piwik no script img

Kolumne BauernfrühstückVon getönten Gleitsichtbrillen

Stilvolles Altern im Popbereich funktioniert prinzipiell nur im Maßanzug. Johnny, Campino? Sucht euch einen Schneider!

Früher wurde er von seinen Fans aller Altersklassen gefeiert, heute sorgt er fürs Fremdschämen Foto: dpa

S eltsam: Seit einigen Monaten spielt mir Google kopflose Frauen in die Timeline. Anfangs dachte ich noch, da wäre was mit der Darstellung nicht in Ordnung. Aber irgendwann verstand ich, dass alles korrekt ist: Werbeanzeigen mit Frauenkörpern, die in Kleidern oder Schuhen steckten, von denen Google meint, dass sie Frau Maier gefallen könnten. Nur eben ohne Köpfe.

Die Kleider und Schuhe sahen nicht so aus, als wollten Neuköllner Hipster-Ladies darin ihren Matcha Latte bestellen. Eher so, wie Kollege M. es gern formuliert, wenn er Ü50-Frauen mit seltsamem Bekleidungsstil meint: Gewänder-Elsen. Alles immer irgendwie A-Linie, gewollt pfiffig, dabei jedoch wertig. Der Kopf, in dem die Entscheidungen der Damen für diesen Stil wohnen mochte: abgeschnitten. Warum?

Hier meine Theorie: Es geht den Werbeagenturen nicht darum, Friseurkosten zu sparen. Sondern darum, der zum Kauf zu animierenden Person den Blick in den Spiegel zu ersparen. Leute meiner Generation, geboren in den Sechzigern, tragen den mittlerweile geradezu lächerlich anmutenden Namen Babyboomer. In Zeiten noch immer mäßiger Geburtenraten machen wir stattliche dreißig Prozent der Gesamtbevölkerung aus und bilden damit die größte solvente Zielgruppe. Wir sollen also seltsame Kleider kaufen, aber dabei kurz vergessen, dass wir nicht mehr die neueste Baureihe sind.

Zeit, von Johnny Depp Abschied zu nehmen

Ich kaufe zwar weder Gewänder noch Schuhe wie Schiffe, aber tatsächlich ist es nicht immer leicht, den eigenen Weggefährten beim Altern zuzuschauen. Zum Beispiel Johnny Depp. Der Schauspieler, Jahrgang 1963, radönkelte kürzlich hüftsteif bei dem US-Talker Jimmy Kimmel über die Bühne und brachte dabei den bedeutenden Song „Heroes“ zu Gehör. Es war traurig, wie dieses einst coole Menschenkind würdelos gekleidet und mäßig singend um die Aufmerksamkeit eines Publikums rang, das verdächtig still vor der Bühne stand.

Zudem hatte Johnny Depp es für eine gute Idee gehalten, seinen Körper in enge Lederhosen und ein kurzärmeliges Lederwams zu stecken und sich mit allerlei Schmuck zu behängen, der dem der Gewänder-Elsen verdächtig ähnelte. Damit nicht genug, verhackstückte er David Bowies popkulturelles Erbe und trug dabei eine blau getönte Gleitsichtbrille.

Beim Anblick meines einstigen Helden und seiner erschütternden Performance sagte ich mir, es sei nun wohl endgültig Zeit, sich von Johnny Depp zu verabschieden. Nein, man muss mit zunehmendem Alter nicht unsichtbar werden. Aber was bitte ist so schwer daran zu begreifen, dass stilvolles Altern im Popbereich prinzipiell nur im Maßanzug funktioniert. Haben Zeitgenossen wie Mister Depp oder Herr Campino Tomaten auf den Augen gehabt, als Johnny Cash sein Alterswerk einsang? Brian Ferry? Ich kaufe schließlich auch keine bauschigen Stoffungetüme. Also bitte schön, Jungs, sucht einen Schneider auf. Und dann versucht es noch mal.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Anja Maier
Korrespondentin Parlamentsbüro
1965, ist taz-Parlamentsredakteurin. Sie berichtet vor allem über die Unionsparteien und die Bundeskanzlerin.
Mehr zum Thema

20 Kommentare

 / 
  • So geht stilvolles Altern im Rock´n Roll mit 75 Jahren

    www.youtube.com/watch?v=NC2oijr-W20

  • Kleidung wurde doch schon immer total überbewertet und Mode ist letztlich nur der verzweifelte Versuch, Ladenhüter vor dem Vermotten doch noch an den Mann/die Frau zu bringen. Machte man früher ein Schlitz ins Kleid, so macht man heute Schlitze ins Hosenbein. Besonders kreativ ist das nicht, aber wenigstens luftig. So what?

  • 4G
    4813 (Profil gelöscht)

    Wenn der Körper und die Haare leberwurstgrau werden, dann ist es an der Zeit Akzente zu setzen, bevor man ins Heim kommt.



    Dass dies dem Spieß-Bürgertum fremd erscheint, ist nur natürlich aber behandelbar.

  • Frau Maier, schicken Sie bitte Madonna den Link zu diesem Artikel. Sie hatte sich beschwert über die Berichterstattung beim ESC und darauf hingewiesen, dass über Männer nicht in dieser Weise berichtet würde. Das ist hier auf jeden Fall widerlegt und sollte nicht vorenthalten werden :)

    In der Sache: ja! Man sollte meinen, der coolness Begriff würde sich mitentwickeln. Ist aber nur ausnahmsweise so. In der Regel bleibt er bei der Einstufung Mitte 20 stecken.

  • 8G
    88181 (Profil gelöscht)

    Wenn das aus der taz kommt, muss ja was dran sein.

    Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Hauses kommen schließlich in edles Tuch gewandet von Montag bis Donnerstag ins Haus.

    Nur am casual friday darf man im lässigen Look kommen. Poloshirt und Bootsschuhe für die Herren, ein luftiges Laura-Ashley-Kleidchen für die Damen.

    • @88181 (Profil gelöscht):

      Irgendwie ja auch bitter.



      &



      Da biste Zeit deines Lebens im Job mit Pullover & T-Shirt & einem - ooch klar -Sitzungsjackett zu Jeans etc rumjelofen - wa.



      &



      Beim OVG in MS - hamse sojet - an denense wg Klasse nich vorbeikonnten - in ne outgesourcte Dependance weggeschlossen. Bis immer mehr Nachrücker fragten: “Öh Hauptgebäude müsse ja nu wirklich nich sein. Ob nich noch Platz beie Pulloverrichter sei?



      MS - sei schließlich Strafe genug!“ Gelle

      & Däh



      'Die Pubertistin: eine Herausforderung'



      *1965 🎭 - Ja geht’s noch? - Fordert den Anzug für Mitfünfziger ein. Gaahrp.

      kurz - Zum Fremdschämen 👹



      Herr laß Abend werden - möglichst noch vor Strühfück.

      Na Mahlzeit 🕳 🕳 🕳

      • 8G
        88181 (Profil gelöscht)
        @Lowandorder:

        Und ich fordere das Recht auf Maßanzug!

        Weil der einzige Maßanzug den ich habe, verfügt über Maße, die ich nicht mehr habe.

      • @Lowandorder:

        Jackett, Pullover (womöglich noch mit V-Ausschnitt und T-Shirt drunter) und Jeans ist ja wohl das totale fashion-no-go!



        Und mal am Rande um ned nen Extrabeitrag zu schreiben; Campino rennt seit min. ca. zwei Dekaden nimmer mit Klamotten rum, die heutzutage die ominösen Hipster tragen würden, wenn die mal in ihrer realen Filterblase auffallen wollen...

        • @Hugo:

          Daßse auf die Hose stehen - nunja. 🕳



          “Wir können ooch nich alle Karl-Heinz heißen“ - wa. (H.R. in memoriam)

          & Jung - mal dess - 🎭 btw -



          Lesen hilft. Jackett - nur eins & dess unter der Robe beie Sitzung - 😈



          Get it^¿* - Fein.

          unterm——hück — in stage - gern - z.B.



          Armani blue Rohseide 15 € Flohmarket.



          Als Multiinstrumentalist - brauchste Taschen - reeds - mouthpieces - harp… -



          Get it^¿* Ok. Than let‘s have another round of bouce 😎 (Gleitsicht - -3,25 - the cat with the 🎩 - 👺)

          “Ok - das walte Hugo.“ Volkers 👄

          • @Lowandorder:

            Welche Hose? Die Jeans oder die sich verbal artikulierende einer u.a. auch in Argentinien angehimmelten deutschen Beatformation?



            Jeans (in schwarz) ja, DTH eher nein, wenn ich unbedingt Hardrock hören will isses eher Deep Purple oder (alte) Black Sabbath.



            Zu Jeans kann mensch (m/w/d) alles Mögliche anziehen, Blazer, Jackett, Sakko o.ä. ist Scheiße und Millionen Fliegen irren in der Causa ;) .

            • @Hugo:

              Au Backe: Herr wirf…

              Campino = “…die Hose …“

              kurz - “…nen Knopf lose“ ?



              Frag nur mal. Newahr.

  • Peinlich ist eher die nun wohl verblichene Anbetung irgendeines Stars.

  • Ist das jetzt Satire?

    Soll das Männern den Spiegel vorhalten, die Frauen erzählen wollen, wie man altert?

    Naja.

  • Was für eine widerwärtige Kolumne! Jetzt ist wohl auch die Taz endgültig spießig geworden wenn ein gerade mal 56 Jahre alter Schauspieler bzw. Rocksänger Maßanzug statt Lederklamotten tragen sollen...pfui!

    • @Saile:

      Klar - wat frauman kennt - willse gern unbedarft auch andern abdrehn.

      kurz - Voll peinlich - wa!



      Is jar keen Ausdruck.

  • Häh? Wenn der Johnny und der Campino sich in diesen Klamotten wohlfühlen, sollen sie doch tragen was sie wollen? Was ist das bloß für eine Welt in der eine Person immer meint, einer anderen ihren Geschmack aufdrängen zu wollen?

    • 8G
      83663 (Profil gelöscht)
      @Neinjetztnicht:

      Genau!!!

  • Was bitte ist " radönkelte " dem Duden ist das Wort unbekannt

  • 9G
    98589 (Profil gelöscht)

    Danke für diesen köstlichen Beitrag, Frau Maier!



    Ist soooo stimmig :-)

  • Sach mal so -

    Wer auf 1000 Jahre Tote Hosen & Johnny the Depp steht.



    Hat‘s ja auch in seiner pruzzen Überheblichkeit nicht besser verdient. Gellewelle.



    Fehlen ja nur noch die Acker-Band - The Scorpions - Gaahrp - wa.

    Anyway. Johnny Cash - el classico. Liggers.



    But. John Mayall mal - mit seinen Jeans & seitengeflochtenen Lederteilen ....



    Zeigt - wie‘s auch jenseits - ödslicher Muffigkeit & Klamottenwahn - Aber Hallo! 👹



    Leicht locker lässig so fein anders geht •

    unterm——



    www.pghcitypaper.c...ontent?oid=1951532



    &



    m.youtube.com/watch?v=AqBALJpt_bo



    John Mayall - Room To Move - at the Circus, Helsinki Feb 27, 2019



    &



    Womer grad bei D-doof & Hosen & Stil sind - wa!



    Unvergessen - Tor 3 - Mayall & The Bluesbreakers 😈



    Spielen sich den Arsch ab.



    & Däh!



    Die D-doofer Fingen sübbeln ihr Alt - Gewordenes.👹



    & Däh! Break!



    Du siehst - im tophangig - Übergang - Da laufe se!



    “Paß auf - die kommen nicht wieder!



    John Mayall hat davon die Schnauze voll!“



    “Die ham doch erst ne dreiviertel Stunde gespielt!“



    & Däh! Halbe Stunde & die Lala ging an.

    kurz - Le style c'est l'homme. Nothing else.

    unterm——2.



    Klamottenberaterin - ist doch auch‘n ehrbarer Beruf - wa.



    &



    “Weh der Frau - die sojet Hil'dchenbildchen nötig hat.“



    —-



    & nochens -



    Von James Blood Ulmer John McPhee Jean-Paul Bourelly & Kiss The Sky.



    Die sich grad grandios lässig den Arsch abgespielt haben - bei Peitz 56. Newahr.



    Will ich erst gar nicht anfangen.



    (Im Shuttel - “I know you - as the young Jimmy!“ “Oh - the peoples talks a lot!“



    Recht hat er - laughing in the night. 🎭 - aber die kids wollen nicht aus dem Haus! 👹