Kolumne Die Kriegsreporterin: Suppenhuhn unter uringelbem Strahl
Bushido bei „Bild“, Schwarz-Top-Tussis bei stern.de: Das kommt raus, wenn man Was-mit-Medien-Suppenhühner Hospitanzen machen lässt.
H allo taz-Medieredaktion! Erinnerst du dich, mein tapferer Verein Freischreiber hat denen, die bei Gruner & Jahr nicht rausgeworfen wurden, eine CD mit Geräuschen geschenkt. Tastaturgeklapper, Kaffeemaschine, Flurgerede. Damit die wenigen, die dort noch arbeiten, sich nicht so allein fühlen. Ich finde, seither sind auch wieder viel mehr Buchstaben in den Zeitschriften. Man merkt, die Leute fühlen sich wohl.
Wenn ich dich so anschaue, dann hörst du melancholische Musik bei der Arbeit. So überbewertetes Jungszeug, alte Männer mit knorriger Stimme und Gitarre. Der FAZ sieht man an, dass die Berliner Philharmoniker morgens in die Redaktion geschaltet werden und die Hirne derer, die in ihren Eames-Sesseln sitzend ihre geschwungenen Sätze aus der Raufasertapete herauslesen, einmal durchfiedeln, damit sie gut arbeiten können. Oder die Kolleginnen vom Missy Magazin. Die machen so ein schönes Heft, weil sie den ganzen Tag Bernadette La Hengst hören.
Sorgen mache ich mir aber um die Bild. Das war ja bislang eher ein akademisches Blatt. Ein bisschen viel Drama-Queen und ein wenig viel Heldenverehrung, aber im Kern Wahrer des Guten und Schönen. Das lag daran, dass ihr Chefredakteur morgens bis abends den Liberace des 19. Jahrhunderts gehört hat, Richard Wagner. Nun aber hat Kai Diekmann bekannt gegeben, Bushido hätte Wagner aus „dem CD-Player gedrängt“.
Abgesehen von dem Erstaunen darüber, dass ein Mann des Silicon Valley noch so etwas wie „CDs“ abspielt, möchte ich mir gar nicht ausmalen, was mit dem Blatt passiert, wenn Bushido Diekmann den Rhythmus vorgibt. Wahrscheinlich können die Griechen deshalb einpacken.
Texte ohne Anspruch
Einpacken können auch die Kollegen von stern.de, wenn sie weiterhin darauf verzichten, überhaupt noch irgendwelche Qualitätsansprüche an die Texte anzumelden, die sie ins Netz stellen. Natürlich konnte ich dem Link von turi2 zum wohlmöglich „dämlichsten Artikel des Jahres“ nicht widerstehen und las über das Treffen einer jungen Frau mit einem Hollywoodschauspieler.
Und ich muss sagen: Ja, das kommt dabei raus, wenn man Platz füllen, aber nix zahlen will und irgendwelche Was-mit-Medien-Suppenhühner-Hospitanzen machen lässt. Oder kommt das dabei raus, wenn das Suppenhuhn „in einem schwarzen Lederrock und eng anliegendem schwarzen Top“ nicht nur zum Schauspielertreffen, sondern auch zum Vorstellungsgespräch erscheint?
„Eine Methode im Graubereich“ nennt das Medienmagazin „Zapp“, nein nicht das Vorgehen der Schwarz-Top-Tussi, sondern das geheime Aufzeichnen von Gesprächen und Begegnungen, Stichwort SZ-Leaks. Das ist juristisch betrachtet richtig, aber auch lustig, weil nicht darauf hingewiesen wird, dass der Zuschauer der ARD ständig Filme zu Gesicht bekommt, die in diesem Graubereich entstanden sind. Ein ganzes Aufdeckgenre ist in den letzten Jahren unter dieser Methode erblüht. Ja, ja, so grau, grau, grau blüht der Enzian, wenn die Wolken ziehn?
Voll nicht grau, sondern morgenuringelb strahlte letzte Woche der Hamburger Fernsehturm, um auf „das TV-Ereignis des Jahres“ aufmerksam zu machen. In der ehemaligen „Medienstadt“, in der heute noch die Morgenpost und die Olympia-Zeitung Hamburger Abendblatt erscheinen, wurde von der Hörzu die „Aktuelle Kamera“ verliehen. Das ist ein großes Spektakel, vereinen sich doch die privatwirtschaftlichen Interessen des Verlags mit der öffentlich-rechtlichen Sendeanstalt, die ihr gebührenfinanziertes Programm mit der Werbesendung füllt, bestens. Gelb vor Übelkeit zurück nach Berlin!
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