Kolumne Geht's noch?: Jupp Heynckes, der Gestalkte
Die beiden Bosse des FC Bayern, Hoeneß und Rummenigge, drängen den Trainer weiterzumachen. Dabei scheren sie sich einen Dreck um ihn.
C harmeoffensive nennen sie das beim FC Bayern München. Dabei erfüllt es längst den Tatbestand des Stalkings. Für Uli Hoeneß und Karl-Heinz-Rummenigge kann es nur noch den einen geben: Jupp Heynckes. Dass der 72-Jährige Trainer lediglich eine Ehe auf Zeit mit dem ihm die Lebenskraft aussaugenden Verein eingehen wollte, hat Heynckes von Anfang an geschworen.
Die beiden Bayern-Bosse scheren sich bloß einen Dreck darum. Man werde diesen Mann nicht kampflos aufgeben, versicherte Rummenigge vor wenigen Tagen.
Die Vertragsverlängerung mit Heynckes über diesen Sommer hinaus ist zu ihrer Obsession geworden, als hinge das Wohlergehen des Rekordmeisters an dem Mann, dessen größte Vision es ist, wieder ungestört mit seinem ebenfalls nicht mehr ganz jungen Schäferhund Cando spazierengehen zu können.
Völlig konsterniert war Heynckes, als Hoeneß im November erstmals verkündete, es sei längst nicht ausgemacht, dass der Trainer nur bis zum Sommer arbeite. Er war so überrascht wie damals 2013, als der FC Bayern ohne Absprache sein Karriereende verkündete, nachdem man die Trainerikone Pep Guardiola für sich gewinnen konnte.
Jetzt kann er dieser Tage noch so sehr jammern, dass ihm nicht mehr viel Lebenszeit verbleibe, dass man als Trainer den Fußball nicht genießen kann und ihm die Belastung zusetze, aus der Nummer kommt er allenfalls mit einer von mehreren ärztlichen Gutachtern beglaubigten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung heraus.
Der pfllichtbewußte, aber machtmüde Heynckes ist für die Alphatiere Hoeneß, 66, und Rummenigge, 62, zur Idealbesetzung, zur Allzeitwaffe geworden. Mit aller Gewalt wollen sie den Moment hinauszögern, da ihnen Kontrollfreaks wie Julian Nagelsmann oder Thomas Tuchel erklären, was der FC Bayern alles verändern muss, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Der Trainermarkt der Besserwisser schmeckt denen, die alles am besten wissen, nicht. Lieber folgen sie dem armen Heynckes bis in den Tod. Es wird Zeit für eine Schamoffensive.
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