Kolumne Flimmern und Rauschen: Ein tiefgründiges Männermagazin
Mit „Ernst“ hat die Schweiz etwas, was man sich hier nur wünschen kann: ein gut gemachtes Gesellschaftsmagazin für den Mann.
![Ein Mann steht vor einem Zeitschriftenregal mit großer Auswahl Ein Mann steht vor einem Zeitschriftenregal mit großer Auswahl](https://taz.de/picture/2819201/14/zeitschriften.jpeg)
M anchmal nimmt man sich in einer ruhigen Minute die Zeit und blickt nach Süden. Und wundert sich dann, was die kleine Schweiz alles kann, was es hier im großen Deutschland nicht gibt. Gut, Populismus in bislang eher bieder-bodenständigen Konservativparteien und -medien können wir mittlerweile auch ganz gut – einige der heutigen Schweizer Protagonisten haben ja in Deutschland trainiert. Etwa der „Die-Weltwoche-auf-rechts-Dreher“ Roger Köppel bei der Welt in Berlin.
Bei den positiven Beispielen sieht’s dagegen anders aus: Ja, Schweizer Schoggi ist einfach besser als deutsche Schokolade. Und wenn in der Schweiz eine Initiative den öffentlich-rechtlichen Rundfunk per Volksabstimmung de facto abschaffen lassen will, kriegt die Eidgenossenschaft eine richtige und vor allem echt-wahrhaftige Diskussion über Sinn und Zweck des ganzen „Servis public“ hin. In allen Teilen der Gesellschaft, und am Ende engagiert sich sogar die Feuerwehr. Können sie hierzulande nur von träumen.
Und noch etwas gibt es Made in Switzerland, was man sich auch für Deutschland wünschte: ein gut gemachtes Gesellschaftsmagazin für den Mann. Das viermal im Jahr erscheinende Blatt heißt Ernst – und ist auch so. Herausgegeben wird Ernst vom Schweizer Verein „Männerzeitung“.
Wenn man den Wunsch nach mehr Scherz, Satire und schieferer Bedeutung mal kurz beiseite lässt: Ernst hat was. Jedes Heft hat ein Oberthema, die Juni-Ausgabe widmet sich dem „Heilen“ – angenehmerweise ganz weit weg von esoterischen Postillen, die sich hauptsächlich durch Anzeigen finanzieren, in denen der Erzengel Gabriel andere schwer Bewegte zum Einschwingen in den Klangschalenkurs lotst.
Jede Menge Aufreger
Nein, Ernst ist über weite Strecken sehr guter Journalismus, tiefgründig, aufmerksam, vielleicht hier und da in bisschen zu leise, aber nie künstlich und um des Effekts Willen aufgeregt.
Dabei publiziert das Blatt jede Menge Aufreger, über sexuellen Missbrauch und die Scham. Über Altersarmut bei Männern, die aufgrund ihrer Einstellung zur Berufsarbeit und zur Rolle als angeblich unersetzliche Ernährer und Bestimmer at large keine Hilfe an sich heranlassen. Über Angriffe auf LSBTTIQ-Menschen in Unterkünften für geflüchtete Menschen.
Das ist momentan noch alles sehr schweizbezogen. Aber von einem klugen Tiefgang und gesellschaftspolitischer Schärfe, was man sich (neben Schoggi und einer echten Diskussion über öffentliche Medien) auch hierzulande wünschte.
Und was die Schoggi angeht: Auch an der Foodfront ist Ernst zu Hause. Und verkündet zu Liebeskuchen mit Kardamom-Granatapfel-Joghurt unter dem schönen Motto „Hilft jetzt auch nicht viel in Sachen Liebe. Aber etwas mehr als Tiramisù“ noch eine süße Wahrheit: „Kuchen heilt alles“.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Tabubruch der CDU
Einst eine Partei mit Werten
Social-Media-Star im Bundestagswahlkampf
Wie ein Phoenix aus der roten Asche
Mitarbeiter des Monats
Wenn’s gut werden muss
Gerhart Baum ist tot
Die FDP verliert ihr sozialliberales Gewissen
80 Jahre nach der Bombardierung
Neonazidemo läuft durch Dresden
Krieg und Rüstung
Klingelnde Kassen