Kolumne Afrobeat: Afrikas geliebter Fidel
Castros Hilfe im Kampf gegen rassistische Regime prägte den Kontinent. Afrika heute wäre ohne Kubas Politik des militärischen Eingreifens nicht denkbar.
K aum irgendwo außerhalb Lateinamerikas wird der Tod Fidel Castros so betrauert wie in Afrika. Die Kommission der Afrikanischen Union nannte den verstorbenen kubanischen Führer „eine Ikone der Freiheit“.
Südafrikas Präsident, Jacob Zuma, der zum Begräbnis nach Kuba flog, sagte: „Er stand mit uns in Solidarität, er unterstützte unseren Kampf […]Wir wussten, dass wir uns auf Kuba verlassen konnten, ein trauter Freund und Verbündeter der Unterdrückten“.
Er verwendete den Begriff „special relationship“, der einst als Beschreibung der Allianz zwischen Großbritannien und den USA gegen Hitlerdeutschland entstand, zur Beschreibung der Beziehung mit Kuba, „zementiert durch das Blut heroischer kubanischer Soldaten“.
Das ist mehr als Nostalgie. Afrika heute wäre ohne Kubas Politik des militärischen Eingreifens nicht denkbar – im Guten wie im Schlechten. Viele Jahre lang, bis Ende der 1980er Jahre, war Afrika eine heiße Front des Kalten Krieges.
An dieser Front standen Kubaner: über 50.000 zeitweise in Angola, über 20.000 für kürzere Zeit in Äthiopien. Eine ganze kubanische Soldatengeneration wurde von den Erfahrungen in der afrikanischen Savanne geprägt.
Schwarze wie Tiere behandelt
Es ist schwer, das heute nachzuvollziehen. Deutsche Linke erinnern sich lebhaft an Südamerikas Militärdiktaturen, aber kaum an das Ausmaß rassistischer Gewaltherrschaft im südlichen Afrika jenseits des Apartheid-Regimes.
Nachdem der Großteil Afrikas ab 1960 unabhängig wurde, gelang den weißen Herrschern im Süden ein Rollback: In Kongo wurde 1961 Freiheitsheld Patrice Lumumba ermordet, in Südafrika wurde 1963 die Führung der Befreiungsbewegung ANC zerschlagen, in Rhodesien (heute Simbabwe) rief die weiße Siedlerverwaltung 1965 die einseitige Unabhängigkeit aus.
Südwestafrika (heute Namibia) war südafrikanisch besetzt, Angola und Mosambik waren Kolonien Portugals, zu der Zeit eine finstere Diktatur.
In diesen Ländern wurden damals Schwarze behandelt wie Tiere. Eine winzig kleine weiße Minderheit hielt ausschließlich sich selbst für vollwertige freie Menschen, die anderen waren höchstens für Zwangsarbeit zu gebrauchen.
Der Architekt der Apartheid, Südafrikas Premierminister Hendrik Verwoerd, pries am 31. Mai 1966 in einer Rede „das Licht der Sonne der Freiheit“, in dessen „Stärke“ und „Wärme“ Südafrika aufblühe. Dann führte er aus: „Dies ist eine weiße Republik, regiert vom weißen Mann, Teil des weißen Gebietes der Erde.“
Spezialkämpfer aus Kuba
Verwoerd hatte in den 1920er Jahren in Deutschland Psychologie studiert, im Umfeld der rassistischen „Völkerpsychologie“, die er dann schließlich in Afrika umsetzte. Die Regierenden der Region heute sind alle als Opfer dieser Entmenschlichung aufgewachsen.
Das ist der Kontext für Kubas Einmischung. Vor ziemlich genau 50 Jahren, im November 1966, weiteten Guerillakämpfer in Angola ihren Krieg auf das ganze Land aus, und in Namibia begannen erste Angriffe.
Es festigten sich die Kontakte zwischen den Freiheitskämpfern Angolas und der Regierung Kubas. Apartheid-Südafrika plante derweil Militärallianzen mit Südamerikas rechten Diktatoren, eine Sato (South Atlantic Treaty Organisation) südlich des Äquators, die als Hirngespinst noch jahrzehntelang herumspukte.
Nach Portugals Nelkenrevolution von 1974 gab das Land seine Afrika-Kolonien auf. Südafrikas Armee griff in Angola ein, um die sozialistischen Rebellen der MPLA (Angolanische Volksbefreiungsbewegung) an der Machtergreifung zu hindern. Kurz vor dem ausgehandelten Unabhängigkeitstermin des 11. November 1975 landeten in der Hauptstadt Luanda Flugzeuge voller Spezialkämpfer aus Kuba, um die MPLA an der Macht zu halten.
Die Geschichte des darauffolgenden Krieges, der Angola zeitweise ähnlich verwüstete wie Syrien heute und für Afrika eine ähnliche geopolitische Bedeutung hatte wie der Syrienkrieg für die arabische Welt jetzt, muss in weiten Teilen erst noch geschrieben werden.
Wer meint, „postfaktisch“ sei ein neues Phänomen des Jahres 2016, kennt die Geschichte Afrikas nicht und hat sich auch nie mit Kuba beschäftigt.
Geschichte postfaktisch
In der Geschichtsschreibung der Linken fiel die Entscheidung in Angola 1988 in der Schlacht von Cuito Cuanavale, in der Südafrika eine vernichtende Niederlage erlitt und 10.000 Soldaten auf beiden Seiten starben. Kubas Sieg damals, so der ANC heute, habe Südafrika zum Rückzug gezwungen und den Friedensprozess möglich gemacht, der Namibias Unabhängigkeit und dann das Kriegsende in Angola sicherte.
In der Geschichtsschreibung der Rechten fand die Schlacht von Cuito Canavale nie statt. Die politischen Entscheidungen seien schon vorher gefallen, eine militärische Konfrontation habe es kaum gegeben, steht in Memoiren der beteiligten südafrikanischen Generäle. an habe Kuba von einem grandiosen Sieg sprechen lassen, um Castro zu ermöglichen, sein gescheitertes Afrika-Abenteuer mit erhobenem Haupt zu beenden.
Egal was stimmt – die MPLA regiert Angola bis heute und Namibia ist unabhängig, während Südafrikas Apartheidregime Geschichte ist. Ohne Kuba wäre das nicht geglückt. Das Erbe davon ist eine in allen politischen Lagern geteilte Gewissheit, dass man mit Waffen und Krieg durchaus Probleme lösen kann, anders als viele in Europa heute denken. Es kommt darauf an, wer gewinnt.
Natürlich entstehen daraus auch neue Probleme. Eliten in vielen Ländern Afrikas, nicht zuletzt in Angola, kapseln sich von den Armen ab und versagen ihnen die Bürgerrechte. Ganz so, als hätte 1966 Verwoerd Recht gehabt, als er mahnte, die „Ambitionen der Nationalisten“ im Rest Afrikas müssten „Erfüllung nicht nur für ausgewählte Einzelne, einen Diktator oder zwei, sondern für die Massen“ bringen.
Verwoerd, Castro und der ANC – sie alle sprachen damals von Freiheit. Was sie meinten, war gänzlich unvereinbar. Aber niemand kann leugnen, dass die Freiheit von Südafrika und Angola 2016 der von 1966 haushoch überlegen ist. Das ist das Erbe Fidel Castros in Afrika.
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