Kolumne Die Kriegsreporterin: Ausgerechnet jetzt streiken?
Der „Spiegel“ setzt auf den Irakkrieg, bei „Zeit Online“ will man ein Stück Currywurst und die „Tagesschau“ zeigt, wie Social Media geht.
![Ein Stück Currywurst auf einer Plastikgabel Ein Stück Currywurst auf einer Plastikgabel](https://taz.de/picture/1005624/14/160216_Currywurst.jpeg)
H allo taz-Medienredaktion! Ich glaube, wir können aufatmen. Die Zeit der Hilflosigkeit scheint vorbei. Deutlich, sehr deutlich zeichnet sich am Horizont ab, wohin die journalistische Reise gehen könnte, was der Leser, die Leserin will.
Die 66-Jahre-Spiegel-Auflagen-Analyse, die jetzt vorliegt, zeigt deutlich, der Spiegel ist dann erfolgreich, wenn er Kennedy und den Irakkrieg auf dem Titel hat. Diese Erfolge zu wiederholen, sollte kein Problem sein, haben sich die Kennedys doch wie die Habsburger und ihre Karnickel vermehrt und auch eine Staffage von ihren familiären Genen gezeichneten Komikern hervorgebracht, die es immer wieder in die Presse drängt.
Oder der Irakkrieg. Grad keiner am Laufen? Kein Problem. Fragen wir doch mal Putin, der kriegt bestimmt schnell einen eingefädelt. Mit Donald Trump, auch so eine Art Erbschaden, dauert es ja noch etwas.
Oder nehmen wir Die Zeit. Sie feiert dieser Tage ihr 70-jähriges Bestehen und kommt damit ins attraktive Rest-Ager-Alter. Und weil man im neu benannten „Helmut-Schmidt-Haus“ weiß, dass Rasten gleich Rosten ist, ist man allen Horizonterweiterungen gegenüber aufgeschlossen und kann sich laut Geschäftsführer Rainer Esser sogar eine “Zeit-Currywurst-Bude“ vorstellen.
Sylter Trüffel-Mayo
Wenn die Qualität stimmt, sagt er. Logo. Das heißt in Hamburg: Pferd statt Schwein und Pommes mit Sylter Trüffel-Mayo. Auch eine “Zeit-Online-Currywurst-Bude“ ist denkbar, damit die Menschen, die wie die Zeit-Online-Mitarbeiter weit weniger Geld verdienen als ihre Printkollegen, ihren Kindern auch ‚nen Curryhappen kaufen können.
Aus den Resten des Formschinkens, die beim Mittagsitaliener auf den Tellern liegenbleiben, und mit ordentlich Gewürz drauf, sollte so eine Online-Wurst schnell lecker gemacht sein. Ja, leider, leider vermasseln die Online-Asseln grad ein wenig die 70-Jahre-Sause.
Seit Jahren kämpfen sie für eine finanzielle Gleichbehandlung mit den Printkollegen – ausgerechnet jetzt, da die Luftschlangen so schön hängen, machen sie so dumme Sachen, wie zu streiken und die Öffentlichkeit mit ihren Unmutsäußerungen zu verunreinigen. Aber nicht nur sie finden Grund zum Jammern. Der ehemalige Zeit-Autor Kuno Kruse hat in einem Text zum Jubiläum festgestellt: Es gibt während der Konferenzen keinen Whisky mehr.
Bei solchen oder ähnlichen Bedingungen muss man sich wirklich nicht wundern, wenn Journalisten hier und da mal Reden schreiben oder sich ein Kollege von der Welt der AfD als Berater an den Hals schmeißt. „Nur 4.000 Euro, ich mach‘s für 4.000 Euro! Voll tolle Beratung, mit großer Farbpalette im Krawattensortiment!“ Und ich dachte, nur die taz zahlt auf Formschinken-Niveau.
Auszeichnung für „patriarchatsfernen Journalismus“
Gezeigt, wie Frauen Moderne verstehen, hat die Kollegin Anna-Mareike Krause. Die Social-Media-Koordinatorin von tagesschau.de hat ein Foto so betextet: „Bundeskanzlerin Merkel hat sich heute mit der international renommierten Menschenrechtsanwältin Amal Clooney getroffen […]. Clooney kam in Begleitung ihres Mannes, einem Schauspieler.“
Es ist ein schönes Resultat, dass das Foto im Internet begeisterten Zuspruch fand. Ein anderes wäre eine Auszeichnung für „patriarchatsfernen Journalismus“, den ja mal jemand ins Leben rufen könnte. Der Bund Deutscher Zeitungsverleger zum Beispiel.
Oder Pro Quote. Leider holt einen die Macht des Mannes ganz schnell wieder ein: Auf dem Foto redet der Ehemann, die Menschenrechtsaktivistin sitzt schweigend daneben. Das war bei der Tagesschau auch aufgefallen. Nur, es gab kein anderes. Kreischend, schreiend und dem Fotografen die Tür eintretend zurück nach Berlin!
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Tabubruch der CDU
Einst eine Partei mit Werten
Jugendliche in Deutschland
Rechtssein zum Dazugehören
Jens Bisky über historische Vergleiche
Wie Weimar ist die Gegenwart?
Krieg und Rüstung
Klingelnde Kassen
Denkwürdige Sicherheitskonferenz
Europa braucht jetzt Alternativen zu den USA
Social-Media-Star im Bundestagswahlkampf
Wie ein Phoenix aus der roten Asche