Kolumne Couchreporter: Rache, Schnaps und Schmutz
Die BBC-Serie „Taboo“ ist eine unterhaltsame Vergeltungsgeschichte im präviktorianischen London – Kolonialgeschichte inklusive.
Hach, schmutziges, gruseliges London in den 1810er Jahren, inklusive düsterer Gassen, enger Häuser und BewohnerInnen mit schlechten Zähnen! Schaut man sich ja zu gern an – verbunden mit einer präviktorianischen Vergeltungsgeschichte erst recht.
Der totgeglaubte James Delaney, gespielt von Tom Hardy, kommt nach zehn Jahren zurück in die britische Hauptstadt des Gestanks, gerade richtig zur Beerdigung seines Vaters. Doch „Taboo“, so heißt die auf Amazon verfügbare BBC-Serie, deren zweite Staffel gerade bestätigt wurde, verknüpft mit dem bewährten „Help, he’s back!“-Motiv, zudem eine bis zu „Prinny“, dem kopfgrindigen Prinzregenten (gespielt von „Sherlock“-Schreiber und -Darsteller Mark Gatiss), und der „ehrenwerten Ostindien-Gesellschaft“ reichende Kolonialisierungsgeschichte. Dazu Voodoo, Tattoos, Sklavenaufstand, Kapernfahrten und herrliche Flüche wie „I’ll burst him like a pigs bladder!“
Und dann, quasi als Bonus, sitzt plötzlich Franka Potente als deutsche Bordellbesitzerin mit Namen Helga herum und macht ihre Sache großartig. Anfangs opponiert sie ein wenig gegen Delaney, der eine Art Wechselbalg (oder Lovechild?) aus Batman, Queequeg und „Graf von Monte Christo“ darstellt. Dann aber freundet man sich rudimentär an.
Neben den vielen Intrigen, Lügen, der 19.-Jahrhundert-Mystik und den nächtlichen Kämpfen mit messertragenden Bösewichten geht es noch um die Halbschwester des Rächers: Geraldines Tochter Oona Chaplin spielt „Zilpha“, und dass da irgendetwas zwischen den Halbgeschwistern nicht ganz paletti ist, das merkt man ganz schnell.
Eher dreckig als böse
Ein bisschen hält die Serie sich auf, sie ist nicht frei von Klischees, inszeniert den einzigen queeren Charakter in alter heteronormativer Tradition zunächst als Opfer, hinterfragt nicht die Kolonialisierung an sich, sondern nur ihre Art und Weise, und lässt Delaney böser erscheinen, als er ist.
Aber was heißt überhaupt böse, vor allem dreckig ist er! So dreckig wie Hardy als James Delaney ist momentan höchstens noch Ragnar Lothbrok, der Hauptwikinger in „Vikings“, der sich zwischen Menschenabschlachten, Wildschweinfressen und Gruppensex in der Wikingerjurte nie die Hände wäscht. (Immerhin hat er weißere Zähne – Met ist wohl besser für die Mundhygiene als der schwarzgebrannte Schnaps des 19. Jahrhunderts.)
Ähnlich wie „Vikings“ Geschichtsstunden ersetzt, hat auch „Taboo“ ein historisches Ass im Ärmel: Delaney hat von seinem Vater ausgerechnet einen Landstrich am Nootka Sound geerbt, einem Meeresfjord vor der Nordwestküste Nordamerikas. Der ist enorm wichtig, wenn man Handel mit China und den USA betreiben will. Und das ist nur ein kleines bisschen erfunden – tatsächlich gab es Ende des 18. Jahrhunderts eine diplomatische Krise um das Gebiet.
Okay, den Abenteurer mit der Nootka-Ureinwohner-Mutter, den Körpertattoos und den Voodoo-Fähigkeiten gab es vielleicht nicht – doch so viel über den Nootka-Fjord erfährt man sonst höchstens in „A voyage to the Pacific Ocean“ von James Cook. Und dabei hat Amazon nicht mal einen Bildungsauftrag.
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