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Kolumne Die eine FrageZukunft wird aus Neuem gemacht

Peter Unfried
Kolumne
von Peter Unfried

Wie machen Grüne die Welt wirklich besser? Lukas Beckmann, ein Protagonist aus der Zeit der Parteigründung, hat die Antwort.

Bundesparteitag der Grünen, 2017 Foto: dpa

D ie mit Abstand beste Grüne Parteitagsrede der letzten Tage hat Lukas Beckmann gehalten. Er ist einer der wichtigsten Gründerfiguren der Grünen und war zu Nenas Zeiten Vorsitzender und Geschäftsführer.

Ja, Cem Özdemir war beim Berliner Parteitag nicht nur sehr gut inszeniert, sondern auch inhaltlich vorn dran mit seinem macronesken Europa-Denken und seiner radikalen innen- und außenpolitischen Realitätsbereitschaft. Daneben gab es eine ordentliche Darstellung von Geschlossenheit. Es gab aber auch die Grüne Dreifaltigkeit aus Welt-besser-machen-Gefasel, Wir-sind-die-Allertollsten-Chauvinismus und identitätsstabilisierenden Feindschmähungen (Trump, Lindner, Palmer). Eine häufige Betonung „roter Linien“, die man nicht überschreite, um damit die eigenen Truppen moralisch zu stärken und die Restwähler zu retten. Ach ja, und Anton Hofreiter hat wieder schön rumgeschrien.

Lukas Beckmann, 66, hat als Gast beim Parteitag der Schleswig-Holstein-Grünen den wichtigsten und in Berlin fehlenden Gedanken hinzugefügt. Die Entwicklungs- und Regierungsgeschichte dieses Landesverbandes, sagte Beckmann in Neumünster, sei „ein kulturpolitischer Erfolg, der Grünes Verständnis von Politikmachen verändert.“ (Die ganze Rede gibt es bei Youtube)

Der dialogische Ansatz

Was heißt das? Ich rief ihn an. Er ist überzeugt, dass die Grünen „die wesentlichen historischen Fragen verkörpern“. Er fand den Bundesparteitag gut, Aufgabenstellung und gemeinsamer Wille seien klar geworden, aber das dritte fehle: Die Methode, um politisch wirken zu können. Sie heißt für ihn „dialogischer Ansatz“ und den hat er in Schleswig-Holstein gefunden, wo die Grünen aus der Regierung heraus gegen den Bundestrend die Wahl mit 12,9 Prozent gewonnen haben und nun selbstbewusst in eine neue Koalition gehen, diesmal mit CDU und FDP.

„Ohne einen stärker dialogischen Ansatz kommen wir nicht weiter“, sagt Beckmann. Finanzministerin Monika Heinold, Energiewende- und künftig auch Digitalisierungsminister Robert Habeck und die anderen sieht er als politische Protagonisten eines „öffnenden Diskurses“, der „nicht Grundlagen über Bord wirft“, aber Politik von den „Aufgaben“ her definiere. Der bewusst nicht a priori auf die Überlegenheit eines eigenen Textes besteht, den er mit „rote Linien“ gegen Feinde schützt.

„Leonardo wusste nicht, dass Mona Lisa am Ende lächeln würde“, sagte Beckmann in Neumünster. Soll heißen: Gestaltungsprozesse leben von Freiheit, Unabhängigkeit und von Dialog mit anderen demokratischen Parteien. „Von dem Selbstbewusstsein, sich auf andere Linien einzulassen und die Angst zu überwinden, so dass man auf rote Linien verzichten kann“, sagt Beckmann. Und er sagt auch: „Was wir nicht tun, liegt genauso in unserer Verantwortung, wie was wir tun“

Deswegen sind Wutreden oder gar Moral-Selfies an Donald Trump bestenfalls alberne Selbstbestätigungsdiskurse. Sie lösen weder das methodische Defizit, noch machen sie die Welt besser.

Der oppositionelle Radikalismus-Gedanke ist so was von am Ende. Rettung bringt nur der radikale Bruch damit und die intellektuell-emotionale Fähigkeit, diesen durchzusetzen. Die vielbeschworene „Eigenständigkeit“ meint weder eine eigene Welt noch Beliebigkeit. Sie ist die Souveränität derer, die wissen, dass sie selbst was auf dem Kasten haben. Die darauf bauen (müssen), dass das bei anderen auch so ist. Die gerade mit denen in einen Dialog gehen, die an der Demokratie zweifeln. Und die bereit sind, daraus gemeinsam etwas zu entwickeln.

Aus dieser neuen politischen Kultur wird Zukunft gemacht.

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Peter Unfried
Chefreporter der taz
Chefreporter der taz, Chefredakteur taz FUTURZWEI, Kolumnist und Autor des Neo-Öko-Klassikers „Öko. Al Gore, der neue Kühlschrank und ich“ (Dumont). Bruder von Politologe und „Ökosex“-Kolumnist Martin Unfried
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17 Kommentare

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  • @LOWANDORDER

    Danke für Ihre Recherche GLS Treuhand.

  • 8G
    82236 (Profil gelöscht)

    Die Machtfrage ist für die Grünen entscheidend, mitregieren, mit der FDP wetteifern, wer denn das Zünglein an der Waage ist. Inwiefern die Ökologie da noch eine Rolle spielt, ist sehr fraglich und das Soziale haben die Grünen ja eh schon der Linken überlassen: Basisdemokratisch, sozial und gewaltfrei...das nervt nur noch...Schnee von gestern.

  • "Leonardo wusste nicht, dass Mona Lisa am Ende lächeln würde" ... ja, das ist wohl wahr.

    Aber: Van Gogh brauchte auch keine Pizza, um den Mond zu malen.

  • "'Leonardo wusste nicht, dass Mona Lisa am Ende lächeln würde', (...) soll heißen" und dann löst die taz netterweise das geistreiche Rätsel auf.

     

    Da hat der Lucas Beckmann wirklich ein schönes Bild gefunden, das muss ihm der Neid lassen! Die Gefahr, dass ich es auch ohne Erklärung verstanden hätte, besteht nicht.

     

    Die - freundlich ausgedrückt - Altersweisheit ältlicher Figuren gleich welcher Partei, verpackt in unzeitgemäße Sprache, lockt niemanden hinter dem Ofen vor.

     

    "Zukunft wird aus Neuem gemacht": Wer hat eigentlich Lust, sich mit solchen Sätzen zu befassen?

  • ....Deswegen sind Wutreden oder gar Moral-Selfies an Donald Trump bestenfalls alberne Selbstbestätigungsdiskurse. Sie lösen weder das methodische Defizit, noch machen sie die Welt besser."

     

    Der oppositionelle Radikalismus-Gedanke ist so was von am Ende. Rettung bringt nur der radikale Bruch damit und die intellektuell-emotionale Fähigkeit, diesen durchzusetzen."

     

    schöne Sätze - aber ist es nicht eher so das die "intellektuell-emotionale Fähigkeit" der korrupten Gierhals Mentalität zum Opfer fällt - oder stumpf von Fake-Despoten weg gebohnert wird?

  • Mich wundert es immer wieder, wie weit sich Herr Unfried intellektuell verbiegen kann, um die gerade arithmetisch mögliche Konstellation zu rechtfertigen.

    • @agerwiese:

      Ja wie? "…sich Herr Unfried intellektuell verbiegen kann, …"

       

      Mit Verlaub -

      Wer - "Zukunft wird aus Neuem gemacht" - ist intellektuell ersichtlich -

      Überfordert!

      Nothing else!

       

      Ich zitier mal - frisch ausse mail-post

      ""Zukunft wird aus Neuem gemacht." Welch ein elendes Geschwurbel, wie alles andere auch.

      Zukunft wird nicht gemacht, und sie ist immer neu. Außer bei FuturZwei."

       

      Danke. So geht's doch auch!

      Normal.

  • In einer permanent moralisierenden political correct-en, von GRÜNEN dominierten Welt möchte ich nicht leben.

    • 5G
      571 (Profil gelöscht)
      @Nikolai Nikitin:

      Wie hätten Sie 's denn gerne?

       

      Übrigens brauchen Sie diese "Welt" nicht zu befürchten, dagegen arbeiten schon genügend permanent demoralisierende Kräfte.

    • @Nikolai Nikitin:

      Man muss die Grünen nicht mögen (wg. Kapital-Opportunismus), um deren Nachdenken über eine vielleicht doch bessere Welt dem angeschimmelten, denkfaulen Bashing sg. "pol. correctness" jederzeit vorzuziehen.

      Es sind weder die Grünen noch die Moral, die die Welt immer tiefer in die Scheiße reiten.

      • @Spin:

        Sie haben Recht. Das andere Extrem ist genauso verabscheuungswürdig.

        • @Nikolai Nikitin:

          Was meinen Sie mit moralisierend? Den Hinweis auf wissenschaftliche Fakten wie Klimawanderl, Artensterben, landwirtschaft auf Kosten der Umwelt und der Menschen, soziale Missstände ... Ja solche Hinweise auf Tatsachen sind für viele ein "moralisiernder" Stock im Getriebe.

          • @Rudolf Fissner:

            Ich habe nicht von Moral gesprochen, sondern von 'moralisierend'.

            IYkwIm

            • @Nikolai Nikitin:

              Ach die ganzen Probleme kennen Sie schon. Für viele ist es schon "moralisierend", wenn darauf hingewiesen wird, dass da ein großer Handlungsbedarf besteht. Ich bin froh dass Sie das genauso sehen.

  • Wat issen nu wieder ditte - wa!

    Alter Wein in neuen Schläuchen der Zukunft - oder Schwatz-grün -

    Recycled!

     

    Hörnmer mal rein - Jenseits - PU & -

    Peterchens Mondfahrt - gell! https://de.m.wikipedia.org/wiki/Lukas_Beckmann

    "Lukas Beckmann (* 14. September1950 in Hilten, heute Neuenhaus, Niedersachsen) ist ein ehemaliger deutscher Politiker von Bündnis 90/Die Grünen.…"

    &…

    "…zählte zu den Initiatoren des „Koordinierungsausschusses“ der Friedensbewegung. Dort führte er einen heftigen Kampf gegen die moskautreuen Mitglieder und sozialdemokratisch eingestellte Aktivisten.…"

    &…

    "…Beckmann bildete zusammen mit Eva Quistorp, Norbert Kostede und Helmut Wiesenthal und Brigitte Berthold in der von Flügelkämpfen geprägten Partei ein wertkonservatives, realpolitisches Gegengewicht zur fundamentalistischen Radikalökologin Ditfurth und dem Ökosozialisten Trampert.…"

    & …

    "…Als er 1987 eine Koalition mit der CDU als machtpolitische Alternative ins Spiel brachte, geriet er unter starken innerparteilichen Druck und verzichtete auf eine erneute Kandidatur.…"

    &…

    "…Nachdem die Grünen bei der Bundestagswahl 1994 den Wiedereinzug in den Bundestag als Fraktion schafften, wurde Beckmann Fraktionsgeschäftsführer der grünen Bundestagsfraktion. Er hatte diese Position 16 Jahre inne.…"

    &…

    "…Von März 2011 bis März 2017 war Lukas Beckmann als Vorstandsmitglied für die GLS Treuhand tätig.[7] Lukas Beckmann wurde am 1. März 2017 in den Ruhestand verabschiedet" https://de.m.wikipedia.org/wiki/GLS_Gemeinschaftsbank

     

    Wiewohl als Zaungast bei Köfaz&Ökobank "dabei"

    Bleibt mir - Als Fraktionsvors .

    Verantwortlich für Grüne Kellner

    Agenda 2010/Bankenderegulierung &

    HartzIV & 2 Kriegseinsätze 'schlands

    Verfassungs&Völkerrechtswidrige &

    Mittels dreister Täuschung der Öffentlichkeit - Kosovo-Bombardierung & Kriegspartei Irakkrieg!

     

    Heute - Dialog mit CDU&FDP als Zukunftsmotor! &

    Ha noi. Kein Wort zu Sozialen Verwerfungen ala HartzIV etc !

     

    Ich habe keine weiteren Fragen.

    Keine eine.

    • @Lowandorder:

      Wäre doch nicht das erste Mal, dass ein Spitzenpolitiker seine beyten Ideen hatte, als er schon keiner mehr war, oder?

      • @mowgli:

        "…Er ist überzeugt, dass die Grünen „die wesentlichen historischen Fragen verkörpern“.…"

         

        Das ist mindestens ne Idee -

        Daneben - kerr?!