Kolonialismus als Spielfilm-Thema: Geklaut aus Afrika
Zu sehen in Hamburg: In seinem Spielfilm „Invasion 1897“ erzählt Lancelot Oduwa Imasuen, wie das Königreich Benin durch die Briten zerstört wurde.
Dabei ist die Geschichte, wie das Königreich Benin Mitte des 19. Jahrhunderts unterging und wie die 3-5.000 Artefakte in die Hände der Briten kamen, kaum bekannt. Geschichte schreiben nun mal die Gewinner. Deshalb sind die Geschichten der Eroberten umso wichtiger als immer bloß die der Eroberer.
Ein perfektes Beispiel dafür ist der Film „Invasion 1897“ von dem nigerianischen Filmemacher Lancelot Oduwa Imasuen, der nun selbst in Hamburg dabei ist, wenn sein Film gezeigt wird. Dieser erzählt vom bewaffneten Einfall britischer Truppen in das Königreich Benin – und das eben aus der afrikanischen Perspektive: Der letzte König Benins, Nogbaisi Ovonramwen (1857–1914), ist der tragische Held und dadurch vermittelt der Film aus dem Jahr 2014 nicht zuletzt einen Einblick in die Machtstrukturen jener Jahrhunderte alten afrikanischen Monarchie.
Benins König betrachtet die britische Queen Victoria als gleichrangig. Die britischen Offiziere hingegen, an den reichen Kautschukernten seines Landes interessiert, erwarten ganz selbstverständlich, dass der König sich der Queen unterwirft – und damit auch ihnen selbst. Ovonramwen hält sich unter dem Schutz der „200 Götter“ seines Reichs für unbesiegbar, aber gegen die Schusswaffen der Briten hat er keine Chance.
Unterschiedliche Weltbilder geschickt herausgearbeitet
Diese unterschiedlichen Weltbilder arbeitet Imasuen geschickt heraus. Einmal lässt er einen der Beniner Götter bei einem höfischen Ritual erscheinen, während die Briten pragmatisch – mit europäischer Arroganz – ihren Feldzug planen. Die inzwischen über 120 Jahre zurück liegende Geschichte verknüpft er über eine Rahmenhandlung mit der Gegenwart: Im London des Jahres 2014 versucht der nigerianische Student Igie Ehanire (Charles Venn) einige aus Benin stammende Skulpturen aus dem Britischen Museum zu stehlen.
Vorführung von „Invasion 1897“: Di, 26.7., 20 Uhr, Hamburg, Museum am Rothenbaum/Markk. Danach Diskussion mit Regisseur Lancelot Oduwa Imasuen (Moderation: Barbara Plankensteiner, Direktorin des Museums)
Er wird erwischt, verhaftet und landet vor einem britischen Gericht, wo er sein Handeln rechtfertigt: „Man kann nicht stehlen, was einem selbst gestohlen wurde.“ In einer großen Rückblende erzählt er dann die Geschichte des Raubes.
In Nigeria hat sich seit den 1990er-Jahren eine lebendige und erfolgreiche Filmszene entwickelt; gemessen an der Anzahl produzierter Filme ist dieses „Nollywood“ längst größer als das US-Vorbild. In der Tradition der – von nordamerikanischer oder europäischer Warte aus – billigen Produktionsmethoden steht auch Imasuens Film, der deshalb kaum mit den westlichen Maßstäben zu bewerten ist.
So werden die durchweg männlichen Briten gespielt von offensichtlich in Nigeria zusammengesuchten Laien, die kaum ihre Dialogsätze aufsagen können; die Schlachtszenen wurden mit visuellen Effekten von Videospielen aufgepeppt – und Imasuens zeigt gleich vier Mal, wie einem Menschen der Kopf abgeschlagen wird.
Dies mag manche Zuschauer*innen befremden, Aber wichtiger als jede Geschmacksfrage ist, dass das – seit Längerem um die Kolonialismus-Aufarbeitung bemühte – frühere Hamburger Völkerkundemuseum damit nun ein Beispiel für originäre nigerianische Kultur bei sich zu Gast hat; zu Gast, nicht einfach geklaut.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen