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Kolumne ErwachsenSuche den Herrn, nicht die Herren

Martin Reichert
Kolumne
von Martin Reichert

Der Papst will nicht über Homosexuelle richten, sagt er. Aber zwischen den Zeilen bleibt es dabei: Geschnackselt werden darf nur zwischen Mann und Frau.

Unerotisch: der Papst. Bild: ap

E s steht der Jugend wohlan, am „Weltjugendtag“ zuhauf an die Copacabana zu strömen, um dem heiligen „Papa“ zu huldigen. So wie sie sich auch kreischend vor dem Hotel versammeln, in dem Justin Bieber nächtigt. Begeisterungsfähigkeit gehört zu dieser Phase des Lebens wie straffes Bindegewebe und der Hang zu übersüßten Getränken, die Erwachsenen hingegen – mögen sie auch lediglich der Schotter sein auf den Zukunftspfaden der Jugend – trinken lieber bedacht eine herben Schluck Wein, anstatt mit einem Becher Bubble Tea in der Hand in Euphorie zu versinken.

Genau aus diesem Grund ist nun der Erwachsene gehalten, mit beiden Füßen auf dem Teppich zu bleiben angesichts der neuesten Äußerungen von Papst Franziskus: „Wenn jemand schwul ist und den Herrn sucht und dabei guten Willen beweist, wer bin ich, dass ich richte?“.

Dieser Satz bedeutet nun keineswegs, dass im Vatikan die Regenbogenflagge gehisst wird und Alcopops an Homos verteilt werden, vielmehr bewegt sich auch der jetzige Papst – eigentlich selbstverständlich – auf der ehernen Grundlage des Katechismus.

Nein, Homosexuelle sollen nicht diskriminiert und an den Rand gedrängt werden, auch sie sind ja schließlich Menschen. Nein, nicht die homosexuelle „Neigung“ sei eine Sünde, sondern der homosexuelle Akt an sich. Nichts anderes hatte schon Vorgänger Joseph Ratzinger postuliert, wenn auch in etwas harscherer Form („contra naturam“).

Übersetzt bedeutet dies, dass man sich als Homosexueller nur dann auf der richtigen Seite befindet, wenn man zwar den Herrn sucht, nicht aber Herren, mit denen man sich geschlechtlich auszutauschen wünscht.

Konzil statt warme Worte

Aus der römischen Zentralverwaltung humaner Sexualität also nichts Neues: Geschnackselt werden darf auch zwischen Mann und Frau nur zu Zwecken der Reproduktion. Und selbstverständlich sind, Papst Franziskus erklärte es im selben Atemzug, Frauen auch weiterhin von der Ordination ausgeschlossen. Tür zu, Licht aus.

Falls sich die katholische Kirche eines Tages wirklich zu weitgreifenden Anpassungen an die Moderne entschließen wollte, dann bedürfte es der Einberufung eines Konzils anstatt warmer Worte eines freundlichen alten Herrn. Worte, die so warm dann übrigens gar nicht sind in Bezug auf die Homosexuellen. Garstiges, gieriges, schreckliches „Lobbying“ würden diese betreiben. Spätestens ab diesem Punkt wird deutlich, dass es einfach nichts bringt, an den Weihnachtsmann zu glauben: Homosexuelle sollen also nicht nur auf die Ausübung ihrer Sexualität verzichten, sondern bitte schön auch davon absehen, sich politisch zu organisieren, um für ihre Rechte einzutreten.

Angesichts solch kruder Aussagen in Begeisterung auszubrechen ist ungefähr so sinnvoll wie ein Wutausbruch angesichts des neuesten Bushido-Videos. Warum soll man sich darüber aufregen, wenn der Herr reimt, dass Schwule „in den Arsch gefickt“ werden? Diese Praxis gehört ganz normal zum Alltag vieler schwuler Männer. Als Erwachsener kann man der Realität entspannt ins Auge sehen.

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Martin Reichert
Redakteur taz.am Wochenende
* 21. Februar 1973 in Wittlich; † 26. Mai 2023 in Berlin, war Redakteur der taz am Wochenende. Sein Schwerpunkt lag auf gesellschaftlichen und LGBTI-Themen. Er veröffentlichte mehrere Bücher im Fischer Taschenbuchverlag („Generation Umhängetasche“, „Landlust“ und „Vertragt Euch“). Zuletzt erschien von ihm "Die Kapsel. Aids in der Bundesrepublik" im Suhrkamp-Verlag (2018). Martin Reichert lebte mit seinem Lebensgefährten in Berlin-Neukölln - und so oft es ging in Slowenien
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33 Kommentare

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  • Hinzu kommt, dass die Bibel – der er sich der Pabst zu recht verpflichtet fühlt – nun einmal Homosexualität unmissverständlich ablehnt und für Sünde hält (3. Mose 18,22; 20,13; Röm 1,18-32; 1 Kor 6,9-11; 1. Tim 1,8-10).

    • @tokkath:

      Wer die Bibel als Vorwand zur Diskriminierung nutzt, setzt damit auch sein Recht auf freie Religionsausübung auf's Spiel.

  • D
    Deblockierer

    Herr Reichert agiert mit dieser Kolumne ausgesprochen homophob, wenn er Pabst Franziskus mit Rapper Bushido in einem Atemzug verarbeitet und das Ganze mit dem Coitus analis als Schlusspointe garniert.

  • EL
    Ents Lehmann

    Es ist die taz, die das Wort Lobby am meisten benutzt, und immer negativ: Atomlobby, Industrielobby, Fleischlobby, Männerlobby, Ärztelobby, Autolobby, CDU-Lobby, Reichenlobby... Aber dass es auch eine Solarlobby, Feminstenlobby, eine Schwulenlobby, eine Gutmenschenlobby, eine Hartz-IV-Lobby etc gibt, das verschweigt die taz geflissentlich...

    • @Ents Lehmann:

      Lobby bezeichnet eigentlich die Wandelhalle in einem Parlament in der die Abgeordneten mit Wählern und Interessengruppen zusammentreffen, die die Entscheidungen der Abgeordneten zu beeinflussen suchen.

       

       

       

      Bei uns war Lobby (mit langem o ausgesprochen) immer ein anderes Wort für Geld. Begegnungen liefen meist so ab- Frage: Wat is?

       

      Antwort: Kein Lobby!

       

      Antwort: Mach wat!

       

       

       

      Tatsächlich dreht sich doch immer alles ums Geld. Wahrscheinlich wird das Wort deshalb so oft benutzt. Das Wort Lobby ist aber völlig wertfrei - mal abgesehen vom Geld.

  • U
    Uli

    Es ist eigenartig, wie man sich über eine religiöse Lehrmeinung aufregen kann, auch wenn man diese persönlich gar nicht teilt. Haben die Katholiken denn keine Religions- und Meinungsfreiheit mehr? Was müssen einen denn Aussagen eines Papstes angehen, wenn man dieses "Amt" als solches sowieso für überflüssig bzw. falsch hält? Eigentlich sind es doch nur Katholiken, die sich damit auseinandersetzen müssen. Und als solche haben sie der Lehre ihrer Kirche, an die sie als göttliche Einrichtung glauben, uneingeschränkt zuzustimmen. Wenn sie das nicht können und trotzdem dort Mitglied bleiben, ist das nur ein Problem persönlicher Inkonsequenz.

     

    Ich hoffe allerdings, dass auch Nichtkatholiken weiterhin über Homosexualität verschiedener Meinung sein dürfen.

    • @Uli:

      Nichtkatholiken durften über Homosexualität schon immer verschiedener Meinung sein.

       

       

       

      Wir wundern uns nur, dass Katholiken ernsthaft der Meinung sind, ein Menschenkind (Papst) könnte "unfehlbar" sein, denn das wertet die Meinungen aller anderen Menschenkinder doch erheblich ab.

  • H
    ha

    Genau, was heute "natürlich" ist, ist eine reine Definitionsfrage. Und die wandelt sich halt. Nur wird man doch noch das Recht haben dürfen eine andere Meinung zu haben, oder?

    • @ha:

      Auch die Frauen?

  • PS
    Paul Simon

    Martin Reichert sollte als gelernter Historiker wissen, dass Aussagen ohne Quellenbeleg wertlos sind. Er möge bitte seine Quelle für die Aussage des Papstes auf der PK im Flugzeug nennen, dass der homosexuelle Akt eine Sünde ist. Transkriptionen der PK kann man im Internet finden.

  • PS
    Paul Simon

    Der Kommentator Kat(zi)tazitus möge mir bitte mal die Quelle nennen, wo Papst Franziskus auf der Pressekonferenz im Flugzeug sagt, dass der homosexuelle Akt eine Sünde ist. Im Internet gibt es mehrere Transkriptionen der Aussagen des Papstes, z.B. hier: http://vaticaninsider.lastampa.it/vaticano/dettaglio-articolo/articolo/gmg-26831/. Ich bin gespannt, wo er diese Aussage des Papstes findet.

    • @Paul Simon:

      Hatte es gestern während einer Autofahrt im Radio gehört (Sender?). Darum war ich vom beschönigenden Minimaljournalismus der Tagesschau enttäuscht. In der ZDF-heute-Sendung von 19:00 h am Dienstag (@9:40 min) wörtlich: "..trotzdem gelte, dass gelebte Homosexualität Sünde sei." Ich kann weder Latein, noch spanisch, noch italienisch, darum hoffe ich, dass ZDF glaubhaft zitiert und transkribiert.

       

       

       

      Das einzig neue an der Aussage von Franziskus ist somit also, dass Schwule nicht mehr verachtet und diskriminiert werden sollen.

  • Lustfeindlichkeit ist nun mal ein Kernelement der Katholischen Kirche. Ist doch klar, dass dann auch homosexuelle Lust abgelehnt wird. Das ist für dieses eine Mal keine Diskriminierung. Natürlich, Heteros dürfen Licht aus machen, Decke über den Kopf ziehen und reproduzieren. Dabei immer schön an unseren Heiland Jesus Christus denken, der für uns am Kreuz gelitten. Ach ja, und du Socken bleiben natürlich an!

    • J
      Jopy
      @Oma Kruse:

      Oma, das mag in Ihrer Generation so gewesen sein. Und ob man Socken im Bett trägt, wirkt sich kaum aus, ehrlich.

  • K
    Katholisch

    Der Papst hat das Recht auf freie Meinungsäußerung.

     

    Was haben Sie denn eigentlich erwartet? Die taz berichtet über die christlichen Kirchen doch sowieso, wenn es etwas zu beanstanden gibt.

  • A
    Aaron

    @Kara Mustafa,

     

    ist ihnen bewusst, dass "natürlich" ein sehr dehnbarer Begriff ist.

     

    Ist es natürlich, Geschir und Besteck zu benutzen? In einem Haus zu wohnen? Elektrisches Licht zu haben?

     

    Wenn sie wirklich argumentieren wollen, dass Homosexualität nicht gut sein, weil sie "widernatürlich" ist, rate ich ihnen dringend, in ein Erdloch im Wald zu ziehen und ihr Essen in Zukunft mit der Hand zu jagen.

     

    Dann müsste nur nich geklärt werden, ob das Benutzen von Feuer in Ordnung oder auch schon widernatürlich ist und sie ihr erlegtes Wild roh essen werden.

     

    Wohl bekomms!

    • EA
      Evi Adam
      @Aaron:

      Ich will ja nicht bei Adam und Eva anfangen, aber auf Grund der Anatomie von Männer und Frauen könnte man schon verstehe, was mit "natürlich" gemeint istin diesem Fall.

      • @Evi Adam:

        Stimmt, Frauen haben natürlich auch einen Anus. Passt!

        • EA
          Evi Adam
          @Rainer B.:

          Wenn ich solche Geschmacklosigkeiten hier lesen muss, ist es sinnlos, mit Ihnen weiter zu diskutieren. Ihr Argument, was "natürlich" ist, kenne ich nun.

          • @Evi Adam:

            Die "Natur" ist keine Frage des Geschmacks. Eva war vorne nicht natürlicher als hinten. Man muss schon fast blind sein, wenn man Homosexualität in der "Natur" zur Ausnahmeerscheinung erklärt. Die Biologie kennt übrigens durchaus auch Formen gleichgeschlechtlicher Vermehrung.

  • D
    D.J.

    @Kara Mustafa,

     

     

     

    glauben Sie mir, niemand zwingt Sie, beim Akt zuzuschauen.

     

     

     

    (oder war das Sarkasmus, den ich zu doof bin zu verstehen?)

  • Klare Analyse, klare Ansage. Eigentlich ist nichts hinzuzufügen, außer dass z.B. die Tagesschau gestern genau den zweiten Teil der Aussage ("aber machen dürft ihr`s nicht") unterschlagen hat, damit der Herr Franzi als modern gelten kann.

     

     

     

    Um über die Aussagen des Papstes vollständig zu berichten, hätte ein weiterer Satz genügt. Der wäre auch noch in den 15 Minuten unterzubringen gewesen.

  • D
    D.J.

    Journalisten sind im Allgemeinen schlicht gestrickt. Da geht es i.A. nicht darum, was wer sagt, sondern wer wann was sagt. 2005 galt jede belanglose Äußerung Ratzingers als revolutionär; sieben Jahre später hätte er sagen können, dass es im Winter eher kalt ist und man hätte ihn dafür einen reaktionären Verbrecher gescholten. Ähnlich nun - Franzi sagt nichts anderes als andere Päpste vor ihm, das aber mit charmantem Lächeln - huuch, wie revolutionär. Herr Reichert hat es begriffen. Danke.

  • Ich versteh vor allem die Frauen nicht, die sich diesen scheinheiligen Kirchenquark immer noch aufs Brot schmieren lassen.

    • S
      Sabine
      @Rainer B.:

      Ich werde die ZUgehörigkeit zur katholische Kirche ganz bestimmt nicht aus vermeintlicher Solidarität mit Lesben und Schwulen aufgeben. Auch das wäre scheinheilig.

      • @Sabine:

        Aber vielleicht, weil die katholische Kirche sie als Menschen 2. Klasse betrachtet und behandelt?

        • S
          Sabine
          @Eine rechte Dummheit:

          Nein, auch nicht,denn sie werden nicht als Menschen 2.Klasse behandelt. Ich bin gerne in der Kirche. Auch wenn sie es nicht allen Recht machen kann. Leseben und Schwule sollen selbst austreten, wenn sie nicht mit den Regeln der Kirche einverstanden sind. Auch ich habe Eigenschaften, die der Kirche nicht gefallen: Ich kann selbständig denken, werde kritisiert dafür, aber auch nicht als 2. KLasse behandelt. Es ist eine Frage des Umgehenkönnens mit Kritik, nicht weniger, aber auch nicht mehr.

          • @Sabine:

            Frauen dürfen auch dran glauben, aber für ein Priesteramt sind sie dann doch nicht gut genug. Auch, wenn Sie damit kein Problem haben, müssen Sie doch zugeben, dass das reichlich seltsam und überholt ist.

            • S
              Sabine
              @Rainer B.:

              Nein, ist es nicht. Erstens will ich nicht Priester werden, und zweitens ist ein Priesteramt auch im Judentum und im Islam auch nicht für Frauen vorgesehen. Ich akzeptiere das.

               

              Im Übrigen gibt es auch in afrikanischen Gesellschaften Rollenteilungen un den Zölibat. In Kamerun z. B. sind es die Schmiede, die nicht heiraten dürfen, warum auch immer.

               

              Bitte beschäftigen Sie sich doch etwas mehr mit der Kulturgeschichte.

               

              Nur Multikulti ohne Hintergrundwissen taugt nicht.

               

              Möchten Sie denn gerne Priester sein? Ich denke nicht, und so geht es mir auch.

              • @Sabine:

                Es stimmt, in afrikanischen Gesellschaften, im Judentum und im Islam gibt es auch viele unzeitgemäße Regelungen.

                 

                Nur,- kann man einen Anachronismus mit einem anderen begründen?

                 

                 

                 

                Die Frage ist nicht, ob jemand ein Priesteramt bekleiden will, sondern ob er es könnte, wenn er es wollte.

                 

                Für die europäische Union gilt das Diskriminierungsverbot. Auch die Kirchen sollten dies allmählich mal zur Kenntnis nehmen und umsetzen.

                 

                 

                 

                In Afrika mag das ja anders sein, aber da ist auch sonst vieles anders.