Kolumne Die Kriegsreporterin: Kleines Mäuschen, großes Unbehagen
Eine „Accessoire-Chefin“ steigt auf. „Schneebesen-Chef“ in Frankfurt gesucht. Und warum wechseln so viele taz-MitarbeiterInnen zur „Welt“?
H allo, taz-Medienredaktion! Ich fang mal damit an, dass auf dem Weg zu meinem Posten heute Morgen ein totes Mäuschen lag. Mitten auf der Treppe. Und zwar die kleinste Maus, die du je gesehen hast. Total süß. Aber eben leider auch total tot.
So wie Bernhard Grzimek, über den die ARD am Karfreitag einen Film gezeigt hat, der ein neues Selbstverständnis abbildet, das das Fernsehen revolutionieren könnte: Weil Roland Suso Richter ein erfolgreicher und sehr guter Regisseur ist, filmt der, solang er will. Sendelänge? Verkommt zur dehnbaren Größe. Drei Stunden hat er das Affären- und Selbstgefälligkeitsgebaren des Affenliebhabers über den Bildschirm gezogen. Und ich frage mich, warum.
Das Leben so vieler anderer interessanter Persönlichkeiten wird auf 90 Minuten erzählt, und das reicht auch. Außer dem von Hitler natürlich. Weil es rund um Hitler so vieles zu klären gibt – Wusste er von der Judenvernichtung? Wo ließ er die Armhaltestange anfertigen? Hatte er wirklich nur ein Ei? –, ist es bei ihm mit ein paar Stunden nicht getan. Daher hat das ZDF verständlicherweise extra einen 2.-Weltkrieg-Sender eingerichtet, für alle, die noch viel zu Hitler filmen möchten.
Wohl dem, der noch Träume hat! Ich hingegen muss sehnsuchtsvoll auf das Leben der Anderen schauen und mich ärgern, nicht beizeiten die Weichen in Richtung „Erfolg“ gestellt zu haben. So las ich letzte Woche, dass jetzt eine Frau Chefredakteurin wird, die zuvor „Accessoire-Chefin“ war. „Accessoire-Chefin“! Verantwortlich für Broschen und Krokotaschen.
Was ein geiles Ding! Was hätte da aus mir werden können! Wäre ich zum Feinschmecker gegangen, hätte ich Gewürz-Chefin werden können. Oder Wurm-Chefin, hätte ich bei einer Angelzeitschrift mein Auskommen gesucht. Auch Blondinen-Chefin von TV-Spielfilm wäre ein Titel nach meinem Geschmack.
Hat die taz einen Fehler im System?
Die klugen Köpfe bei der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung sollen darüber nachdenken, mehr Gedönsthemen ins Blatt zu nehmen, um attraktiver für Anzeigenkunden zu werden. Wir erinnern uns: Das ist der Verlag, der sich in einer Pressemitteilung „Partner“ der Werbenden nennt, sich mit „gemeinsamen Aktivitäten im Handel“ brüstet und den Verkauf des Titelkopfes als das „Herzstück“ der „Werbepartnerschaft“ preist.
Man überlege, so der Branchendienst Kontakter, die Ressorts „Geld“ und „Sport“ zu verkleinern, um mehr Platz für sogenannte „weiche“ Inhalte zu haben. Also für Socken, Kaschmirpullis und Federbetten. Ich nehme an, bald wird es auch hier die Posten „Accessoire-Chefin“, „Schneebesen-Chef“ und „Leiter Gedöns“ geben.
Eine Frage hat mich letzte Woche sehr beschäftigt, liebes Medienressort. Und zwar die, woran es eigentlich liegt, dass so viele taz-MitarbeiterInnen zur Welt wechseln. Liegt das an euch? Hat die taz einen Fehler im System? Oder beschäftigt ihr einfach sehr viele Leute, die am Ende des Tages weder Haltung noch Rückgrat noch Prinzipien haben? Ist bei euch zu arbeiten gar keine Frage der Überzeugung? Ist es am Ende egal, ob man für die taz, Bild oder die Welt arbeitet?
Ich möchte an dieser Stelle nicht wieder das Gejammer von Kindern und der Notwendigkeit hören, eine Familie durchzubringen. Andere Leute kriegen Familie und Prinzipien auch unter einen Hut. Oder Helm. Ehrlich gesagt, mir wird das langsam etwas unheimlich, dass ich, wenn ich für dich arbeite, dies umgeben von Menschen zu tun scheine, die gar keinen Unterschied zwischen taz und Axel Springer machen. In diesem Sinne gebe ich mit einem wachsenden Gefühl des Unbehagens zurück nach Berlin!
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