Kolumne Die Kriegsreporterin: Ich plädiere für halbverehrungswürdig
Tante „Zeit“ will sich bessern, jedenfalls ein bisschen. Und seltsam ist, dass die ARD den Geburtstag von Dalli-Dalli-Moderator Hans Rosenthal feiert.
H allo taz-Medienredaktion! Stell Dir mal das große Finale der Muppetshow vor, wenn Miss Piggy zur Präsidentin gewählt worden wäre. Lichtblitze, Fanfaren und ein dicker Tusch und gaaaaanz viel Glitzerzeug, das von der Decke auf die bunten Puppen segelt, die unter dem Jubel des Publikums vor Freude wild zucken.
So eine Szene habe ich für die Leute von Freischreiber vor Augen. Denn mein kleiner, tapfererer Verein hat etwas ganz Unglaubliches zuwege gebracht.
Vor etwa vier Jahren wurde der „Code of Fairness“ entwickelt, ein Zehnpunktestatut, das die Selbstverständlichkeiten geschäftlicher Beziehungen zwischen freien JournalistInnen und Verlagen benennt. Also das, was ein normaler Mensch für selbstverständlich hält. Zahlung bei Textabgabe und nicht bei Erscheinen.
Zahlung der bestellten Menge und nicht der gekürzten. Ein Blick auf den redigierten Text. Und weißt Du, wer das jetzt unterschrieben hat?! Weißt Du, welcher Verlag nicht länger zu denen gehören möchte, die faires Miteinander mit Füßen treten? Wer nicht mehr Bangladesch sein will?!?
Die Zeit! Die alte Tante Zeit hat jetzt etwas dafür getan, dass sie wieder als „alte, ehrwürdige Tante Zeit“ firmieren kann! Ich finde das ganz großartig! Und wenn ich auch nur einen kleinen Funken zu diesem Schritt beitragen konnte, dann bin ich wahnsinnig stolz und freu ich mich wie Klein Erna über ’nen Bonsche.
Wobei es eine Einschränkung gibt, was die Ehrwürdigkeit betrifft. Man wollte nur neun Punkte unterschreiben. Dass man die AutorInnen an den Erlösen ihrer Texte beteiligt, sollten diese weiterverwertet werden, darauf wollte man sich nicht einlassen. Ich plädiere also für halbehrwürdig. Das passt ja auch viel besser zum Herausgeber mit der Vielweiberei.
Sehr beachtenswert ist die Tatsache, dass der Pressesprecher von Gruner + Jahr, Frank Thomsen, zur Himmel-und-Hölle-Preisverleihung von Freischreiber kam, schließlich war sein Laden für die Hölle nominiert. Wo er verdientermaßen auch gelandet ist.
Wenn Herr Thomsen sagt, kaum ein Mensch würde je auf Bezahlung seiner Rechnungen durch G + J warten, frage ich mich, ob er den Klempner meint. Journalisten jedenfalls fanden sich schon an dem Abend einige. Die Entscheidung, zur Verleihung zu kommen, hat sicherlich auch ihren Ursprung darin, dass Herr Thomsen noch neu auf dem Posten ist und Kontakte machen will.
Mit mir zum Beispiel. Und ich muss sagen: Sehr beachtlich, der Herr! Der will was. Dialog und so Sachen. Dinge besser machen. Da kann ich nur sagen: Liebe Frau Jäkel, jetzt vergraulen Sie den nicht gleich wieder!
Es ist ja immer gut, direkten Kontakt zu haben. Auch zu Matthias Döpfner, der Aufsichtsrat bei Vodafone wird. Vodafone ist der Telefonladen, bei dem im August 2014 etwas an der Leitungsstation im Schanzenviertel kaputtgegangen ist, sodass ich nicht mehr gut telefonieren kann und der das nicht repariert. Mit solchen Sachen kann man sich nun direkt an Herrn Döpfner wenden.
Etwas eigenartig finde ich, dass die ARD Donnerstag fett den 90. Geburtstag von Hans Rosenthal feiert, der ja schließlich im ZDF mit „Dalli Dalli“ erfolgreich war und nicht im Ersten. Wahrscheinlich liegt es daran, dass es nicht so viele Juden im TV gibt, mit denen man sich als Gutmenschensender beweisen kann.
Schließlich fungierte Rosenthal als Vorzeige- und Wiedergutmachungsjude im jungen bundesrepublikanischen Fernsehen. Seine diversen TV-Moderationen war der Beweis dafür, dass das Nachkriegsdeutschland verziehen hatte. Den Juden.
Mit Konfetti im Haar zurück nach Berlin!
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Preiserhöhung bei der Deutschen Bahn
Kein Sparpreis, dafür schlechter Service
Krise bei Volkswagen
1.000 Befristete müssen gehen
Bis 1,30 Euro pro Kilowattstunde
Dunkelflaute lässt Strompreis explodieren
Housing First-Bilanz in Bremen
Auch wer spuckt, darf wohnen
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Mord an UnitedHealthcare-CEO
Gewalt erzeugt Gewalt