Kolumne Berliner Galerien: Die Ästhetik von Katastrophen

Kolumnist Kito Nedo betrachtet Anti-Denkmäler, fiktive Wahlplakate und eine ausrangierte Diasammlung.

Skulpturen von Klaus Weber aus der Ausstellung Nonuments

Einladung zu Klaus Webers Ausstellung „Nonuments“ Foto: Klaus Weber

Philosophisch und charmant ist die Kunst von Klaus Weber. Im Volksbühnenpavillon sind seine „Nonuments“ zu sehen – spielerische Anti-Denkmäler in Modellform, die vom feinen anarchistischen Humor des Berliner Künstlers zeugen.

In dieser schönen, von Elodie Evers kuratierten Schau, die mit einer Performance des Künstlers eröffnet wurde, ist unter anderem ein echter, sich ständig wandelnder Bierflaschen-Schneemann mit Zigarettenstummel zu sehen, ein brennendes Versicherungshauptquartier und ein umgekippter Linienbus, der gegen einen Hydranten gefahren ist. Alles wechselt seinen Aggregatszustand. Jede Katastrophe hat ihre ästhetische Seite (bis 16.2., Glaspavillon an der Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz, Tag u. Nacht).

Politik holt Kunst ein

Tagespolitisch wirkt die Gruppenschau mit dem Titel „Die Zukunft der SPD“ in der Schöneberger Zwinger Galerie. Dabei ist es schon länger her, dass das Kuratorenduo Hans-Jürgen Hafner und Gunter Reski über dreißig Künstler*innen (u. a. Nadja Abt, Henning Bohl, Lutz Braun, Natascha Sadr Haghighian, Korpys/Löffler, Claudia Kugler, Michaela Meise, Stefan Panhans, Manfred Pernice, Heidi Specker, Wawrzyniec Tokarski, Suse Weber, Alex Wissel, Ina Wudtke und Steffen Zillig) nach Arbeiten zum Thema gefragt hatte.

Online statt Print: Weil die Kulturbeilage taz plan in der gedruckten Ausgabe wegen des Corona-Shutdowns gerade pausiert, erscheint hier nun jeden Donnerstag ein Text vom „taz plan im exil“. Zuletzt: 2. 4. Stephanie Grimm/Musik: „Jeder Tag ist wie Sonntag“ & 9.4. Esther Slevogt/Theater: „Der Bildschirm als Bühne

Viele Beiträge ähneln fiktiven Wahlplakaten und lassen an eine Wanderausstellung denken. Auch sehr gelungen: die installative SPD-Bar von Claus Föttinger, der während des vergangenen Parteitags live vom Fernseher zeichnete. Ein Jünglingsbild von Norbert Bisky trägt die Züge des Juso-Vorsitzenden Kevin Kühnert.

Und Michaela Meise schreibt auf ihrem Wahlplakatsentwurf in Batik-Optik: „Hey Barista, Yoga-Lehrer, Putzhilfe, Babysitterin! Das Prekariat wählt SPD. Menschen ohne Arbeitsverträge brauchen Krankenversicherung, Grundrente, Lohnfortzahlung im Krankheitsfall und bei Krankheit ihrer Kinder.“ Das ist wohltuend unironisch und zukunftsweisend (bis 22. 2., Di.–Sa. 12–18 Uhr, Mansteinstr. 5).

Verblichene Bilder

Das projizierte Bild spielt eine besondere Rolle in der Kunstwissenschaft, die eine ihrer Methoden im vergleichenden Sehen hat. In seiner 63-teiligen Foto-Serie mit dem Titel „Archiv“ holt Martin Zellerhoff eine ausrangierte kunsthistorische Diasammlung mit einer konzeptuell-fotogra­fischen Geste wieder in die Kunst zurück.

Auf den Abzugsbögen sind bis zu 24 dieser Dias zu sehen, teilweise verdunkelt, rotstichig und verblichen. Im Verein zur Förderung von Kunst und Kultur am Rosa-Luxemburg-Platz trifft altmeisterliche Kunst in wunderbar seltsamen Kombinationen auf den Gegenwartskanon (bis 24. 1., Mi.–Fr. 14–18 Uhr, Linienstr. 40).

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Kito Nedo schreibt über Bildende Kunst, Kulturpolitik und Kunstmarkt. Seine Artikel erscheinen regelmäßig in der Süddeutschen Zeitung, art – Das Kunstmagazin sowie frieze. 2017 wurde er mit dem ADKV-Art Cologne-Preis für Kunstkritik ausgezeichnet.

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