piwik no script img

Kolumne FernsehenSo geht Toleranz bei ProSieben

Jürn Kruse
Kolumne
von Jürn Kruse

ProSieben propagiert in einer Themenwoche Respekt und Toleranz. Bei „Beauty & The Nerd“ führt der Sender alle Teilnehmer vor.

So stellt sich ProSieben „Nerds“ vor Bild: ProSieben

D anke, ProSieben! Danke, dass du so überzeugend für Toleranz wirbst! Komm her, lass dich umarmen, mein Unterföhringer Lieblingssender! Seit Tagen wirbt ProSieben für seinen „Tolerance Day“ am 17. Februar: „Minderheiten bereichern die Mehrheit“, heißt es in dem Spot, „Randgruppen erweitern unseren Horizont“, und „Außenseiter erweisen sich als Insider“, ergo: „Menschen sind verschieden, aber alle verdienen eines: Respekt.“ Ab Montag steht die ganze Woche bei ProSieben im Zeichen der Toleranz. Toll!

Und genauso toll ist, dass du uns gleich darauf zeigst, wie ernst du es mit diesem Anliegen meinst. Denn direkt nach dem Es-muss-sich-etwas-ändern-Toleranz-ist-gut-und-so-Werbespot läuft der Trailer für „Beauty & The Nerd“, die neueste Show, in der Menschen bis an die Grenzen vorgeführt werden. Das Konzept: Acht „Beauties“ und acht „Brains“ ziehen in eine Villa in Südafrika. „Die jungen Frauen haben sich bisher über ihr Äußeres definiert, die Streber über ihren Intellekt“, wird die Sendung beworben, „in dieser Show treffen zwei Welten aufeinander.“

Aber nicht, dass Sie, liebe Leser, jetzt denken: Das ist aber schön, dass ProSieben solch unterschiedliche Gruppen unserer Gesellschaft zusammenführt, auf dass sie sich kennen- und lieben lernen mögen.

Bild: privat
JÜRN KRUSE

ist Medienredaktuer der taz.

Nerds sehen aus wie Freaks

Nein, so funktioniert „Beauty & The Nerd“ nicht. Die Erniedrigung fängt schon damit an, dass die „Nerds“ aussehen, als hätte sich Christian Ulmen in acht Kostümierungen geschmissen: Sandalen und hochgezogene Tennissocken, Hosenträger, unpassende Westen, Polunder, T-Shirts mit dem Aufdruck „Chess is my life“. Dazu schiefe Zähne, Brillen, keine Frisuren. Allesamt derart plumpe Abziehbilder von Stubenhockern, dass selbst die Bild sich fragte: „Warum sehen die Nerds wie Freaks aus?“ Die Antwort von ProSieben: Sie durften ihre Klamotten halt nur aus einem Kleiderfundus auswählen. Ein Schelm, wer denkt, dass diese Auswahl begrenzt war.

Daneben die „Beauties“: alle in Röcken oder Kleidern, dazu hochhackige Schuhe und abgestimmte Accessoires. So sieht frau halt aus, wenn sie im Einkaufscenter den zweiten Platz bei der Misswahl gewinnen will.

Welchen Lebensentwurf die Macher von ProSieben für gut halten, ist unschwer aus der Vorstellung der Kandidaten zu lesen: Dort der Helge, hochbegabt, aber ohne Schulabschluss, „nimmt seine Allergikerbettwäsche mit nach Südafrika, hat Angst vor großen Hunden, schlafwandelt – und auf der anderen Seite die Siw, Stewardess, spricht Schwedisch, Norwegisch und Deutsch, sportlich, mag gern Schokolade, Typ „Traumfrau, aber voll nicht eingebildet“.

Die „Beauties“ planschen im Pool

Und dann beginnt die Vorführung. Die Frauen müssen sich in Wissens- oder Rechtschreibtests blamieren, und die Männer müssen am Harter-Kerl-Sein scheitern. Natürlich sollen die Damen die Buchstaben, die sie zu Wörtern zusammenfügen sollen, aus einem Pool fischen. Da können sie ihren Bikini gleich anbehalten. Wie praktisch.

Auf „Beauty & The Nerd“ wird ProSieben selbstverständlich auch in seiner Toleranzwoche nicht verzichten. Schließlich verdienen alle Menschen eines: Respekt.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Jürn Kruse
Ist heute: Redaktionsleiter bei Übermedien und freier Autor. War mal: Leiter des Ressorts tazzwei bei der taz. Davor: Journalistik und Politikwissenschaft in Leipzig studiert. Dazwischen: Gelernt an der Axel Springer Akademie in Berlin.
Mehr zum Thema

13 Kommentare

 / 
  • KA
    krümelmonster aus h

    Haha,die Jungs auf dem Foto sehen exakt so aus wie die Stylevictims im Schanzenviertel.Fehlen nur noch ein paar mehr Hornbrillen.Ich glaube kaum das der gemeine Nerd sich so verkleidet.

  • I
    Ingo

    Also gerade diese Sendung finde ich eher harmlos. Zum Teil scheint es sogar so als würden die Beteiligten tatsächlich einander besser verstehen lernen. Ob das nun inszeniert ist oder nicht: Das ist ein besseres Konzept als bei DSDS, wo Kandidaten beschimpft werden oder das unägliche Dschungelcamp.

  • A
    Alexander

    @ Maximo

    Das tun sie eben nicht! Diese Leute werden unter falschen Voraussetzungen gecastet und später mittels undurchsichtiger Knebelverträge zum weitermachen genötigt!

     

    @ Realist

    Solange bei Ihnen zu Hause kein Quotenmeter steht, spielt es keine Rolle ob Sie abschalten oder gleich Ihren Fernseher entsorgen.

     

    @ Carsten.

    Für Sie kann ich bestenfalls Mitleid erübrigen. Ihre Analogie, sofern man diese überhaupt als solche bezeichnen kann, ist zynisch und menschenverachtend!

    Warum sollte jemand eigentlich gegenüber Leuten Ihres Schlages Toleranz üben?

  • R
    Realist

    Was kann man tun, um das Abendland zu retten? Einfach nicht Einschalten!

  • FH
    fréderic helmgescheidt

    Also ich finde die Outfinds von den Typen auf dem Foto ziemlich cool!

  • T
    tommy

    ProSieben hatte schon vor Jahren ein ähnliches Format ("Das Model und der Freak"), das hat man nun eben auf die Gruppe ausgedehnt.

    Ist natürlich totaler Blödsinn, von den Rollenbildern (Wissenschaftler/Ingenieure als lebensuntüchtige Loser, Frauen als strohdumme Tussies) her bedenklich und ich muss sagen, ich schäme mich dafür, gestern zwanzig Minuten der Nerd/Beauties-Show gesehen zu haben. Aber noch mehr sollte Herr Kruse sich schämen, dazu einen Artikel geschrieben zu haben.

  • ET
    Eddy Torial

    Moralische Grenzen? Vermarktet! Normen und all die s.g. Werte werden künstlich am Leben erhalten, um sie wieder und wieder gewinnbringend dem TVolk zur Steinigung vorzuwerden. Und so schließt sich der Kreis. Wären alle wahrhaft gleich, würde das Kerngeschäft modernen Unterhaltung schlicht niemanden interessieren: Schadenfreude. Diese wohl erbärmlichste Form von Humor ist ein so gnadenlos ehrlicher Indikator für den Zustand unserer Gesellschaft. Die Freude ist tot. Es wird nicht mehr gelacht, nur noch fingerzeigend, hysterisch gegeifert. Gestellt oder nicht, egal ob aus beschränktem Fundus gekleidet und nach Drehbuch produziert, es ist Real. Die Menschen, die es konsumieren, die, die mitmachen, die, die es erschaffen, machen es zu einer gegossenen Tatsache, die man weder leugnen kann noch darf. Man kann sich einbilden, man sei nicht Teil dieser Entwicklung. Der sollte jetzt den Tab mit den Epic Fails schnell schließen und aus der Chronic löschen.

  • G
    gerd.

    Hat nicht viel mit dem Thema zu tun, außer dass Besserwissertum im Zweifelsfall untolerant wirken kann, aber "Polunder" sieht einfach zum Schreien aus.

  • EM
    einem Mitmenschen ohne Glotze

    Zumindest steht Pro Sieben nicht mit dubiosen Figuren der ex-GEZ vor meiner Türe. Pro Sieben schickt mir auch keine Drohbriefe, um Geld von mir zu erpressen. Das kenne ich nur von dem sozialistischen öffentlich-rechtliche Rundfunk.

  • IZ
    Iund zu

    boa ey, jetzt habt ihr es denn doofies von prosieben

    aber mal so richtig gegeben

  • B
    baxter

    der im text genannte christian ulmen hat ja nun eine im niveau sehr ähnliche show. und wenn man sich ein aktuelles interview mit oben genannter person durchliest, ist diese sendung keineswegs als "satire" gemeint. "who wants to fuck my girlfriend?"

     

    gibt es überhaupt noch moralische grenzen?

  • C
    Carsten

    Tolerance-Day - ich kann den Scheiß nicht mehr hören! Diese Phraseologie ist auch ein Merkmal totalitärer Systeme. Bei Adolf hieß es »Weltjudentum« und »Plutokraten«, bei Honecker hieß es »Weltniveau« und »Boykotthetze« - heute heißt es »Buntheit« und »Vielfalt«.

  • M
    Maximo

    Wer glaubt, dass die Menschen vorgeführt werden, irrt sich gewaltig. Die wissen genau worauf sie sich einlassen und tun es für Geld, es sind nämlich Darsteller, jeglicher "Real Life"-Aspekt ist schon seit Jahren aus von Pro7 produzierten Sendungen gewichen, deshalb sollte man das nun wirklich nicht so ernst nehmen.