Kolumne Die Kriegsreporterin: Aschemännlein und Zimperliese
Crazy Medienwelt: Papst Benedikt geht online, Springer kämpft gegen die "Tagesschau"-App und Anne Wills imaginäre Kinder heißen Klaus und Gaby.
H allo, taz-Medienredaktion,
Hatte ich eben noch gerätselt, welche Meldungen es diese Woche unter meine Top-News bringen, gibt der Papst höchstpersönlich die Richtung vor. Die Meldung "Papst Benedikt wird Nachrichtenchef" hat mich, wie wohl Millionen Gläubige weltweit, aus der geistigen Umnachtung gerissen. Das Aschemännlein will diesen Mittwoch mit einer Nachrichtenseite online gehen. "Mittwoch" - da läuten bei Tausenden Lesern die Glocken, denn Mittwoch ist Kriegsreporterinnentag. Sich so ein Datum für den Launch auszusuchen ist mutig, muss Gottes Jünger doch damit rechnen, dass die Aufmerksamkeit woanders liegt.
Die Seite - zunächst in his gräjt Inglisch verfasst - soll schon bald in vielen bunten Sprachen erscheinen. Leider hat Kai-Hinrich Renner, stets bestens informierter Medienmann des Hamburger Abendblattes, seine Kontakte nicht spielen lassen, um herauszubekommen, ob Kai Diekmann, erster Volksempfänger von Gottes Worten und mit dem Papst voll dicke, Pate steht. Obwohl - auf die Idee, immer einen nackten Sohn der Kirche zu zeigen, wird Bene auch allein kommen. "Messdiener Pascal (17) mag es besonders gern, wenn er die Kerzen zum Leuchten bringen kann: ,Wenn so ein strammer Docht ins Lodern gerät, wird mir immer ganz heiß.'"
Von allen guten Geistern verlassen wähnt man im Hause Springer die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten. Sonst immer in der ersten Reihe, wenn es darum gilt, für die Rechte der Bürger zu kämpfen, kämpft man aktuell lieber für sich selbst und tut alles dafür zu verhindern, dass die Bürger mehr für ihre Gebühren bekommen, nämlich zusätzlich zum Radio- und Fernsehangebot Inhalte im Netz. Springers Oberster Mathias Döpfner sieht stellvertretend für die Verleger in Folge von Smartphone-Apps wie dem der "Tagesschau" Zeitungen sterben.
SILKE BURMESTER berichtet wöchentlich von der Medienfront. Feldpost? Mail an kriegsreporterin@taz.de.
Wohlgemerkt - hier heulen die, die alles dafür tun, über Bewegtbilder Geld zu verdienen. Die ihre Printjournalisten mit Kameras ausstatten, damit sie ihr Zeitungsinterview auch noch als Film fürs Netz mitbringen. Die Filme einkaufen. Die "Leserreporter" etablieren, um günstig an Material zu kommen. Die darauf setzen, dass man alsbald selbstverständlich sein Smartphone an irgendwelche Krisselteile in ihrer Zeitung hält, damit auf dem Telefon ein Film abläuft. Sie heulen und ihre Tränen fallen weich. Die Kollegen von den Medienseiten haben ihr Taschentuch großzügig entfaltet.
Dass Journalismus nichts für Zimperliesen ist, wie Matthias Matussek sagte und auf die "300 überwiegend testosterongesteuerten Bullen" hinwies, die beim Spiegel grasen, hat auch Ex-Spiegel-Mann Gabor Steingart verstanden. Und dafür gesorgt, dass beim Sommerwiesenmagazin Handelsblatt das Klima "tougher" wird, wie er w&v mitteilte. Das sei nötig, um die Marke "zu neuer Blüte" zu bringen. Nach dem "Wunder von Hamburg", womit der Holtzbrinck-Angestellte den Erfolg der Zeit unter Giovanni di Lorenzo meint, glaubt er an das "Wunder von Düsseldorf". Und während ich vor meinem inneren Auge den Steingart dribbeln sehe, kriecht Katja Ebstein in mein Ohr, mit ihrem tollen Stück "Wunder gibt es immer wieder".
Wenn sich das Kolümchen nachts abspielt, weiß ich: Urlaub muss her. Nach meiner lesbischen Kolumne von letzter Woche, in der es darum ging, dass Lesben quasi nur als Mutter in den Medien auftauchen, träumte ich heute Nacht, ich hätte Anne Will und ihre Lebensgefährtin besucht, die mit ihren zwei Adoptivkindern in einem unglaublich modernen Haus bei Berlin lebten. Die Kinder hießen Klaus und Gaby. Jetzt ist zwei Wochen Ruhe! Zurück nach Berlin!
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