Kolumne Aufm Platz: Platz da!
Chilenische Fans wollten am Mittwoch mit aller Macht ins Maracanã und stürmten das Medienzentrum. Jetzt werden sie in ihr Heimatland abgeschoben.
E s war ein Akt der Verzweiflung. Gut 1.000 Reais hätte er ja für eine Eintrittskarte gezahlt, erzählte ein chilenischer Fan einem brasilianischen TV-Sender. Aber die umgerechnet etwa 330 Euro reichten angesichts der viel höheren Schwarzmarktpreise nicht.
So erging es Hunderten von Chilenen vor dem Maracanã-Stadion in Rio de Janeiro, welche die weite Reise aus ihrem Heimatland ohne Ticket angetreten hatten. Sie entschlossen sich dazu, mit der Kraft der Menge das Medienzentrum zu stürmen, um auf diese Weise doch noch ins Stadion zu gelangen. Stellwände gingen zu Boden, Türen- und Fernsehglas zu Bruch, Tische und Stühle wurden zur Seite geschleudert. Aber trotz aller Wucht, mit der sich die Verzweifelten ihren Weg bahnten, strahlten sie keinerlei Aggressivität aus.
Ihr Recht auf Eintritt, so hatte man das Gefühl, leiteten sie einfach aus den Entbehrungen ab, die sie bis dahin für dieses Spiel in Kauf genommen hatten. Die Glückslotterie der Fifa, welche die Vergabe der Tickets im Losverfahren regelt, hatte sie nicht begünstigt.
Schon vor dem ersten Spiel im Maracanã am Sonntag hatten argentinische Fans versucht, über einen Zaun ins Stadion zu gelangen. Offenbar haben die WM-Macher die große Masse an Fans unterschätzt, die gerade aus anderen Ländern Südamerikas ohne Karten nach Brasilien kommt. In Fortaleza kamen vor dem Spiel zwischen Brasilien und Mexiko 300 Stewards nicht zur Arbeit. Die Polizei musste kurzfristig ihre Aufgaben übernehmen. Ein ähnlicher Vorfall hatte sich in Brasilía ereignet und zu verspätetem Einlass Hunderter Zuschauer geführt. In Cuiaba hatte ein Fan Feuerwerkskörper beim Spiel Chile gegen Australien (2:1) gezündet. (dpa)
Die Weltfußballorganisation hatte es nach dem Spiel sehr eilig zu versichern, dass sie sehr schnell wieder die Kontrolle über die unübersichtliche Situation erlangt habe und 85 der Eindringlinge im Gewahrsam der brasilianischen Militärpolizei wären. Für den Folgetag kündigte man eine Pressekonferenz eigens zum Thema Sicherheit an. Die Fifa steht natürlich nach diesem offenkundigen Sicherheitsleck in der Pflicht, zu beweisen, dass so etwas nicht ein zweites Mal passieren kann.
Mit dem Schicksal und den Motiven der Verzweifelten hingegen beschäftigt man sich bei der Fifa weniger. Nach dem Spielende machte man deutlich, dass man mit dem Schicksal der Festgenommenen nichts mehr zu tun hat. Fragen zu den chilenischen Eindringlingen solle man doch bitte an die Militärpolizei richten, erklärte die Fifa-Sprecherin Delia Fischer ungefragt.
Das brasilianische Justizministerium wiederum betonte, dass man, obwohl man mit der internen Sicherheit im Stadion nichts zu tun habe, erfolgreich eingeschritten sei. Schon bei der Vorbereitung auf die WM war aufgefallen, dass sich brasilianische Behörden und die Fifa bei auftretenden Schwierigkeiten gegenseitig die Verantwortung zuschieben. Die provisorische Lösung des Problems ist nun die Abschiebung der Fans, die als Störenfriede gelten, in ihr Heimatland innerhalb von 72 Stunden.
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