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Kolumne Die eine FrageLinks, linker, grün

Peter Unfried
Kolumne
von Peter Unfried

Würde, würde, Fünf-Prozent-Hürde. Sind die Grünen womöglich die solidarischste Gerechtigkeitspartei – und wissen es selbst nicht?

Wie piefig: Die Grünen ätzen gegen Porsche Foto: dpa

E ine Lieblingsbeschäftigung sozialdemokratischer, ­sozialistischer und auch grüner Politiker ist es, Grünen zu sagen, sie seien nicht „links“. Saturierte Globalisierungsgewinner, die sich einen Dreck um die Verlierer scheren. Anders als wir tollen Genossinnen und Genossen. Wobei der Marxist den Sozialdemokraten seit über hundert Jahren auch nicht mehr als „links“ versteht, sondern als Judas, der die Verdammten an den sogenannten Neoliberalismus verkauft hat.

In der Soap „Oskar and Sahra Crazy in Love“ ist das so etwas wie der böse Schleim in Gruselfilmen. Und beide verstehen nicht, dass es das „links“ der Vorglobalisierung und Vordigitalisierung nicht mehr gibt – oder nur mit Protektionismus, wie Trump das ja auch probiert. Aber jetzt kommt die Megaüberraschung: Im modernen Sinne sind die Grünen die Allerlinkesten.

Nach zeitgenössischen Politiktheorien gibt es ja eine Alte Linke und eine Neue Linke. Erstere ist für Solidarität mit Globalisierungsverlierern (früher: mit Arbeitern) zuständig, Zweitere für Solidarität mit emanzipatorisch benachteiligten Gruppen (Einwanderern, Frauen, Homosexuellen). Die beiden Linken sind nicht selbstverständlich Verbündete. Die Solidaritätspolitik der Neuen wird von Teilen der Alten Linken als ökonomische Entsolidarisierung und kulturelle Verhöhnung erfahren. Folge: Linkspartei, AfD, Front National, Mélenchon.

Die Grünen haben hart dafür gearbeitet, dass ihnen nicht nur die Verlierer der Globalisierung, sondern viele gesellschaftliche Gruppen jenseits von Baden-Württemberg nicht trauen. Meine These: Das liegt nicht primär an ihrer Sozialpolitik, sondern an ihrer „Methode“, wie der frühere Parteichef Lukas Beckmann den Habitus nennt, den die anderen als Kultur- oder Moralimperialismus ­erfahren.

taz.am wochenende

Inklusion ist kein Zuckerschlecken: Auf Rügen gibt es keine Förderschulen mehr, in Berlin schon. Welches Modell ist besser? Die taz.am wochenende vom 15./16. Juli war auf der Insel und in der Stadt. Außerdem: Sammeln Sie auch Taubsis und Schlurps? Bekenntnisse zum ersten Geburtstag von "Pokémon Go". Und: Würden Trump-Wähler ihren Kandidaten heute wieder wählen? Am Kiosk, eKiosk oder im praktischen Wochenendabo.

Dagegen steht Beckmanns „dia­lo­gi­scher Ansatz“, der in Baden-Württemberg und Schleswig-Holstein grüne Politik hegemonial macht, weil sie Minderheiten und Mehrheiten zusammendenkt. Das setzt aber Akzeptanz kultureller und sexueller Vielfalt voraus, dass also auch Fischer-Fans (Joschka, Helene), Aldi-Fleischkäufer oder heterosexuelle Männer als Menschen okay sind und zur res ­publica gehören.

Kampagne gegen Porsche-Fahrer

Aber was passiert diese Woche? Die Gräben in Europa und der Welt werden immer tiefer – und die grüne Bundesgeschäftsstelle startet eine unfassbar piefige Retroressentimentkampagne gegen Porsche-Fahrer und die FDP. Sie sind schon kleinstgeschrumpft und kläffen sich noch kleiner. Aber warum?

Das ist deshalb etwas irritierend, weil die Grünen im Gegensatz zu den Sozialdemokraten von Union und SPD ja noch eine dritte Solidarität politisch bearbeiten, ohne die es überhaupt keinen linken Gerechtigkeitsbegriff mehr geben kann. Das ist die Solidarität ohne Grenzen von Raum und Zeit, also mit der Weltgesellschaft und mit ihren und unseren Nachfahren. (Was nicht heißt, dass man die EU-Grenzen abschafft.)

Der Green New Deal müsste aus grüner Sicht das zentrale Gerechtigkeitsinstrument des 21. Jahrhunderts sein. Sozialökologisch wirtschaften heißt ganz simpel: Ausbeutung darf sich nicht mehr lohnen. Das ist radikal neue Politik für ein globales Mitte-unten. Für alte, neue und grenzenlose Linke. Das würde ich denen sagen, deren Denken immer noch um eine „andere“ SPD kreist (mit Supermindestlohn im Kohlebergbau). Denen, die zur Linkspartei wechselten. Und denen, die zur AfD tendieren.

Würde, würde, Fünf-Prozent-Hürde. Die Bundes-Grünen haben derzeit nur noch ihren Staatsmann Cem Özdemir. Sie kennen ihren gesamtgesellschaftlichen Gerechtigkeitskern nicht oder trauen ihm nichts zu. Sie haben keine Sprache für die Gegenwart, sondern taumeln zwischen Nena-Teeniepoesie und altgrünem Echograbkammer-Bitchen. Verstehen sie nicht, was auf dem Spiel steht?

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Peter Unfried
Chefreporter der taz
Chefreporter der taz, Chefredakteur taz FUTURZWEI, Kolumnist und Autor des Neo-Öko-Klassikers „Öko. Al Gore, der neue Kühlschrank und ich“ (Dumont). Bruder von Politologe und „Ökosex“-Kolumnist Martin Unfried
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27 Kommentare

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  • Werter Herr Unfried ! Nun schreiben Sie doch mal eine Kolumne, die ich besser verarbeiten kann. Meinung_lebt denke ich immer.

  • Links, linker, Grün ?

    Gähnial. Nöö. Ich glaub's nicht.

  • 7G
    74450 (Profil gelöscht)

    Dieser Text scheint vor "Hamburg" geschrieben worden zu sein. Schöne Theorie. Doch was zeigt die Praxis?

     

    Wir haben gesehen, wenn die Grünen (mit)regieren, werden Bürgerrechte abgeschafft, Gefangene misshandelt und gleichzeitig ganze Stadtviertel verwüstet. Kommentar der Grünen: Fragezeichen!

     

    Regieren die, sind die in der Verantwortung oder gibts die schon gar nicht mehr?

     

    Was ist mit den Wähler*innen, die diese Partei gewählt haben?

     

    Haben die nicht ein Recht zu erfahren, wie die Grünen auf die Ereignisse in Hamburg zu reagieren gedenken? Bundespolitisch und Landespolitisch?

     

    Ich hab die Schnauze voll von diesen ritualisierten Debatten zu Umverteilung vs. Anerkennung. Wichtig ist, was passiert, wenn regiert wird.

     

    Wenn dann kommentarlos Menschen von Polizisten verprügelt werden und Anwohner*innen von politischen Hooligans terrorisiert werden, muss mensch sagen, weg mit dieser Regierung!

     

    Wer keinen Arsch in der Hose hat, soll Opposition machen!

    • @74450 (Profil gelöscht):

      Falsch. Wer die Hosen voll hat echt absichtlich in die Opposition.

       

      Und nach ihrer politischen Blame them Milchmädchenrechnung sind an Schuldigen politischen Parteien schon mal raus:

      - SPD: schuldig wg. Innensenator, Bürgermeister, ....

      CDU: schuldig wg. Zusammenarbeit mit HH

      Grüne: sippenhaftmäßig schuldig da Koalionspartnet der SPD

      Linke: ideologisch und so weiter, Flora bla bla bla

      ... bleibt nur noch Sch. über ...

       

      Aus allen Ecken nun Schuldige heranzukramen inclusive. Forderung die HH Regierung aufzulösen bringts nicht und verwässert den Blick auf die HH Vorkommnisse und die eigentlichen Akteure.

  • @RAINER B.

    Danke für diesen Beitrag.

    .

  • Hmm!

    Jetzt hab ich es doch wieder getan.

    Hab's gelesen.

    Warum tust Du es immer wieder? Zwingt Dich doch keiner, Junge.

    Er wird sich schon was dabei gedacht haben.

    Könnte man zumindest meinen.

    Wenn man es nicht längst besser wüsste.

    Dann denk doch jetzt einfach mal wieder an Joschka Fischer, Alter.

    In seinen besten Zeiten hat der einen Wasserwerfer ganz alleine ausgelutscht.

    War vielleicht doch ein Fehler, dass man das Klonen hier verboten hat.

    Sowas hätte man in Hamburg doch dieser Tage richtig gut gebrauchen können -

    als „allerlinkeste“ grüne Polizeibremse.

    • @Rainer B.:

      Ja, warum liest man eigentlich überhaupt?

       

      Das verunsichert doch nur...

      • @Hartz:

        Dabei wollte ich gar nicht verunsichern.

  • 3G
    32795 (Profil gelöscht)

    In der Schweiz und innert der deutschen Linken ist Ruhe die oberste Bürgerpflicht, da verträgt man keine Krawallmacher, so viel haben meine Vorkommentatoren schon klar gemacht.

     

    Dennoch ist da was dran, auch wenns schmerzt. Das "linke Lager" bringt gemäß Umfragelage derzeit zusammen nicht einmal 40% auf die Waage, eine ausschließlich linke Regierung können wir also knicken, R2G dürfte tot sein.

     

    Wo geht jetzt die Reise hin? Sollen sich Linke, Grüne und SPD weiterhin thematisch kanibalisieren bis SchwarzGelb wieder vollends die Oberhand hat? Alle weiter in die ganz linke Ecke weil es da am Meisten Applaus von den paar Prozent gefestigter Linker gibt?

     

    Es gilt die SchwarzGelbBlaue Dominanz (55% haben die, R2G kommt auf 39%) zu brechen. Es gilt der Union, der FDP und der AfD Stimmen abzujagen.

     

    Da müssen neue Rezepte her, das Denken in alten Bahnen hilft da nicht weiter. Dass sich die Grünen hierzu radikal Sozialökologisch positionieren sollten bezweifle ich, aber dennoch müssen sich die linken Parteien allesamt neu positionieren. Die Alternative ist auf der Oppositionsbank Gift und Galle zu spucken.

     

    Auf dogmatischen Positionen zu verharren wird nichts bringen. Wer nicht mit der Zeit geht, der geht mit der Zeit...

    • @32795 (Profil gelöscht):

      :-) Früher fand man Prinzipien auch mal ganz gut. Aber icht mit Ihnen!

    • @32795 (Profil gelöscht):

      Selbst der schwarze Block bekommt doch heutzutage keinen anständigen Krawall mehr auf die Beine. Das hat doch der G20 Gipfel gezeigt. Vermummte machen sich da zicke-zacke auf Polizeiaufforderung nackig und den Krawall übernehmen „erlebnishungrige Jugendliche sowie Voyeure und Partyvolk"

       

      Lediglich den Grünen wird noch zugetraut auch mal handgreiflich Hand anzulegen, wo es notwendig ist. Wenn es sein muss, dann wir auch schon mal mit Militäreinsätzen gearbeitet, wie es der Einsatz gegen den Genozid im Kosovovo gezeigt hat.

      • @Rudolf Fissner:

        Logisch. Für Sie war das einfach noch nicht genug heiße Luft. Sie fordern eine Zugabe.

    • @32795 (Profil gelöscht):

      „Auf dogmatischen Positionen zu verharren wird nichts bringen. Wer nicht mit der Zeit geht, der geht mit der Zeit...“

       

      Eine sehr dogmatische Position - finden Sie nicht? Für mich wär das deshalb schon mal gar nix.

  • Herrn Unfrieds Hass auf die Linke oder was er dafür hält ist äußerst zeitgemäß, doch muss man ihm zugute halten, dass er seit Jahren, um nicht zu sagen seit Jahrzehnten schon für schwarz-grüne Koalitionen agitiert. Aus realpolitischen Gründen wird diese Sehnsucht nun zu einer nach Jamaika erweitert. Geschenkt, dieses Steckenpferd des tax-Chefreporters; die verquaste Sprache freilich, diese penetrante Stillosigkeit, die nervt. Lowandorder hat das Notwendige dazu gesagt.

  • Angepasst...

     

    Die Grünen sind weder gerecht noch solidarisch noch sozial.

    Einfacher Beweis: Sie haben Hartz IV mitgetragen.

    Sie sind auch nicht links, sondern in ihrer Mehrheit wertkonservativ und sehr anpassungsbereit. Allenfalls gibt es einige pseudolkinke Grüne. Selbst die sind in der Minderheit.

    • @Hartz:

      Dafür aber gerechter als der Rest der Linke, die den seinerzeitigen Status Quo mit 5 Millionen Arbeitslosen beibehalten wollte.

      • @Rudolf Fissner:

        Wo lesen Sie denn das bei der "Linken" (Textxtelle bringen!)?...

        Und seit wann ist denn ausgerechnet Hartz IV gerecht, für das auch die Grünen sind? Nebst Einführung des Niedriglohnsektors natürlich...

        Und jetzt werden dann gerchte Jamaiks-Koalitionen geschlossen.

        Auf diese spezielle Art grüner "Gerechtigkeit" kann man also getrost verzichten.

    • @Hartz:

      Gut zusammen gefasst, stimme zu.

       

      Grüne sind allenfalls in der Mehrheit "wertkonservativ", aber ganz sicher nicht "links", sondern linkisch.

      • @Hanne:

        auch die selbsternannten Linken trauen ihren Gefühlen eben mehr als den Tatsachen - mit einer Ausnahme - und das sind die Grünen.

      • @Hanne:

        Nachdem die SED Nachfolgepartei zusammen mit einer Gruppe, dessen Namen heute niemand mehr kennt, fusionierte und den Begriff für sich per Parteiname pachtete, ist der Begriff die Linke und die Linken eh nicht mehr zu gebrauchen und für ewig verhunzt.

        • @Rudolf Fissner:

          Das "eh" verrät, wie gelegen Ihnen das Behauptete kommt/käme und wie gut Sie sich dabei fühl(t)en.

          • @MontNimba:

            Selbstbestätigung als durchsichtige Motivation des RF...

            Ist schon oft aufgefallen.

  • Dieser dreiste Angriff des Schwurbelmeisters PU - auf meine

    Bachmuskeln - Aber Hallo!

    Verletzt alle Kontrollratsbeschlüsse - ever!

     

    Hörn mer mal rein -

    Schnackeldickel RhabarberRhabarber

    & Däh!!!! Luurens all ~>

    "…Dagegen steht Beckmanns „dialogischer Ansatz“, der in Baden-Württemberg und Schleswig-Holstein grüne Politik hegemonial macht, …"

     

    "HEGEMONIAL" - darunter geht nix!

    Jau. Das ist adornierte Spitzenlage - gell!

    Da lacht der Kleingärtner - ja gar der von Schreber - wollnichwoll!

     

    "Unter Hegemonie (von altgriechischἡγεμονία hēgemonía ‚ Heerführung, Hegemonie, Oberbefehl‘; dieses von ἡγεμών hēgemṓn ‚ Führer, Anführer‘)[1]versteht man die Vorherrschaft oder Überlegenheit einer Institution, eines Staates, einer Organisation oder eines ähnlichen Akteurs in politischer, militärischer, wirtschaftlicher, religiöser und/oder kultureller Hinsicht. Gegenüber einem Hegemonen (dem Machthaber in der Hegemonie) haben andere Akteure in einem sozialen System nur eingeschränkte Möglichkeiten, ihre eigenen Vorstellungen und Interessen praktisch durchzusetzen. Die theoretische/juristische Möglichkeit dazu mag zwar gegeben sein, doch die Umsetzung scheitert meist an den Einflussmöglichkeiten und der Übermacht des Hegemons.

     

    Das dem Substantiv Hegemoniezugehörige Adjektiv heißt hegemonial, dessen Gegenteil antihegemonial.

    https://de.m.wikipedia.org/wiki/Hegemonie

    kurz - Die Grünen Kellner -

    Die Hegemonnistas in the brain of PU!;)

    Jau. Herr wirf Hirn vom Himmel!

     

    & Was danach kommt ist¿ -

    Kaum glaublich - Noch grottiger!

    Des Zitierens - Schlicht unwürdig!

    Nu. Mehr könnte glatt verunsichern.

    Da mähtste nix.

    Normal.

    • @Lowandorder:

      Vortrefflich!

  • Schade, dass die Zeit für Toni Hofreiter nicht gereicht hat, um sich zur Spitze zu kämpfen. Nächstes mal wird zu spät sein...

  • 5G
    571 (Profil gelöscht)

    "Fischer-Fans (Joschka, Helene)"

     

    Wie platt.

     

    Fehlen der Einfältigkeit halber noch: DIE CHÖRE...

  • Jemand der solche peinlichen Panegyrika schreibt:

    http://www.taz.de/!5374703/

     

    der hat wirklich keine Ahnung was links bedeutet. Egal ob alt, neu oder grenzenlos.