Kolumne Andropause: Der dritte Frühling
Mit dem Alter wird nicht alles leichter, vor allem nicht untenrum. Über Urologen, Polen-Witze und Nachtröpfeln – den Orgasmus des alten Mannes.
D er alternde Mann hat es weniger leicht, als viele denken. Die Hormone spielen verrückt, der Andropausenclown versteht die Welt nicht mehr. Die Frau ist weg, und sein bester Freund ist nun der Urologe.
Auf einmal scheint er mich unerwartet doch noch zu ereilen: der dritte Frühling. Den ersten (die Adoleszenz mit Anfang 30) und den zweiten (die Midlifecrisis mit Anfang 40) habe ich mit Schrammen an nicht nur meiner Seele überstanden und längst hinter mir. Doch neuerdings, o Freude, o Wunder, tritt Freund Pinselchen auf einmal wieder merklich öfter in Aktion, heidewitzka, bis zu fünf Mal muss ich manche Nacht aufs Klo. Meist kommt dann aber nicht viel – immerhin das hat etwas von Honeymoon-Syndrom. Dafür bin ich oft nicht fertig, wenn ich fertig bin, sondern könnte gleich noch mal. Das Nachtröpfeln ist der Orgasmus des alten Mannes.
„Too much information“, werden jetzt wieder die Zartbesaiteten nölen. Aber besser too much information, so lautet meine Devise, als too wenig. Wer too much information fürchtet, hat doch die letzte Neugier auf das Leben und die Welt verloren. Der ist im Grunde wie tot. Wie Sagrotan hat die Angst vor der Vergänglichkeit des Fleisches alles Sinnliche in ihnen abgetötet. Solchen Leuten gilt mein ganzes Mitleid.
Dabei gibt sich der Urologe doch so viel Mühe. Blut, Urin und Schnickschnack, alles wird schön überprüft. Nichts ist gut, Kontrolle ist besser, denn leider bin ich genetisch meine eigene Zeitbombe. Eines Tages, so sagt der Urologe, wird die wohl hochgehen. Na, der macht mir aber Spaß, palim-palim, helau.
Mein Freund, der Urologe
Der Urologe ist mir wie ein Freund. Alle anderen habe ich über die Jahre hinweg vergrämt oder schlicht vernachlässigt. Ich bin ein merkwürdiges Arschloch geworden, wie die meisten in meinem Alter. Dabei können wir doch nichts dafür, dass wir alles besser wissen und als Einzige die Dinge realistisch sehen.
Apropos Arschloch. Hose runter, Ultraschall. Er ist gründlich und erklärt mir alles: hier Sand in der Niere, dort die Prostata, dreieinhalb Zentimeter. Über seine spannenden Ausführungen vergesse ich fast, dass er die ja noch abtasten muss. Inside Deep Ass. Dazu lege ich mich auf die Seite, und er zieht einen Handschuh über. Und noch ein Scherz: „Erst die Arbeit, dann das Vergniegen.“ Er ist Pole.
Bei der Gelegenheit fällt mir wieder ein, wie lustig ich das englische Wort für Polen finde: Poland. Haha. Poland. Hahahaha. Im Alter wird man nicht nur immer klüger, sondern auch immer witziger. In Poland gibt's zwei Berge/und auch ein tiefes Tal/im Tal da wohnen Zwerge/die bauen nen Kanal. Kurz habe ich überlegt, ob ich das (K) in (K)anal in Klammern setzen soll. Ich habe dann drauf verzichtet, denn der typische Witz des Alters ist subtil. Mein Humor ist eine Rose im Oktober. Noch einmal entfaltet sich die ganze Pracht, doch der Höhepunkt kündigt zugleich den Abschied an.
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