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Kohleförderung in DeutschlandDorf gegen Bagger

Klimaaktivist:innen haben ein Haus in Lützerath besetzt. RWE will den Ort im rheinischen Braunkohlerevier für den Tagebau Garzweiler abreißen lassen.

Besetzung des Gebäudes, das wegen der Umsiedlung von Lützerath, abgerissen werden soll Foto: Petra Wischgoll/reuters

Berlin taz | Am Dienstagmorgen besetzten fünf Klimaaktivist:innen ein Haus im nordrhein-westfälischen Lützerath, das im Auftrag des Energiekonzerns RWE zum Abriss vorbereitet werden soll. Die Ortschaft liegt direkt neben dem Kohletagebau Garzweiler und soll für dessen Erweiterung weichen. Nahe dem Haus versammelten sich zahlreiche Menschen, um die Besetzer:innen zu unterstützen.

RWE stellte nach Angaben der Polizei Aachen Strafantrag, daraufhin räumten Beamt:innen die Besetzung. Sie nahmen die Identität der Fünf auf. Gegen zwei von ihnen, die sich aneinander gekettet hatten, leiteten sie zudem ein Strafverfahren wegen Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte ein.

Die öffentliche Debatte um die Zerstörung von Dörfern für den Kohleabbau hatte kürzlich neu an Fahrt aufgenommen. Im Dezember war ein Gutachten zum Kohleausstieg bekannt geworden, laut dem man fünf rheinische Dörfer hätte retten können. Dafür hätte man nicht den Kohleausstieg vorziehen, sondern eine weniger profitable Reihenfolge beim Abschalten der Kohlekraftwerke wählen müssen.

Das Papier führte zu einem kleinen Skandal: Das Bundeswirtschaftsministerium hatte es ursprünglich beauftragt, um das Kohleausstiegsgesetz vorzubereiten. Veröffentlicht wurde es aber erst ein Jahr nach der inhaltlichen Fertigstellung – als das Gesetz längst verabschiedet war.

Nur noch 13 Einwohner:innen

Lützerath taucht in dem Gutachten allerdings nicht auf. Es gehört zu einer Reihe an Ortschaften, deren Ende während der Untersuchung quasi schon besiegelt war.

Die Genehmigungen dafür sind Jahre alt, der größte Schaden ist längst getan. Die Umsiedlung der ursprünglich rund 100 Einwohner:innen ist im Prinzip abgeschlossen; nur noch 13 Personen zählte der Ort Ende 2020. Viele ihrer früheren Nachbar:innen haben sich mit einem neuen Zuhause in nahegelegenen Plansiedlungen arrangiert.

Ihre alten Wohnhäuser gleichen aber noch nicht dem Erdboden. „Irgendwann naht der Bagger und dann muss Lützerath auch abgetragen werden“, sagte ein RWE-Sprecher der taz. Das wollen die Besetzer:innen verhindern. Einige kündigten auf Twitter weitere Proteste an.

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9 Kommentare

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  • 1G
    17900 (Profil gelöscht)

    Es wurde ein langfristiger Vertrag zwischen der Landesregierung und dem Unternehmen RWE geschlossen.



    Außerdem dürften die Hausbesitzer entschädigt worden sein.



    Natürlich ist es bedauernswert, wenn man sein kleines Stück Heimat verliert, aber das hat ja seinen Grund.

    In Kiruna (Schweden) ist eine ganze Stadt wegen des Bergbaus umgezogen und zwar ohne zu klagen, weil allen klar war, hier sind unsere künftigen Jobs.



    Also lasst die Kirche im Dorf - völlig unpassendes Metapher.

  • eigentlich sollte der abbau von stein und braunkohle sofort weltweit verboten werden.

    aber korrupte staaten und schwache regierungen unterlassen das notwendige

  • "Eine Idee wird dann zur materiellen Gewalt, wenn sie die Massen ergreift" W.I.Lenin



    Diese Art Aktivismus wird das nicht erreichen.

  • Es ist einfach nur unfassbar, daß Menschen ihrer Heimat geraubt werden sollen für billige und noch dazu veraltete Energie. Aber selbst wenn sie fortschrittlich wäre, würde ich es genauso verurteilen.

    • 1G
      17900 (Profil gelöscht)
      @Nobodys Hero:

      Sie verstehen das offenbar nicht!



      Bergbauunternehmen planen über einen Zeitraum von 20 bis 30 Jahre und zwar weltweit! Wenn dies nicht möglich ist, lassen die einfach die Finger davon.



      Dann gibt`s keine Kohle und somit keine Energie.



      Dass die Verbrennung der Kohle ein massives CO2-Problem darstellt, ist erst in den letzten Jahren allgemein bekannt geworden.



      Was soll ein Unternehmen tun? Auf den Profit verzichten? Wir leben im Kapitalismus. Letztlich muss jemand kräftig dafür bezahlen und das sind in Deutschland die Steuerzahler, weil die Politiker zu dumm und zu feige waren, die Brückentechnologie CCS einzuführen. Das kostet allein in der Lausitz 40 Mrd. Euro!!!!!!! Ohne Sinn und Verstand.

      • @17900 (Profil gelöscht):

        Für mich ist es dennoch unfassbar, daß Menschen ihrer Heimat beraubt werden, egal wann das entschieden wurde und egal wie billig oder teuer die Energie ist.

    • @Nobodys Hero:

      Sorry, aber das ist keine Billige Energie. Damit nicht 20% vom der Ruhr unterwasser steht, muss für immer Gepumpt werden, was jährlich 200 Millionen € kostet. Derzeit zahlt das noch die RAG-Stiftung. Doch wird bezweifelt das es die ewig gibt. Das wird dann erstmal ein richtiger Strukturwandel. Hoffe bis dahin ist die Gentechnik so weit das wir Menschen Kiemen wachsen lassen können. Hahaha...



      Quelle:



      de.wikipedia.org/wiki/Ewigkeitskosten

      • @Upgrade:

        Noch ein Grund es zu lassen...

  • Strafverfahren gegen Vollstreckungsbeamte sind dann wohl so eine Art Ritter*inschlag für Aktivist*innen. Der Widerstand der Aktivist*innen ist mit das vernünftigste, was mensch gegen diesen Staat tun kann, der die Zukunft sogar der eigenen nachfolgenden Generationen an Staatsbürger*innen abbaggern, verstromen und für Wirtschaftswachstum, Pöstchen und Reichtum für die Reichen in den Äther blasen lässt.