Kolumne Die Kriegsreporterin: Varoufakis ins Internet abschieben
Die Chefredakteurin des „Guardian“ verdient ein Drittel weniger als ihr männlicher Vorgänger und der „Stern“ macht den Magazinjournalismus kaputt.
H allo taz-Medienredaktion! So, da bin ich wieder. In alter Frische. Nix mehr mit Grämen und Asche aufs Haupt werfen und Rosenkranz beten, sondern hübsch im Hier und Jetzt all das hervorholend, das letzte Woche liegen geblieben ist. Ich hatte die Inhalte in den Kühlschrank gelegt, so dass sie frisch bleiben.
Das hat bei der Meldung, dass die neue Chefredakteurin des Guardian, Katharine Viner, ein Drittel weniger verdient als ihr männlicher Vorgänger, auch gut geklappt. Kai Diekmann hingegen sieht etwas schlapp aus. Na, mal sehen. Vielleicht braucht der auch nur etwas Tageslicht.
Fangen wir bei Mrs Viner an. Sie wird, so schrieb die Süddeutsche Zeitung und stützte sich auf Zahlen, die das Verlagshaus des Guardian veröffentlichte, nicht wie Alan Rusbridgers 492.000 Pfund erhalten, sondern 152.000 Goldtaler weniger. Das bedeutet: Füllt eine Frau den Chefposten aus, ist das Gehalt um 30,84 Prozent vermindert.
Nun mag man fragen, was Frau Viner dazu bewogen hat, so einem erniedrigenden Scheißangebot zuzustimmen. Gestützt wird durch diesen Vorgang die These, dass jetzt, wo der Karren gegen die Wand gefahren ist, Prestige und Bezahlung sinken, Männer kein Interesse mehr haben und Frauen auch mal ran dürfen. Und die natürlich so blöd sind, für deutlich weniger Geld eine deutlich herausforderndere Arbeit zu leisten, als die Herren es taten, als ihnen die die Zeitung finanzierenden Anzeigen noch wie fliegende Fische in den Mund flogen.
So. Während diese Meldung an Frische nicht verloren hat, bleibt der Diekmann auch nach Sonneneinwirkung schlapp. Es hätte darum gehen sollen, dass der verklemmte Geifer mit dem er den Start des Sex-Erklär-Programms im ZDF mit Zeichnungen von Analsex habenden Mainzelmännchen begleitete, an die heimliche Erregung eines 10-Jährigen erinnert, der 1976 bei Oma die Witzseiten der Neuen Revue anguckt. Aber das ist geschenkt, das schockt jetzt nicht mehr.
Wollen die beim „Stern“ kein Geld verdienen?
Viel lustiger ist, dass der Stern vorgemacht hat, wie man durch Unterlassung das kaputt macht, was mal „Magazinjournalismus“ war. Wir erinnern uns: Der Spiegel hatte veröffentlicht, dass ein Stern-Autor mehrere Tage bei Varoufakis gewohnt hatte. Arno „Gespenst“ Luik hatte das Glück, von dem jeder Journalist träumt: Sein Protagonist lud ihn zu sich nach Hause ein. Sieben Stunden Gespräch mit einer der aktuell interessantesten Personen hat das Gespenst in die Redaktion gebracht. Und was macht die? Druckt ein paar süße Zeilen. Und der Rest über den streitbarsten Mann Europas? Wird ins Internet abgeschoben.
Dort erfreut sich die Langfassung veritabler Klickzahlen und ich frage mich: Wollen die beim Stern kein Geld verdienen? Halten – anders als die Konkurrenz – das Gespräch mit dem größten Einblickpotenzial in den Händen und stellen es ins Netz?! Ja, so qualifiziert muss man heutzutage sein, als Chefredakteur. Aber vielleicht war das auch einfach zu viel Inhalt fürs Magazin. Zu viele Gedanken, die den Neoliberalismus, in dessen Geist der Verlag seine „Sparauflagen“ auch beim Stern durchzieht, infrage stellen.
Wo käme man bei Gruner + Jahr auch hin, wenn das, was früher Journalisten waren und heute willfährige Konsumartikeldarstellungsmagazinmacher in Varoufakis Worten die Idee einer anderen Gesellschaft ausmachten? Wenn jemand auf die Idee käme, dem Spardiktat von Gruner Widerstand entgegenzusetzen? Die wenigen verbliebenen Bildredakteure, etwa, die jeder den Job von x Kollegen machen? Oder die … – oh, Platz weg. Glück für Gruner. Und damit zurück nach Berlin!
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