnerland sein. Beide Länder müssen sich noch nicht auf Menschenrechte verpflichten.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Pelicot-Prozess und Rape Culture
Der Vergewaltiger sind wir
Rechtsextreme Demo in Friedrichshain
Antifa, da geht noch was
Trendvokabel 2024
Gelebte Demutkratie
Mord an UnitedHealthcare-CEO
Gewalt erzeugt Gewalt
Bundestagswahlkampf der Berliner Grünen
Vorwürfe gegen Parlamentarier
Berliner Kultur von Kürzungen bedroht
Was wird aus Berlin, wenn der kulturelle Humus vertrocknet?