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Kolumne Die eine FrageLaw-and-Order-Politik, bitte!

Peter Unfried
Kolumne
von Peter Unfried

Deutschland war immer für das Auto. Die Grünen waren gegen das Auto, sie wurden sogar gegen das Auto gegründet. Und jetzt?

Konzernzentrale der Daimler AG, Stuttgart-Untertürkheim Foto: dpa

D eutschland war für das Auto. Was denn sonst? Die Grünen wurden gegen das Auto gegründet. Für die Grünen-Wähler war es eine ästhetische Geste des Nicht-Einverstandenseins mit den Zuständen. Selbstverständlich fuhren die meisten aber auch mit dem Auto zum KV-Treffen.

Und nun? Es gibt starke Anzeichen, dass die Autoindustrie die Bundesregierung so im Würgegriff hat wie die Schlange die Laokoon-Gruppe. Und manche Staatskanzlei offenbar auch. Der Vorwurf der Woche lautet: „politindustrielles Kartell“ (Zeit).Verknappt: Regierungspolitiker haben regulierende, auf die Zukunft gerichtete Politik vermieden, um die Gegenwart minimal zu verlängern, also Arbeitsplätze und Wohlstand durch betrügerischen Verkauf von Autos mit zukunftsfeindlichen und gesundheitsschädlichen Verbrennungsmotoren. Konzerne haben auch dadurch Abermilliarden verdient, dass sie ihre Kunden getäuscht haben.

Große Empörung. Oder naja, bisher eher kleine Empörung.

Automobilkonzerne haben andere Mittel, Politik für sich machen zu lassen, als Kinder, Afrikaner und lobby- oder gar gewerkschaftslose Lohnarbeiter und prekäre Selbständige. Das ist im Exzess demokratiegefährdend. Aber Städte, Regionen, Bundesländer, Schulen, Kultur, Sport hängen an den Gewinnen dran. Alle sind irgendwie verstrickt. 99 Prozent der Autobesitzer in Deutschland haben Autos mit Verbrennungsmotoren. Wer zwei winzige Kinder hat, denkt schon, er brauche einen SUV. Und der flammende „Jetzt muss Kretschmann aber mal…“-Leitartikler steigt abends auch in seinen neu geleasten Turbodingsbums.

So als Ideal-Geste

Bis heute hat sich deshalb die Idee gehalten, die Grünen müssten gegen das Auto sein. So als Ideal-Geste. Während in der Realität alle immer größere Autos fahren.

Das gleicht sich aber nicht aus und ist tragisch überholt. Wenn man sich die Parteiprogramme ansieht, dann könnte man die Grünen heute als die einzige Autopartei betrachten. Und als Realos der Mobilität. Zu diesem Realismus gehören aus Gründen der Lebensqualität Städte mit mehr Fahrradkultur. Aus Klimarealismus gehört dazu das geregelte Ende des fossil betriebenen Autos und wegen der Wohlstands- und Arbeitsplatzbewahrung die Konversion der Autokonzerne zu Mobilitätsdienstleistern. Das hat überhaupt nichts mit Ökosozialismus zu tun, oder dass nun alle Ökos werden. Das ist nichts weiter als das Projekt jener ökologischen Modernisierung, deren Ziele beim Klimagipfel von Paris die ganze Welt unterschrieben hat: Erneuerbare Energien statt Kohle, Rückzug aus der industriellen Fleischproduktion, ein Ende des Flächen- und Naturverbrauchs.

taz.am wochenende

„Erdbeerwoche“ oder „Besuch von Tante Rosa“: Menstruation ist noch immer ein Tabu. Warum wir endlich offen über sie reden sollten, erklärt die taz.am wochenende vom 29./30. Juli. Außerdem: Hello darkness, my old friend. Zum 50. Jubiläum erhält Mike Nichols' Filmklassiker „Die Reifeprüfung“ ein neues digitales Gewand. Und: Audi, Daimler und Co. Was hat die Autoindustrie in geheimen Arbeitskreisen besprochen? Eine Reportage aus Wolfsburg und Baden-Württemberg. Am Kiosk, eKiosk oder im praktischen Wochenendabo.

Die Frage ist also: Wie kann man Autofahrer und Currywurstesser (also uns) dafür gewinnen, das als tragenden Teil eines Regierungsauftrags zu fordern, der dann von Politikern wirklich ausgeführt wird, indem sie einen verlässlichen Rahmen mit Gesetzen und Zielen vorgeben, die sie kontrollieren und gegebenenfalls sanktionieren. Es klingt seltsam, aber es braucht hier seriöse Law-and-Order-Politik. Denn das ist das Gegenteil des Status Quo.

Wird man dafür gewählt? Nur wenn klar ist, dass diese Regierung eben auch ganz andere Dinge tut, die wiederum anderen Leuten wichtig sind. Die erfolgreichen neuen Bewegungen sind keine Kollektive, sondern Formationen von Nicht-Gleichen. Die Philosophin Isolde Charim hat so das Geheimnis des Macronismus beschrieben. Die Mehrheit für die ökologische Modernisierung ist nicht links und nicht konservativ und schon gar nicht urgrün. Sie ist neu. Nur jemand, der das versteht, kann die Nicht-Gleichen jenseits der Parteien und Ex-Lager dafür zusammenbringen.

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Peter Unfried
Chefreporter der taz
Chefreporter der taz, Chefredakteur taz FUTURZWEI, Kolumnist und Autor des Neo-Öko-Klassikers „Öko. Al Gore, der neue Kühlschrank und ich“ (Dumont). Bruder von Politologe und „Ökosex“-Kolumnist Martin Unfried
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19 Kommentare

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  • Die Philosophin Isolde Charim - ein interessanter Ansatz. Muss man sich mit beschäftigen. Und mit den letzten drei Sätzen der Kolumne.

  • 5G
    571 (Profil gelöscht)

    Besser, er hätte die Kolumne von seinem Bruder verfassen lassen. Immerhin setzt der nicht auf so alte überholte Schinken wie Peters äh - naja - "Öko-""Klassiker"".

    • @571 (Profil gelöscht):

      *Schmunzel* Guter Ansatz. Das muss ich mir reinlesen die Tage. Mir fällt nur auf heute, die grüne Ministerin für Bildung in BaWü will sich weiter ins Abseits politisieren, in dem sie die politische Willensbildung der Studierenden lähmen will.

       

      Andererseits will mir immer noch nicht in den Kopf, weshalb zwei Bücher von PU nicht mehr käuflich zu erwerben sind. Ob es bei Amazon aus zweiter Hand was geben könnte ? Ist zwar nicht mein Fall Amazon, aber ich versuche es.

       

      Ach und Frau Peters, Saarland halt :-)

      Europäisch gesehen, für mich das gleiche wie Frau Harms ... Bitte um Entschuldigung, wenn ich zu weit gegangen bin.

  • Ich erinnere mich gut an die Gründung der Partei DIE GRÜNEN.

    Die SPD war zu etabliert und zu wenig ökologisch interessiert. Man himmelte den Gourmand an, der den Leuten sagte, sie sollen jetzt langsam den Gürtel enger schnallen.

    Dann kamen die sexistischen Themen, na ja. Und nach der Wende Bündnis90/Die Grünen - man wollte dabei sein. Klaro. Bastian und Kelly die wirklichen Grünen ? Sie wurden sehr rasch abgesägt. Schade.

  • „Die Grünen wurden gegen das Auto gegründet.“

     

    Tja, man lernt doch nie aus. Das hab ich eigentlich nie so wahrgenommen und atomkraftbetriebene Autos gab's - zumindest offiziell - hier doch auch kaum. Aber der Peter war immerhin schon 17 als die Grünen (als Partei) gegründet wurden und da muss er ja schließlich genau wissen, wovon er schreibt.

    Woran ich mich durchaus noch erinnern kann, ist diese „seriöse Law-and-Order-Politik“, deren Wiedergeburt allenthalben gefordert wird. Ja, Peter, es klingt seltsam, doch unterm Strich hat die immer nur den „Status Quo“ gesichert und sich selbst natürlich.

     

    Liege ich da etwa falsch, oder war es einfach nur ein vermeidbarer Fehler, den Quotierungsbeschluss der taz extra für Peter Unfried aufzuheben?

    • @Rainer B.:

      *meld* Darf ich fragen, welcher taz-Quotierungsbeschluss es ist, von dem Sie sprechen ?

      • @Pink:

        Gute Frage! Ich nehme mal an, es ging um die Verteilung von Männlein und Weiblein in der Redaktion. Die Sache mit dem Quotierungsbeschluss las ich ganz zufällig hier:

        https://de.scio.pw/Peter_Unfried

        • @Rainer B.:

          Danke für den link -

          Wer da jetzt die Quoten…gegeben hat.

          Offen.

          Schön aber auch ein paar Zeichen weiter - kerr!;)

          "…Seit 2009 ist Unfried Chefreporter der taz. Peter Unfried war außerdem Dozent an der FH KUNST Arnstadt, die am 1. März 2013 ihren Lehrbetrieb einstellte.…"

          Wer Arnstadt kennt - Könnte so auf

          Gedanken kommen. & Zwar -

          Mal ab von dem Beitrag hier -

          So passend zu der feingesponnenen -

          - ein paar Zeichen weiter - Schwatzgrün Veröffentlichungsgirlande - öh -

          Until the end.

          • @Lowandorder:

            Da hör ich mal ein paar Songs von Bella Donna Stevie Nicks und freue mich auf morgen.

            • @Pink:

              Auf der Suche (Quotierung & Unfried) fand ich leider nur diesen Beitrag von 2012. Eine Antwort gibt er nicht, aber vielleicht ein gutes Stimmungsbild im Rahmen von möglichen Antworten. Ich musste sogar einmal laut lachen beim lesen. Auch die Kommentare sind - wie fast immer - sehr aufschlussreich!

              https://www.taz.de/Archiv-Suche/!5083277/

        • @Rainer B.:

          Hm. Wohl ein Mehrheitsbeschluss.

          Obwohl die Mehrheit der Frauen die bundesdeutsche Bevölkerung stellen, also mehr als 50 %. Wenn solch ein Quotierungsbeschluss existierte, war die eine Frage wohl "Mann oder Frau" ... Dies ist bedauerlich.

           

          Welche Mehrheit der TAZ hob den Quotierungsbeschluss auf ? Das ist für mich nun die eine Frage ...

          • @Pink:

            Würde mich auch sehr interessieren und vor allem warum eigentlich. Als ob die Mädels sowas nicht auch locker hinkriegen würden. Aber - wie gesagt - ich bin im Einzelnen auch nicht darüber informiert und es bleibt einer Redaktion natürlich unbelassen, solche Dinge intern zu klären. Am ehesten findet man wohl über taz-Suche noch das ein oder andere dazu, oder auch nicht.

  • Die Politik, ob schwarz, ob grün, ob rot oder gar gelb, ist korrupt. Welche Farbe hat die AfD ? Na, die inkludiere ich jetzt vorbeugend und fristwahrend auch !

    • @Pink:

      Wenn grün für Sie korrupt ist, dann ists pink auch.

      • @Grisch:

        Upps, heute erst gelesen.

        Der Nickname PINK ist dem Dadaismus geschuldet; sonst gar nichts. Nö, ich bin nicht korrupt, sondern eine schlichte Kommunalpolitikerin *g*

    • 5G
      571 (Profil gelöscht)
      @Pink:

      blau

      • @571 (Profil gelöscht):

        Stimmt ja. Diese Farbe ist blau.

  • Tja - der Herr ist schon ziemlich low &

    Out of order.

    Da mähtste nix.

    Normal.

  • An der Regierung zu sein ohne zu gestalten, ohne die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen zu verbessern und zukunftssicher zu machen kann man getrost als politisches Versagen bezeichnen.

     

    Politisches Handeln geht immer nur über Gesetzesänderungen und die Gesetzte müssen natürlich auch durchgesetzt werden.

     

    Ein solches politisch verantwortungsvolles Handeln mit dem Begriff "Law-and-Order-Politik" zu diffamieren ist verantwortungslos. "Law-and-Order-Politik" bedeutet Freiheiten einzuschränken. Darum geht es aber nicht oder nur vordergründig, es geht in Wirklichkeit darum Freiheit für Alle zu gewinnen.