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Kolumne EierPrinzessin sein

Ich mag Männer, die zurückhaltend sind und bin selbst zu schüchtern, sie anzusprechen. Ist daran der Feminismus schuld?

Schüchterne Männer mag ich, weil sie weniger bedrohlich wirken als selbstbewusste Foto: imago/Ikon images

Der Feminismus hat alles kaputt gemacht“, sage ich und stampfe auf. Das hat nicht ganz die Wucht, die ich erhofft hatte, denn ich stehe in einem mit Schaumstoff ausgekleideten Raum. Genauer gesagt in einer Garage im Gewerbegebiet, die ich angemietet habe, um dort ab und zu lautstark dem Feminismus die Schuld an irgendwas zu geben. Inzwischen vermiete ich sie gelegentlich an FreundInnen unter und erwäge, ein Start-up zu gründen. Die App ist noch in Beta.

Was ich heute dem Feminismus vorwerfe, ist, dass er die Männer so zurückhaltend gemacht hat. Schlimmer noch, dass er es okay für Männer gemacht hat, zurückhaltend zu sein. Viel schlimmer noch, dass er gemacht hat, dass ich Männer ganz besonders toll und attraktiv finde, die zurückhaltend sind. Mist. Stampf.

Der Anlass ist ein Typ, den ich mag, den ich aber nicht ansprechen kann, weil er immer so aussieht, als würde er sich gleich unter einem Tisch verkriechen. Im Zeitmagazin habe ich gelesen, dass das ein ernstes Problem für die Leute ist, die schüchtern sind, und ich will meinem schüchternen Schwarm auch gar nichts vorwerfen. Ich bin einfach frustriert.

Der Feminismus, beschließe ich und kringle mich auf dem Schaumstoffboden ein, hat mit diesem Märchenbuchbild aufgeräumt, dass Männer proaktiv zu sein und das Kennenlernen in die Hand zu nehmen haben. Seitdem sind alle verwirrt. Ohne Geschlechterrollen, die uns zum Mut zwingen, warten wir am Ende alle nur noch ab. Aus dem Zeitschriftenstapel in der Ecke ziehe ich einen alten Zeitungsartikel, in dem ziemlich genau das drinsteht. Mit Filzstift habe ich an den Rand notiert: „Ha!“

Eine tolle Arbeitsteilung

Schließlich war das eine tolle Arbeitsteilung, denke ich, er macht den ersten Schritt, sie reagiert. Voll easy. Dann fällt mir ein, dass ich keine Frau bin und mir das Ganze deshalb gar nichts bringt, und kringle mich wieder auf dem Schaumstoffboden ein. Ich habe ein eher extrovertiertes Wesen und Schüchternheit verunsichert mich.

Andererseits will ich natürlich eine Prinzessin sein und an die Hand genommen werden, nicht selber an die Hand nehmen müssen – diese Prinz-auf-Gaul-Rolle ist anstrengend. Obendrauf kommt, dass ich schüchterne Männer mag, weil sie auf mich weniger bedrohlich wirken als selbstbewusste – weswegen ich immer wieder genau an diesem Punkt lande, dass ich einen Schwarm nicht ansprechen kann und anschließend den Feminismus verfluche.

Ich denke an eine französische Freundin, die sich über die „kastrierten“ Männer des Nordens aufregte, weil sie eine offensivere Machokultur gewohnt war und endlich wieder angegraben werden wollte. Ich dachte immer, dass das stimmt und wir ohne Machos irgendwann alle allein in irgendwelchen Ecken stehen würden. Aber heute hier auf dem Schaumstoff fällt mir auf, dass sie vielleicht auch einfach nur den Mut nicht hatte, Männer anzusprechen. „Feminismus hin oder her – vielleicht bin ja ich schüchtern und nicht er“, reime ich.

Ich öffne das Garagentor, ziehe die Luft durch die Nase ein. Sie ist wie frisch gewaschen. Morgen sprech ich ihn an.

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Peter Weissenburger
Autor
Schreibt über Kultur, Gesellschaft, Medien.
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2 Kommentare

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  • Wenn man dem Feminismus überhaupt etwas vorwerfen kann, dann ist es ja wohl der Umstand, dass er nicht ALLE Männer zurückhaltend (und stolz darauf) gemacht hat.

     

    DER Feminismus (man beachte das Pronomen!) hat sich blöd- bzw. leichtsinnigerweise die Eitelkeit gegönnt, Steinzeitmachos ihre Feindbilder abzukaufen. Damit hat er einzelne Zurückgebliebene ermutigt, bis heute in extra dafür angemieteten Garagen Revolten zu planen gegen DEN FeminisMUS – und IHN nachher mangels entschlossener Führung bis auf Weiteres doch nur mehr oder weniger halbherzig zu boykottieren.

     

    DER Feminismus steckt quasi mitten in der Pubertät. ER ist noch nicht er-sie-es selbst, noch nicht emanzipiert. ER sucht sich noch. So was kann dauern.

     

    Übrigens: „Voll easy“ ist eine Arbeitsteilung immer nur dann, wenn die Rollen klar sind. Wenn es also quasi uniform zugeht. Hier die „echten“ Männer: allesamt extrovertiert und aggressiv. Da die „echten“ Frauen: ausnahmslos schüchtern und zart besaitet. Hier die Männer-Jobs, da die für Frauen. Jeder, der – warum auch immer – nicht passt in seine Uniform, wird so lange bearbeitet, bis er entweder unterm Rasen liegt oder passend gemacht wurde. Verluste? Kein Thema. Gibt ja genug Masse, wo alle gleich sind.

     

    Nein, „voll easy“ ist das nicht. Schon gar nicht für alle und/oder zu jeder Tages- und Nachtzeit. Da trifft es sich doch eigentlich ganz gut, dass das Leben kein Kasernenhof ist. Es passieren nicht nur Dinge, die vorgesehen sind nach Reglement, sondern auch andere. Man muss nur lange genug warten, dann kriegt man eine Chance, sein ganz spezielles Talent auszutesten – wenn man sich nicht vorher aus lauter Ungeduld freiwillig und lebenslänglich zur Armee gemeldet hat.

     

    Und jetzt? Wer Angst hat vor der grüner Langeweile, der kann ja erst mal üben, bis seine private Chance des Weges kommt und/oder alles anders wird: Heute mal Prinz, morgen Prinzessin. Und übermorgen Pferd.

    • 8G
      849 (Profil gelöscht)
      @mowgli:

      "Wenn man dem Feminismus überhaupt etwas vorwerfen kann, dann ist es ja wohl der Umstand, dass er nicht ALLE Männer zurückhaltend (und stolz darauf) gemacht hat."

       

      Ich lese in aller Regel gerne, was Sie schreiben, aber hier nicht. Wozu sollte es denn dienen, Männer zurückhaltend zu machen? Es geht doch darum, dass sich Frauen so wie Männer weniger zurückhalten, wenn es um die Artikulation ihrer Bedürfnisse geht, oder etwa nicht?

       

      Das "Pronomen" ist übrigens der Artikel. Und der ist z.B. im Plural stets feminin. Ändern Sie das mal. :-)