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Kolumne EierGender-Gaga im Teletubbyland

Wie soll eine Gesellschaft nach dem Patriarchat aussehen? Tinky-Winky, Dipsy, Laa-Laa und Po leben bereits in der Utopie.

Wer gehört an den Herd? Völlig egal im Teletubbyland, denn Essen kommt aus dem Automaten Foto: ZDF

W ie die Welt nach dem Patriarchat aussehen soll, darüber herrscht Uneinigkeit. Die einen möchten, dass es gar keine Geschlechter mehr gibt. Oder dass sie zumindest in der Sprache nicht mehr auftauchen.

Die anderen finden Geschlecht an sich gut, solange es einen nicht auf eine Rolle festlegt und Spielraum zum Experimentieren bleibt. Wiederum andere wären schon zufrieden, wenn Chancengleichheit auf dem Arbeitsmarkt und gerechte Aufteilung von Familienaufgaben die Regel wären.

Das macht das Streben nach Geschlechtergerechtigkeit manchmal ein bisschen knifflig. Denn die Zielvorstellungen klaffen auseinander, und damit natürlich auch die Erwartungen an jeden und jede Einzelne.

Man braucht nicht unbedingt eine Utopie – das ist Geschmackssache. Falls Sie aber gerade nach einer suchen, empfehle ich die Teletubbies.

Lassen Sie mich erklären. Im Kinderkanal gibt es jetzt neue Folgen mit den kunterbunten Knuddelmonstern, die vor 20 Jahren pädagogische Debatten um Telekinderverdummung auslösten und damit ganz nebenbei die Spezies der besorgten Eltern hervorgebracht haben.

Darum soll es aber nicht gehen, sondern darum, dass Tinky-Winky, Dipsy, Laa-Laa und Po in einer technologisch hoch entwickelten Postgendergesellschaft leben.

„Tubbyschmusen“ dürfen alle mit allen

Die Tubbies müssen weder kochen noch arbeiten gehen – entsprechend brauchen sie auch keine Geschlechterrollen

Es ist schon häufig kommentiert worden, dass der männliche Tinky-Winky eine Handtasche mit sich herumträgt – und dass die anderen Teletubbies das offenbar nicht weiter stört. Auch Dipsy definiert sich mit seinem Kuhflecken-Zylinder über ein modisches Accessoire, während die weiblichen Laa-Laa und Po mit Gummiball und Tretroller Sportgeräte besitzen. Damit haben die Tubbies die klassischen Rollenbilder (Jungs: toben, Mädchen: schön aussehen) einfach mal umgekehrt.

Dass die Tubbies sich deswegen gegenseitig nicht mobben, liegt daran, dass sie Geschlecht als Kategorie überwunden haben. Das hat wiederum damit zu tun, dass im Tubbyland Maschinen sämtliche Grundbedürfnisse befriedigen. Essen kommt in Form von Tubbypudding und Tubbytoast aus dem Automaten, der Roboterstaubsauger räumt auf und die ganze Elektrik wird höchstwahrscheinlich über die Energie der großen lachenden Sonne betrieben. Die Tubbies müssen weder kochen noch arbeiten gehen – entsprechend brauchen sie auch keine Geschlechterrollen, die einen auf das eine oder andere Aufgabenfeld festlegen. Debatten um Vereinbarkeit von Familie und Beruf müssen die Teletubbies jedenfalls nicht führen.

Eigentlich ganz angenehm, oder? Vor allem, da die Tubbies trotzdem eine lebhafte Sexualität haben. „Tubbyschmusen“ dürfen alle mit allen. Und was die vier anstellen, wenn sie abends in ihrem Wohnhügel verschwinden, darüber kann man nur spekulieren. Jedenfalls müssen die Mini-Tubbies in der neuen Staffel ja irgendwo hergekommen sein.

Natürlich ist nicht jede Utopie perfekt. Im Teletubbyland nervt gewaltig, dass einem Lautsprecher vorschreiben, wann man aufstehen und ins Bett gehen soll. Andererseits ist das in der Gegenwart ja auch schon so.

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Peter Weissenburger
Freier Autor
Schreibt über Kultur, Gesellschaft, queeres Leben, Wissenschaft.
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3 Kommentare

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  • Patriarchat, Matriarchat - gehen nicht ohne einander. Mütter haben viel Macht, auch oder gerade in patriarchalischen Gesellschaften. Sie nutzen diese Macht subtil, unterschwellig, mit Taktik und Strategie, die sie oft selber nicht durchschauen. Sie ziehen alle Register die unter "Eine kluge Frau würde..." laufen. Sie schaden damit sich selber, den Männern, ihren Kindern. Aber es ist oft die einzige Möglichkeit zu überleben. Es macht teilweise den mit so sozialisierten FRauen Umgang so kompliziert. Weil selten das gesagt wird (oder getan) was wirklich gemeint und gewollt ist. Weil alles den "ein kluge Frau würde jetzt"-Regeln und Ratschlägen anderer Matriarchalinnen folgt. Und viel Dummes dabei heraus kommt. Leider immer noch und immer wieder.

    Und: Es gilt alles nur für die Mütter. Eine Frau ohne Kind? Was ist die wert? Oft nicht viel. Es sei denn, sie wäre unverheiratet und ohne Partner, das geht dann. Dann ist sie die "TAnte", die in der Familie eine starke Rolle spielt, der Joker sozusagen. Dann lieber wie die Teletubbies, wo auch immer die Kleinen herkommen, vielleicht auch aus dem Pudding?

  • Nein, die „Zielvorstellungen klaffen [gar nicht] auseinander“. Sie sind eher Abschnitte auf einem imaginären Zeitstrahl. Sie liegen zeitlich hintereinander, nicht in verschiedenen Richtungen. Und das ist auch ganz richtig so.

     

    Die Welt nach dem Patriarchat ist schließlich keine Eintagsfliege. Es muss auch morgen noch Entwicklung geben können, selbst bei den Teletubbies. Wo man also heute schon froh sein muss, wenn „Chancengleichheit auf dem Arbeitsmarkt und gerechte Aufteilung von Familienaufgaben die Regel“ werden, da darf man vielleicht morgen schon getrost davon ausgehen, dass Menschen nicht bei der Geburt übers Geschlecht „auf eine Rolle festlegt“ werden, sondern „Spielraum zum Experimentieren bleibt“. Und wenn es erst mal so weit ist, werden Geschlechter nebst ihrer sprachlichen Unterscheidung ja womöglich übermorgen überflüssig, sodass sie von allein verschwinden wie schon so vieles, das es einmal gab.

     

    Nein, wir müssen uns nicht dividieren lassen. Wir müssen nur Geduld haben – mit uns und mit den Anderen. Je ambitionierter unsre Ziele sind, desto mehr Geduld brauchen wir. Die „Erwartungen an jeden und jede Einzelne“ dürfen sich nämlich nicht an den eigenen, als mehr oder weniger dringlich empfundenen, Bedürfnissen ausrichten, sondern an den Fähigkeiten aller anderen, den Erwartungen zu entsprechen.

     

    Patriarchat ist, wenn der Patriarch befielt und alle anderen gehorchen. Matriarchat ist, wenn die Mutter fördert und das Kind versteht. Ziel muss es sein, als Erwachse*r unter Erwachsenen zu leben. Wir sind ja schließlich keine (Mini-)Teletubbies nicht.

     

    Übrigens: Die Rechten wissen offenbar viel besser als die Linken selber, dass letztere ein Zeitproblem haben. Sie würden sich sonst nicht schon vor den aller ersten Schritten in die richtige Richtung fürchten. Sie würden auch nicht so verbissen, wie sie's tun, diejenigen, die mehr Geduld brauchen, gegen die ausspielen, die schneller ans (bescheidenere) Ziel gelangen können.

  • Woher weiß die verfassende Person denn, dass die Teletubbies überhaupt 'männlich/weiblich' sind?

     

    Wieso wird suggeriert, dass wir, solange nicht alles durch Elektronik und Roboter erledigt werden kann, vergeschlechtlichte Zuschreibungen irgendwelcher 'Rollen' oder 'Aufgaben' brauchen? Klar müssen die anfallenden Dinge in einer Familie (bspw.) geregelt werden, das heißt aber mitnichten, dass daraus fixe 'Rollen' entstehen müssen bzw. diese an Geschlecht gebunden werden müssen.

     

    Warum haben die Tubbies durch das 'Tubbyschmusen' bereits eine 'lebhafte Sexualität'??