Kolumne Die Kriegsreporterin: Musikdebile in fünf Bundesländern
Um die Jodelfraktion gehört eine Mauer, die Lügenpresse tagt am Wochenende bei Affenhitze, und die „Zeit“ gibt den Zweifelnden Nahrung.
Hallo taz-Medienredaktion!
Lügenpresse auf die Fresse! Zum Glück kommt meine aktuelle Lieblingsnachricht von Media Control. Das ist so eine Zähleinrichtung, die beim Branchendienst Turi2 Anzeigen schaltet. Also glaubwürdig ist. Und da habe ich etwas gelesen, das mir nicht nur bestätigt, was ich immer gedacht habe, sondern auch noch mal ganz amtlich die Spreu vom Weizen trennt: Der „Musikantenstadl“, diese Sendung für Musikdebile mit Rechts-links-Hospitalismus, wird nur in fünf Bundesländern für gut befunden.
Ja, und nun rate mal! Eben! Im Bierreich Bayern, in der Schwabenstube Baden-Württemberg und – du ahnst es – im Osten. Dank der Lage ließe sich ganz wunderbar eine Mauer errichten, die uns Vernünftige von der Jodelfraktion trennt. So eine Art Anti-Toleranz-Graben könnte man buddeln und Nena vorher rüberschicken.
Apropos gute Aussichten: Am kommenden Wochenende findet wieder der größte und bedeutsamste Kongress der Lügenpresse statt, die Netzwerk-Recherche-Tagung. Da kommen alle zusammen, die quasi von der Lüge leben, weil sie ihre Existenzgrundlage bildet: JournalistInnen, die antreten, das Böse zu entlarven.
Dummerweise kommt auch noch jemand, mit dem keiner gerechnet hat: Hoch „Annelie“. Das ist nicht die kleine Schwester der reizenden Kollegin Annette-Christine Hoch, die ein Jahr nach dem anderen den taz-Wahrheitswettbewerb gewinnt, nee, das ist das Hochdruckgebiet, das sich mit rund 36 Grad als Special Guest angekündigt hat.
Und während die Organisatoren nun die Pausenzeiten verlängern wollen, würde ich doch, wenn ich eine pfiffige Unternehmerin aus dem Bereich „Pool“ wäre, denen ein Fußkühlungsbecken mit Sitzbänken drumrum aufs Gelände stellen. Unabhängig hin oder her, die Dankbarkeit würde sich auf ewig in die Herzen der Lügenpressler graben und sie würden nie böse über mich schreiben. Logisch würde ich als Eisherstellerin auch mal meine Eisverteiler rumschicken. Nicht, dass Freischreiber mit seinem grünen Frei-Eis wieder die ganzen Sympathiepunkte bekommt.
Fernsehsatiriker haben Mitschuld
Etwas weniger konstruktiv ist hingegen das Vorgehen von Die Zeit, die in der aktuellen Ausgabe die Problematik „Viele Menschen glauben den Berichten der großen Medien nicht mehr“ zum Titelthema, aber auch zum Auftakt einer „Neuen Serie“ macht. Ich frage mich, ob es klug ist, dadurch, dass man gleich eine ganze „Serie“ macht, den Zweifelnden zu suggerieren: Ihr habt recht. Das ist so schlimm, da können wir über Wochen Seiten füllen.
Manchmal reichen ja auch wenige Worte bezüglich der Umstände, wie heute Inhalte entstehen. So wie neulich, als mir auf einer Demo jemand seine Theorie von der gleichgeschalteten Presse erörtern wollte und sagte, ich solle mir nur mal die ganzen Zeitungen anschauen, da stehe überall dasselbe drin. Wort für Wort. Worauf ich sagte, das komme schlicht daher, dass überall Redaktionen zusammengelegt würden und selbst ein Mantelteil für diverse Zeitungen herhalten müsse. Da war Ruhe im Karton. Und ich dachte, danke Verleger, das habt ihr super hinbekommen!
In Die Zeit gibt der Autor Götz Hamann den Fernsehsatirikern eine Mitschuld am Zweifel des Volkes an den Medien. Ich glaube, er hat recht. Ich bin zwar nicht im Fernsehen, aber letzte Woche habe ich an dieser Stelle veröffentlicht, dass Spiegel Online bald mit einem neuen Portal kommen wird. Eine Meldung, die normalerweise die Staubkornumdreherjungs der Mediendienste in Aufruhr und Entzücken versetzt. Was mit Strom! Innovation vom Spiegel! Aber nein, keiner hat reagiert. Das lässt mich fragen, ob a) keiner meine Texte liest und ob ich b) was ändern muss. #Wahrheit vor die Tatsachen schreiben, zum Beispiel. Ich denk mal drüber nach und gebe zurück nach Berlin!
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Utøya-Attentäter vor Gericht
Breivik beantragt Entlassung
Entlassene grüne Ministerin Nonnemacher
„Die Eskalation zeichnete sich ab“
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin