Kolumne Flimmern und Rauschen: Der Stellenwert des Journalismus
Vielen Medienhäuser ist die Bedeutung ihrer Produkte egal. Es geht ihnen nur darum, noch für ein paar Jahre die Umsatzrendite hoch zu halten.
Und sie bewegt sich doch! Nein, es geht jetzt nicht um Galileo Galilei, der seinen berühmtesten Satz ja nie gesagt haben soll (obwohl diese Kombi lustige Parallelen zur wieder eingeschläferten Diskussion um die Reform des öffentlich-rechtlichen Rundfunks bietet). Sondern um unsere gute alte Zeitungsbranche.
Vor ein paar Wochen habe ich hier gemotzt, dass neue Sparrunden à la Funke, denen sich dann bald die Verlagsgruppe Handelsblatt anschloss, im Prinzip auf einen Abbau von Journalismus hinausliefen. Jetzt hat bei einem Seminar an der politischen Akademie Romanus Otte nochmal eins draufgesetzt. Tutzing, das ist einer dieser Orte in Bayern, wo man sich fragt, ob hier schon alle grün oder doch noch jemand CSU wählt und wo querdenken ausdrücklich erwünscht ist.
Und Otte war ja mal ein nicht ganz unentschiedender – obwohl, meine Mitbewohnerin sagt immer: Schreib, was du wirklich sagen willst! – also ein ziemlich wichtiger Mensch bei der untergegangenen Financial Times Deutschland. Dann war er Onlinechef bei der Welt (als solcher hat er den Laden sehr brauchbar positioniert) und dann bei Springer strategisch als Chef der internationalen Vernetzungseinheit unterwegs.
Ende 2018 hörte Otte bei Springer plötzlich auf und macht jetzt ein Sabbatical, was ihm denn auch Zeit gibt, in Tutzing zu sein und Dinge rauszuhauen wie: „Zeitungen sind wunderbare Produkte, die kein Mensch braucht.“
Medienprofi Steffen Grimberg (früher taz, NDR und ARD, jetzt MDR) bringt jeden Mittwoch Unordnung in die aufgeräumte Medienwelt.
Zeitungen wie eine Armbanduhr
Das sehen sie ja jetzt bei DuMont anscheinend genauso. Aber bevor jetzt alle gleich losheulen: Otte hat das liebevoll-konstruktiv gemeint. Ja, sagt Otte, niemand braucht heute eine Tageszeitung – News und Hintergründe gibt es aktueller im Netz. Und trotzdem hätten Zeitungen einen ganz hohen Stellenwert, über den sie sich – bzw. ihre Verlage und MacherInnen, siehe DuMont – offenbar aber noch nicht so richtig klar wären.
Für Otte sind Zeitungen nämlich so etwas wie eine Armbanduhr. Braucht heute auch kein Mensch mehr, schließlich hat jedeR einen verlässlich die Uhrzeit anzeigenden Kleincomputer mit Telefonanschluss in der Tasche. Und selbst jedes Nicht-Smartphone hat zumindest ’ne Uhr-Funktion. Trotzdem, so Otte, hätten Armbanduhren – und sogar besonders hochwertige, Konjunktur.
Das stimmt. Ob Zeitungen sich allerdings als Kultur- und, seien wir mal ehrlich – Prestige- und Statussymbol eignen, überzeugt allerdings nicht so ganz. Klar gab es mal Zeiten, wo man zumindest im Frankfurter Raum ’ne Duftmarke setzen konnte, je nachdem ob man mit der FAZ oder de FR unter dem Arm rumlief. Doch war das a) eher von der Marke abhängig und ist b) auch schon ’ne ganze Weile vorbei. Und dann kostet ’ne Zeitung pro Exemplar ja angenehmerweise immer noch etwas weniger als ’ne Patek Philippe.
Wo Otte aber richtig liegt, ist, dass viele Medienhäuser sich über den Stellenwert ihres Journalismus nicht ganz klar sind. Oder dass der ihnen – pardon – scheißegal ist, weil es ihnen nur noch darum geht, wenigstens für ein paar Jahre noch die Umsatzrenditen hoch zu halten.
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