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Kolumne Die KriegsreporterinKleines Mäuschen, großes Unbehagen

Kolumne
von Silke Burmester

Eine „Accessoire-Chefin“ steigt auf. „Schneebesen-Chef“ in Frankfurt gesucht. Und warum wechseln so viele taz-MitarbeiterInnen zur „Welt“?

Journalistisches Handwerkszeug im Einsatz. Bild: Imago / Westend61

H allo, taz-Medienredaktion! Ich fang mal damit an, dass auf dem Weg zu meinem Posten heute Morgen ein totes Mäuschen lag. Mitten auf der Treppe. Und zwar die kleinste Maus, die du je gesehen hast. Total süß. Aber eben leider auch total tot.

So wie Bernhard Grzimek, über den die ARD am Karfreitag einen Film gezeigt hat, der ein neues Selbstverständnis abbildet, das das Fernsehen revolutionieren könnte: Weil Roland Suso Richter ein erfolgreicher und sehr guter Regisseur ist, filmt der, solang er will. Sendelänge? Verkommt zur dehnbaren Größe. Drei Stunden hat er das Affären- und Selbstgefälligkeitsgebaren des Affenliebhabers über den Bildschirm gezogen. Und ich frage mich, warum.

Das Leben so vieler anderer interessanter Persönlichkeiten wird auf 90 Minuten erzählt, und das reicht auch. Außer dem von Hitler natürlich. Weil es rund um Hitler so vieles zu klären gibt – Wusste er von der Judenvernichtung? Wo ließ er die Armhaltestange anfertigen? Hatte er wirklich nur ein Ei? –, ist es bei ihm mit ein paar Stunden nicht getan. Daher hat das ZDF verständlicherweise extra einen 2.-Weltkrieg-Sender eingerichtet, für alle, die noch viel zu Hitler filmen möchten.

Wohl dem, der noch Träume hat! Ich hingegen muss sehnsuchtsvoll auf das Leben der Anderen schauen und mich ärgern, nicht beizeiten die Weichen in Richtung „Erfolg“ gestellt zu haben. So las ich letzte Woche, dass jetzt eine Frau Chefredakteurin wird, die zuvor „Accessoire-Chefin“ war. „Accessoire-Chefin“! Verantwortlich für Broschen und Krokotaschen.

Was ein geiles Ding! Was hätte da aus mir werden können! Wäre ich zum Feinschmecker gegangen, hätte ich Gewürz-Chefin werden können. Oder Wurm-Chefin, hätte ich bei einer Angelzeitschrift mein Auskommen gesucht. Auch Blondinen-Chefin von TV-Spielfilm wäre ein Titel nach meinem Geschmack.

Hat die taz einen Fehler im System?

Die klugen Köpfe bei der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung sollen darüber nachdenken, mehr Gedönsthemen ins Blatt zu nehmen, um attraktiver für Anzeigenkunden zu werden. Wir erinnern uns: Das ist der Verlag, der sich in einer Pressemitteilung „Partner“ der Werbenden nennt, sich mit „gemeinsamen Aktivitäten im Handel“ brüstet und den Verkauf des Titelkopfes als das „Herzstück“ der „Werbepartnerschaft“ preist.

Man überlege, so der Branchendienst Kontakter, die Ressorts „Geld“ und „Sport“ zu verkleinern, um mehr Platz für sogenannte „weiche“ Inhalte zu haben. Also für Socken, Kaschmirpullis und Federbetten. Ich nehme an, bald wird es auch hier die Posten „Accessoire-Chefin“, „Schneebesen-Chef“ und „Leiter Gedöns“ geben.

Eine Frage hat mich letzte Woche sehr beschäftigt, liebes Medienressort. Und zwar die, woran es eigentlich liegt, dass so viele taz-MitarbeiterInnen zur Welt wechseln. Liegt das an euch? Hat die taz einen Fehler im System? Oder beschäftigt ihr einfach sehr viele Leute, die am Ende des Tages weder Haltung noch Rückgrat noch Prinzipien haben? Ist bei euch zu arbeiten gar keine Frage der Überzeugung? Ist es am Ende egal, ob man für die taz, Bild oder die Welt arbeitet?

Ich möchte an dieser Stelle nicht wieder das Gejammer von Kindern und der Notwendigkeit hören, eine Familie durchzubringen. Andere Leute kriegen Familie und Prinzipien auch unter einen Hut. Oder Helm. Ehrlich gesagt, mir wird das langsam etwas unheimlich, dass ich, wenn ich für dich arbeite, dies umgeben von Menschen zu tun scheine, die gar keinen Unterschied zwischen taz und Axel Springer machen. In diesem Sinne gebe ich mit einem wachsenden Gefühl des Unbehagens zurück nach Berlin!

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Kolumnistin
Silke Burmester war über 25 Jahre schreibende Journalistin. Von Anfang an auch für die taz. Hier hat sie u.a. Carla Brunis geheimes Tagebuch veröffentlicht und als „Die Kriegsreporterin“ von der Medienfront berichtet. Jetzt hat sie beschlossen, Anführerin einer Jugendbewegung zu werden und www.palais-fluxx.de für Frauen ab 47 gegründet, das "Onlinemagazin für Rausch, Revolte, Wechseljahre“. Für die taz wird sie dennoch ab und zu schreiben, logo!
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24 Kommentare

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  • Meine Güte, diese jungen Leute! Sie müssen eben noch lernen, dass manchmal nur die Zeit die Spreu vom Weizen trennt.

     

    Auch der Welt-Chefredakteur war mal KBW-Mitglied. Wie Herr Kretschmann oder Ullalala Schmidt. Die traurigen Gestalten aus dem "Revolutionären Kampf" aufzuführen erspare ich mir. Wenn schon, dann kann man gleich das Beispiel Horst Mahler nehmen.

     

    So enden die nun mal, die einmal angefangen haben, ihre Ideale zu verraten und dann keine Lust mehr haben, sich selbst noch im Spiegel zu sehen.

    Trösten wir uns damit, dass die irgendwann mal abgelegt werden, Ihnen keiner mehr zuhören will und sie dann traurig vor sich hin dämmern.

     

    Bei Journalisten muss man eh noch berücksichtigen, dass die zwar formulieren können (sollten), aber eigentlich eh selten eine fundierte Meinung besitzen. Die berichten lieber über was anstatt was zu ändern.

  • Hallo Genossen und -Innen -... schon den Silke B. Obolus gezahlt ?

    (... außer der Taz bleibt uns ja nicht mehr so viel )

    • @APOKALYPTIKER:

      "... außer der Taz bleibt uns ja nicht mehr so viel .."

       

      In`er taz bleibt uns auch nicht mehr viel.

  • Frau Burmester, Sie sollten Ihre Erwartungshaltung aufgeben; Ist Gift für jede Beziehung oder eben auch gehen !

    Ich schätze die taz, weil diese in den meisten Themen keine Linie vorzugeben scheint; Ein Potpourri der Meinungen und Experimentierfeld des Journalismus.

    Schade, dass Leute wie Yücel dem entsagt haben und sich wohl doch lieber einer Vorgabe unterwerfen. Anderseits ist es genau aus diesem Grund kein Verlust. Resümieren Sie einfach positiv, es ist ein Klärungsprozess, kein Gärungsprozess, wie mir das Korrekturprogramm gerade weismachen wollte.

    • @lions:

      Ok - aber mir greift das zu kurz.

       

      Ent - Täuschung - ja -

      & die Wut darüber ~>

      (" …du Arsch." - Twitter)

      &Trauer - ja;

      ok -

       

      & Flüchten oder Standhalten

      ala (von mir nicht sonderlich geschätzten) Eberhardt Richter -¿

       

      Nunja - die Schattierungen machts im Leben - & - klar von La Helmeth artikuliert - "in was für einem Boot mit was für einer Besatzung ruder ich da eigentlich" -

      Das läßt sich - mit Verlaub - nicht

      mittels Kippschalter beseitigen;

       

      Insoweit iss Ihrs halt a weng - altfränkisch!

      • @Lowandorder:

        Wie doch jeder Psychotherapeut sein Handwerk einleitet: Sprechen wir doch jetzt einmal über Sie, nicht über die Schuldigen. Das Schöne an der Enttäuschung ist doch die Erkenntnis, das man getäuscht wurde oder einer Selbsttäuschung folgte. Think positiv mit Kippschalter!

        • @lions:

          Ok - mal über Sie -);)

           

          Der Therapeut geht - öh innen Garten;

          Rosenschneiden…

           

          Der Handwerker aber -

          geht wieder an die Schippe;

           

          mir ists zu sehr Ritter Sport -

          Quadratisch - praktisch - gut -

          Nur einen Knick weit entfernt!

          mir zu wenig systemisch;

          (wäre auch meine Kritik an E.R.)

          • @Lowandorder:

            Ist ganz einfach.

            Die mit Wunden lecken gehen, gibt´s ja immer genug und da sag ich mal :Lasst die Dopamin- Korken knallen, wenn´s sein muss, eben aus dem altfränkischen Bocksbeutel. Prinzip Zug plus Schub !

            • @lions:

              " .. .altfränkischen Bocksbeutel .. .

              & Korken knallen . ."??????

               

              Na - da reden wir noch mal drüber;

              Wohl schon bei Walpurgis am Brocken? - hm -

               

              (& mit n paar Jährchen - aktiv&passiv -

              Arzneimittelinside aufm Buckel -

              sach ich mal - immer was höösch.

              Schub hin Zug her.

    • @lions:

      Nachtrag:

      Auszug aus den Grundsätzen und Leitlinien der Unternehmensverfassung des Axel Springer Verlags :

      "Die Unterstützung des transatlantischen Bündnisses und die Solidarität in der freiheitlichen Wertegemeinschaft mit den Vereinigten Staaten von Amerika."

       

      http://www.axelspringer.de/artikel/Grundsaetze-und-Leitlinien_40218.html

      • @lions:

        Beim Lesen und Hören des Wortes "Wertegemeinschaft" in den Medien zeigt mein Magen seit längerem die Neigung , das Frühstück zurückzugeben .

        • @APOKALYPTIKER:

          Frage mich auch, warum die nicht gleich von Dollargemeinschaft bzw. Eurogemeinschaft sprechen. Entweder kennen die den Wert des Geldes gar nicht, oder sie kennen den wirklichen Wert des Geldes schon sehr viel besser als die meisten anderen.

  • Wie sagte doch ein Schwein zum anderen: "Es ist Wurst, was aus uns wird."

  • Es ist zwar nicht "Die Welt",

    aber ein Satz, der ewig zählt:

     

    Wie Silke Burmester mal über Kai Diekmann schrieb: "Ja, der Zynismus … die Krücke, auf der sich die emotional Verwahrlosten durch die Gesellschaft schleppen …"

    http://www.taz.de/!81486/

     

    (weiland aufgenommen in meine Sammlung der schönsten Silke-Sätze)

  • Alles "Tote Hosen"?

     

    "Ich würde nie zum FC Bayern München gehen.

     

    Was für Eltern muss man haben

    um so verdorben zu sein,

    einen Vertrag zu unterschreiben

    bei diesem Scheissverein?"

     

    Nicht mal "Trikottausch" würde ich mit denen machen.

  • Dem Erstaunen unserer Kriegsreporterin, dass es größere Teile der TAZ-Redaktion an die warmen Fleischtöpfe des SPRINGER-Verlags zieht (vor allem zur WELT) liegt eine journalistische Fehleinschätzung zu Grunde: Die aktuellen und zukünftigen neuen Mitarbeiter bei Springers Welt haben Prinzipien, die mit der journalistischen Tätigkeit in rechtskonservativen Presseorganen durchaus kompatibel sind. Ob es sich um Auslandskorrespondenten, Polit- oder Kulturredakteure handelt: Der Ukraine/Russland-Konflikt etwa wird von einigen Redakteuren journalistisch durchgehend unter -teilweise grün bekränzten-NATO-Helm abgehandelt - man könnte sich sogar vorstellen, dass die Propagierung der zackig-grünen Konfliktverschärfungsstrategie bei alteingesessenen konservativen WELT-Redakteuren zu gewissen Irritationen führen wird. Ich jedenfalls kann mich über die redaktionelle perspektivische Ausdünnung der NATO-Fraktion in der TAZ nur bedingt aufregen.

    • @Thea:

      Ist K.H.Donath auch schon weg?

      • @lichtgestalt:

        Nicht in allen Fällen gibt's auch eine Nachfrage.

    • @Thea:

      Das sehe ich auch ganz genau so.

  • "Ehrlich gesagt, mir wird das langsam etwas unheimlich, dass ich, wenn ich für dich arbeite, dies umgeben von Menschen zu tun scheine, die gar keinen Unterschied zwischen taz und Axel Springer machen."

     

    Na ja, Frau Burmester, ist SPON jetzt journalistisch wirklich hehrer als Springer-Presse?

    • @hessebub:

      Die "Helden der Gegenwart" sind schon lange Vergangenheit.

  • "Ehrlich gesagt, mir wird das langsam etwas unheimlich, dass ich, wenn ich für dich arbeite, dies umgeben von Menschen zu tun scheine, die gar keinen Unterschied zwischen taz und Axel Springer machen."

     

    Okay, schön dass Sie das so schreiben - als aktive Frau von der Journalistenfront. Ich als Nur-Leserin grübele auch, denke mir dann aber, dass es aus Profisicht vielleicht wirklich keinen großen Unterschied (mehr) macht oder dass der Springer-Verlag neben BILD auch "gute" Blätter produziert... Scheint wohl alles nicht so einfach zu sein. Vermutlich aber zahlt der Axel-Springer-Verlag einfach besser und hat für manch einen taz-Mitarbeiter scheinbar doch ein (privat gesehen) interessantes Pöstchen für die zweite Lebenshälfte in petto, was wiederum die taz so nicht bieten kann.

     

    Manchmal muss man sich zwischen etwas entscheiden und meist gibt es auf beiden Seiten negative Aspekte. Und wenn man von der taz aus nur einen Tapetenwechsel braucht, wohin dann mit den ganzen Prinzipien? Wenn man vielleicht auch nicht aus dem alten Haus der Tante taz mit umziehen möchte in das neue taz-Haus ;-) (Vermutlich ist es auch weiter weg von der Axel-Springer-Straße.)

     

    Wichtig scheint mir zu sein, dass man als Mensch grundsätzlich seine Prinzipien nicht (ganz) verliert und irgendwie doch so bleibt und mit diesen Prinzipien dann den Rest des "Bösen" wenigstens etwas revolutioniert. Das geht nur, indem man das andere "unterwandert" und etwas riskiert.

     

    So könnte es doch auch gehen, oder? Zumindest ein Erklärungsansatz...

  • Yücel in der taz am 4.12.12, was interessiert ihn sein Gesülze von damals?

     

    "Als vor einem halben Jahr Schlecker dichtmachte, kommentierte die Welt – noch so ein alimentiertes Blatt, das nur deshalb existiert, weil der Verlag an anderer Stelle genug Geld mit rassistischen und notgeilen Dumpfbacken verdient – ganz abgebrüht..."

     

    http://www.taz.de/!106756/

    • @Leo Naumann:

      interessant, Danke!