Kolumne Aufgeschreckte Couchpotatoes: Die Tourismusindustrie boomt
Die Jahrestagung des Deutschen Reiseverbands fand in Berlin und nicht an einem aufregenden Urlaubsort statt. Selbst die Branche scheut die Türkei.
D er Deutsche Reiseverband hat getagt. Nicht irgendwo zwischen Korea und Rotem Meer, wie sonst alljährlich üblich, auch nicht wie geplant in Kuşadası an der Südwestküste der Türkei, sondern in Berlin. In die Türkei wollten die Reisefachleute nicht. Die Buchungen blieben aus. Das ist eine gute Nachricht: So konnten die TeilnehmerInnen umweltfreundlich mit dem Zug anreisen, ohne die Atmosphäre durch hundertfache Flüge zu belasten.
Die zweite gute Nachricht: Auf der 66. Jahrestagung des DRV wurde Verbandspräsident Norbert Fiebig mit 99,88 Prozent aller abgegebenen Stimmen von der Mitgliederversammlung bestätigt.
Die dritte gute Nachricht: Die Tourismuswirtschaft trägt mit 214,1 Milliarden Euro hierzulande mehr zur Wertschöpfung bei als die Automobilindustrie. Das entspricht 9,7 Prozent der gesamten Bruttowertschöpfung der deutschen Volkswirtschaft. Rund 95 Prozent des Umsatzes des deutschen Reisebüro- und Reiseveranstaltermarktes wird von den Mitgliedern des DRV erwirtschaftet. Und: Die Nachfrage ist unverändert hoch.
Die vierte gute Nachricht: die Verleihung der EcoTrophea 2016 an ein Projekt in den Andenländern für gemeindeorientierten, nachhaltigen Tourismus von TourCert. Seit 1987 vergibt der DRV alljährlich die Auszeichnung für Umweltschutz und soziale Verantwortung im Tourismus. Nur die Trophäe selbst – ein großes, weißes, phallisches Gebilde – wirkt zu brachial für die sozialverträgliche Botschaft, aber vielleicht soll es ja ein Leuchtturm sein.
Die fünfte gute Nachricht: Die Welt ist nicht wirklich unsicherer geworden, versichert die krisenerfahrene Journalist Antonia Rados den DRV-Mitgliedern zum Thema Terror und Tourismus. In der Renaissance war es viel unruhiger. Auch der Kommunikatonsexperte Lutz Meyer betont positive Impulse: In einer „Gesellschaft von Hasenfüßen“ käme es auf die kognitive Dissonanzvermeidung an. Für die Reisebranche heißt das: „Sie müssen uns die Welt so nahebringen, dass sie uns gefällt.“ Ganz einfach.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Juso-Chef über Bundestagswahlkampf
„Das ist unsere Bedingung“
Verein „Hand in Hand für unser Land“
Wenig Menschen und Traktoren bei Rechtspopulisten-Demo
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen